Shopping-VerzichtWie es ist, ein ganzes Jahr lang keine neue Kleidung zu kaufen

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Katja Kröckel steht in Rodenkirchen vor dem Rhein.

Katja Kröckel hat ein Jahr lang keine neue Kleidung gekauft, nicht einmal Socken.

Katja Kröckel (41) hatte sich für 2022 vorgenommen, keine neue Kleidung für sich zu kaufen. Nicht einmal Socken. Sie hat es durchgezogen und ist glücklich darüber. Hier erzählt sie, was sie gelernt hat und wie sie zukünftig shoppen will. 

„365 Tage sind jetzt fast vergangenen seit dem 1. Januar 2022. 365 Tage, in denen viel passiert ist. Ein schrecklicher Krieg hat begonnen, die Queen ist gestorben, die Nationalmannschaft ist bei der WM früh gescheitert. Gab es auch gute Nachrichten? Ganz bestimmt, allerdings soll an dieser Stelle kein Jahresrückblick stehen. Davon gab es schon genügend. Vielmehr möchte ich auf zwölf Monate zurückschauen, die für mich persönlich besonders waren. Denn ich habe in 2022 auf ein Hobby vollständig verzichtet, das mir wichtig war. Auf das Shoppen von Kleidung. Von kuscheligen Pullovern. Von trendigen Jeans. Von angesagten Sneakern. Von wärmenden Jacken. Von modernen Schals. Von passenden Skihandschuhen, die ich eigentlich für die anstehende Reise benötigt hätte. Aber ich konnte sie nicht kaufen, ohne meinen Vorsatz zu brechen.

Mehrmals im Jahr den Kleiderschrank aussortiert

Was hat mich dazu bewogen, das zu tun? Ganz einfach: Jedes Jahr habe ich ein- oder manchmal sogar zweimal eine größere Menge an Kleidung aussortiert, um wieder etwas Platz im Schrank für Neues zu haben. Teilweise habe ich sie gespendet, teilweise haben die Sachen für den Bruchteil des Kaufpreises über Ebay-Kleinanzeigen eine neue Besitzerin gefunden. Einige der Hosen, Pullover oder T-Shirts waren nahezu neu. Ich musste sie unbedingt haben. Weil sie mir in dem Moment besonders gut gefallen haben. Vielleicht auch, weil sie so ein tolles Schnäppchen waren. Dachte ich. Denn getragen habe ich manche selten, einige sogar nie. Irgendwann kam dann der Gedanke: Warum mache ich das eigentlich? Warum kaufe ich immer weiter Klamotten, obwohl mein Schrank bereits übervoll ist? Warum gebe ich so viel Geld dafür aus? Weil ich keine vernünftigen Antworten auf diesen Fragen finden konnte, habe ich für mich entschieden, im Jahr 2022 keine Kleidung zu kaufen. Nichts, keinen Pullover, keine T-Shirts, keine neue Tasche, noch nicht mal Socken. 

Alle Shopping-Newsletter und Apps entfernt

Am Anfang war es gar nicht so einfach, es auch wirklich durchzuziehen. Besonders dann nicht, wenn mich Newsletter meiner Lieblingsmarken erreicht haben, die mich mit großen Rabatten zum Einkaufen verleiten wollten. Früher wäre ich darauf sicher direkt angesprungen, jetzt habe ich die Gelegenheit genutzt und mich aus allen Newsletter ausgetragen und die Apps vom Handy entfernt. Eine Herausforderung war für mich auch der „Black Friday“. Ich hatte den Eindruck, dass die Firmen in diesem Jahr besonders unter Druck standen, um ihre Ware los zu werden – wieder mit Rabatten ohne Ende. Auch wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich im Sommerurlaub auf Ibiza nicht gerne das bunte Kleid auf dem Hippie-Markt gekauft hätte, das mir direkt ins Auge gesprungen ist. Heute bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. In Deutschland hätte ich sowieso kaum Gelegenheit dazu gehabt, es zu tragen. Es wäre wahrscheinlich ziemlich schnell in die zweite Reihe meines Schranks gerutscht – und damit auch aus meinem Bewusstsein.

„Es war befreiend, nichts Neues kaufen zu müssen“

Wenn ich meinen Freundinnen davon erzählt habe, dass ich ein Shopping-freies Jahr durchziehe, bin ich häufig ungläubig angeschaut worden. Ich habe dann oft Sätze gehört wie „Respekt, aber das würde ich nicht schaffen“ oder „Krass, ist das nicht unglaublich schwierig, nicht mal neue Socken?“. Ja, es war herausfordernd, weil ich selbst lange als Einkäuferin für ein Modeunternehmen gearbeitet habe. Aber schwierig? Nein, das war es nicht. Denn ich hatte immer genug verschiedene Kleidungsstücke. Ich bin kreativ geworden und habe Klamotten getragen, die ich eigentlich aussortieren wollte. Oder ich habe mir manchmal einen Pullover aus dem Schrank meines Partners geliehen, Oversize ist ja gerade angesagt. Wer mein Vorhaben nicht kannte, wird nicht gemerkt haben, dass ich ein Jahr keine neuen Sachen getragen habe. Und oft war es auch sehr befreiend, nichts kaufen zu müssen.

Durch Shopping-Verzicht 2000 bis 3000 Euro gespart

Aber warum habe ich das eigentlich gemacht? Die Antwort bin ich noch schuldig. Erstens – und das war für mich der wichtigste Grund – ich wollte mir selbst beweisen, dass das geht. Zweitens habe ich so sicher 2000 bis 3000 Euro gespart. Geld, das ich für ein paar schöne Reisen mit meiner Familie genutzt habe. Geld, mit dem ich Dinge für meine beiden Töchter gekauft habe. Denn die sind im Wachstum. Da ist dieser totale Verzicht nicht machbar. Und natürlich wollte ich ihnen das auch nicht zumuten. Und der dritte Grund: Ich wollte einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Denn ich war häufiger in den Produktionsstätten in Asien und habe gesehen, unter welchen Bedingungen die Waren dort hergestellt werden. Danach werden sie über den Globus geschickt und mit einem DHL-Auto an meine Haustür gebracht. Und dann? Habe ich sie viel zu selten getragen und die Entsorgung geschieht ja auch nicht von selbst.

Jetzt steht das neue Jahr vor der Tür. Wie wird 2023 mein Shopping-Verhalten aussehen? Von meinen Freundinnen bin ich zuletzt oft gefragt worden, ob die Warenkörbe meiner Lieblingsshops wieder voll sind. Nein, sind sie natürlich nicht. Ehrlich gesagt verspüre ich im Moment gar kein großes Verlangen danach, wieder zu shoppen. Für andere Hausbewohnerinnen nehme ich häufig Pakete von Asos, Zalando und H&M an. Samstags sehe ich dann, wie sie die Ware zurück zur Post schleppen. Auch das vermisse ich nicht.

Was ich allerdings dringend brauche: Ein neues Bikini-Oberteil, weil meines kaputtgegangen ist. Dass das in dem nun zu Ende gehende Jahr passiert ist, war sicher nicht optimal. Aber ich habe andere Lösungen gefunden – und das war nicht FKK baden. Ich hätte zudem gerne eine neue Jeans. Meine Wanderschuhe habe ich verloren. Da muss im Frühling Ersatz her. Einige Socken haben Löcher und werden jetzt endlich und mit gutem Gewissen aussortiert. Sie sind aufgetragen. Ich freue mich darauf, mir auch mal wieder eine neue Tasche zu gönnen. Ich werde allerdings in Maßen shoppen. Ich werde viel bewusster einkaufen und wenn möglich im lokalen Einzelhandel. Eines ist mir in diesem Zusammenhang ganz wichtig: Ich möchte hier nicht als Moralapostel auftreten. Aber mir hat es gutgetan, das Projekt ein Jahr lang durchzuziehen. Ich habe viel daraus gelernt. Vor allem über mich selbst. Auch wenn es widersprüchlich klingt: Der Verzicht hat auch Spaß gemacht. Nicht immer, aber meistens.“ (svw)

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