Dritte Papiermaschine für 250 Millionen?

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Bei "Smurfit Kappa Zülpich Papier" werden in diesem Jahr 450 000 Tonnen Altpapier angeliefert.

Bei "Smurfit Kappa Zülpich Papier" werden in diesem Jahr 450 000 Tonnen Altpapier angeliefert.

Zülpich - Dass Naturschützer bereits ihren Widerstand gegen die geplante Baumaßnahme in der Nähe des Neffelbachs angekündigt haben, räumt selbst der Geschäftsführer von „Smurfit Kappa Zülpich Papier“, Dr. Peter Kramp, ein. Die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses gaben indes eindeutig der Standortsicherung des größten Gewerbesteuerzahlers Zülpichs den Vorzug, der mit knapp 200 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 120 bis 130 Millionen Euro erzielt. Einstimmig setzten die Politiker kürzlich den Bebauungsplan „Anbindung der Papierfabrik Kappa an die B 477“ auf die Schiene.

Sollte dieser Plan den Weg durch die bürokratischen Instanzen überstehen, wird Zülpich Papier sein Werk mit einer etwa 200 Meter langen Trasse an die Bundesstraße 477 anbinden. Die Kosten trägt Zülpich Papier; sie belaufen sich laut Kramp auf gut eine Million Euro. Das sind aber „Peanuts“ - zumindest im Vergleich zu der gigantischen Gesamtsumme, die Zülpich Papier in Zukunft investieren will. Es geht um über eine viertel Milliarde Euro.

Die Anbindung an die B 477 ist eine Grundvoraussetzung für die enormen Investitionen. „Wer im europäischen Wettbewerb auf dem Papiermarkt im Spiel bleiben will, muss Geld in die Hand nehmen“, so Kramp. Seit der Fusion der Konzerne Kappa und Smurfit, die Zülpich Papier zu seinem zweiten „Vornamen“ verhalf, gehört das Werk zwar einem Unternehmen an, das an fast 400 Standorten 40 000 Mitarbeiter beschäftigt. Aber selbst ein derartiger Großkonzern muss sich des Konkurrenzdrucks vor allem aus Billiglohnländern erwehren. Was auch für Zülpich Papier im Speziellen gilt.

Seine Mitarbeiter kann und will Kramp nicht mit Dumping-Löhnen wie in Osteuropa abspeisen. Da muss man sich schon was anderes einfallen lassen, um die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten. Mit einer einzigen Zufahrt, die nur zwischen 6 und 22 Uhr angesteuert werden kann, sind positive Zukunftsperspektiven allerdings schwerlich darstellbar.

Zülpich Papier hat seinen Bedarf an Altpapier in den vergangenen 30 Jahren mehr als verzehnfacht. In diesem Jahr verarbeitet das Werk 450 000 Tonnen Altpapier zu 400 000 Tonnen neuem Verpackungsmaterial. Ausschuss wie Büroklammern oder Heftlaschen verfeuert Zülpich Papier in seinem hauseigenen Kraftwerk. Dennoch ist der Betrieb laut Kramp „der mit Abstand größte Kunde der Gasversorgung Euskirchen“. Steigende Energiekosten können aufgrund des Konkurrenzdrucks aber nicht an die Abnehmer des Verpackungsmaterials durchgereicht werden. Da bedarf es schon der „Steigerung der Ertragskraft“, wie Kramp meint, um den Umsatz wenigstens auf dem Stand der Vorjahre zu halten.

Rund 75 Lastwagen steuern das Werk täglich mit Altpapier an. Sie kommen über die Römerallee, die als Mischgebiet ausgewiesen ist. Schwerlastverkehr ist dort nachts untersagt. In den Tagesstunden, in denen das einzige Tor der Fabrik angesteuert werden darf, wird die Zufahrt zu einer Art „Mausefalle“, wie Kramp meint. „Wenn da ein Lastwagen mit einer Panne stehen bleibt, läuft hier nichts mehr.“ Ein Zustand, der eine Steigerung des Papierausstoßes unmöglich macht. Und Kramp will expandieren. Und zwar mit preiswerterem Altpapier als bis dato, um bei erhöhten Energiepreisen die „Stückkosten neutral zu halten“.

Bei 70 bis 90 Euro liegt der durchschnittliche Preis für eine Tonne gebündeltes Altpapier. Kramp hat aber eine Möglichkeit ausgemacht, wie Geld zu sparen ist. Das Zusammenpressen einer Tonne Altpapier zu Ballen kostet 15 Euro. Genau für diese 15 Euro weniger ist loses Papier zu haben. Kramp: „Wenn wir nur 50 000 Tonnen in loser Form einkaufen, sparen wir jährlich 750 000 Euro. Das ist auch für uns viel Geld.“ Nur: Das lose Papier muss sofort verarbeitet werden, damit es nicht in alle Winde verweht wird. Derzeit ist das Unternehmen aber technisch nur in der Lage, täglich 25 Tonnen des ungebündelten Papiers über eine windgeschützte Bandstraße direkt in den Produktionsablauf einzuspeisen.

Der Geschäftsführer denkt derzeit in „Zeiträumen von zehn bis 15 Jahren“. Kramp prognostiziert, dass sich der Altpapierbedarf seines Unternehmens bis dahin fast verdoppeln könnte. Voraussetzung sei aber der Einstieg in den Großeinkauf des preiswerteren Altpapiers. Wegen der dafür notwendigen Erhöhung des Lastwagenverkehrs müsse die zusätzliche Anbindung an die B 477 her, die auf einen Schlag „50 Prozent unserer Lieferanten von der Römerallee bringen wird“. Für die Lagerung des losen Papiers wären eine Halle und ein weiteres Förderband nötig, deren Kosten Kramp auf rund 15 Millionen Euro beziffert.

Was will man aber mit dem enormen Altpapierzuwachs, wenn er nicht verarbeitet wird? Logische Konsequenz: Kramp will eine dritte Papiermaschine erwerben. Mit einer Maschine im herkömmlichen Sinne hat die gigantische Produktionsstraße, deren Trockenanlage allein schon fast 100 Meter lang ist, aber nicht viel gemein. Dementsprechend beeindruckend sind die Kosten: rund 250 Millionen Euro. So ganz „nebenher“ will Kramp auch noch das mittlerweile reparaturanfällige, 25 Jahre alte Braunkohle-Kraftwerk durch ein neues ersetzen. Dafür wären weitere 30 bis 40 Millionen fällig.

Investitionen, die laut Kramp ganz wesentliche Faktoren für eine Sicherung des Standortes Zülpich sind. Wovon er jetzt „nur“ noch die Umweltschützer und die Konzernspitze in Dublin überzeugen muss. Mit einer Kostenzusage für die Anbindung an die B 477 und den Bau der neuen Lagerhalle rechnet Kramp schon für das kommende Jahr. Mit dem Segen für die 250 Millionen teure Papiermaschine würden sich die Geldgeber aber wohl etwas mehr Zeit lassen. Eine Viertel Milliarde ist schließlich auch für einen Weltkonzern wie „Smurfit Kappa“ nicht aus der Portokasse zu bezahlen.

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