Kläger erfolgreichPolizei Euskirchen darf Straftäter nicht nackt fotografieren

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Der Eingang des Justizzentrums Aachen.

Im Justizzentrum Aachen stritt sich ein Mann aus dem Kreis Euskirchen vor der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts mit der Kreispolizeibehörde.

Ein 61-Jähriger ging vor Gericht gegen eine Anordnung der Polizeibehörde vor. Er war wegen Besitz von Kinderpornografie verurteilt worden.

Die Kreispolizeibehörde Euskirchen darf einen Mann aus dem Kreis Euskirchen nicht gegen seinen Willen zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung in Form einer Ganzkörpernacktaufnahme zwingen. Sie muss nun eine entsprechende Anordnung aus dem vergangenen Jahr aufheben; die geplante Aufnahme ist damit vom Tisch. Dies ist das Ergebnis eines Prozesses am Verwaltungsgericht Aachen, in dem der 61 Jahre alte Mann, ein rechtskräftig verurteilter Straftäter, als Kläger aufgetreten war.

Das Amtsgericht Euskirchen hatte gegen ihn im August 2023 wegen des Besitzes von kinder- und jugendpornografischem Material eine zweijährige Bewährungsstrafe verhängt. Im Detail handelte es sich um etwa 3500 Bilder und 44 Videofilme, auf denen zum Teil schwerster Missbrauch von Kleinkindern zu sehen war.     

Die Polizei stellte bei dem Mann aus dem Kreis Euskirchen tausende Dateien sicher

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts ließ jetzt die Vorgeschichte Revue passieren. Demnach nahm die Staatsanwaltschaft Bonn 2021 Ermittlungen gegen den Mann aus dem nördlichen Kreisgebiet auf. Er hatte einem anderen Nutzer im Internet das Bild von einem etwa zehn Jahre alten Jungen geschickt, wodurch er ins Visier der Polizei geriet. Die beiden, so das Gericht weiter, hätten sich auch „über ihre sexuellen Neigungen gegenüber männlichen Kindern“  ausgetauscht.      

Im September stellten Ermittler bei einer Hausdurchsuchung besagte Bilder und Videos sicher. Der Besitz der illegalen Dateien führte zu der Verurteilung am Euskirchener Amtsgericht. Die Kreispolizeibehörde nahm den Fall zum Anlass, nach einer vorgeschalteten Anhörung eine erkennungsdienstliche Behandlung des Straftäters anzuordnen. Sie umfasste eine Personenbeschreibung, Fingerabdrücke, eine Ganzkörpernacktaufnahme und weitere Fotografien. Für den Fall, dass er eine entsprechende Vorladung nicht befolgen sollte, drohte die Behörde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro an.    

Der Straftäter hält die Ganzkörpernacktaufnahme für rechtswidrig

Zur Begründung der Anordnung führte sie aus, dass wegen der Vielzahl der sichergestellten Dateien und der Neigung des Mannes von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei. Der Betroffene legte Widerspruch ein und erklärte, dass er die Anordnung einer Ganzkörpernacktaufnahme für rechtswidrig halte.

Die Gefahr, sexuellen Missbrauch an Kindern zu begehen, bestehe in seinem Fall nicht, argumentierte er. Er sei an der Produktion von kinderpornografischem Material nie beteiligt gewesen und werde es auch nie sein. Der kriminalistische Nutzen einer Nacktaufnahme sei aus diesem Grund nicht erkennbar. Die von der Behörde gestellte Wiederholungsprognose lasse auch jegliche Einzelfallabwägung vermissen.     

Die Euskirchener Polizei wählte die Methode zum ersten Mal

Nachdem der Mann den Bescheid angefochten hatte, ergänzte die Polizeibehörde ihre Begründung: Nach kriminalistischer Erfahrung sei davon auszugehen, dass der Besitz von kinderpornografischen Aufnahmen nur die Vorstufe eines späteren tatsächlichen sexuellen Missbrauchs von Kindern sei. Auch habe eine Beteiligung des Mannes an der Anfertigung des kinderpornografischen Materials nicht ausgeschlossen werden können. Deshalb sei die Anordnung einer Ganzkörpernacktaufnahme erforderlich, so die Polizei.

Man habe diese Maßnahme in Absprache mit der Staatsanwaltschaft erstmalig angeordnet, sagte eine Vertreterin der Behörde in Aachen auf Anfrage der Kammer: „Das verbessert die Möglichkeiten zur Aufklärung von Straftaten.“ Die Recherchemöglichkeiten seien ja ansonsten begrenzt. 

Nacktaufnahmen können helfen, Missbrauchstäter zu identifizieren

Der Kammervorsitzende Peter Roitzheim stimmte im Prinzip zu: Wenn kinderpornografische Dateien im Internet ausgetauscht würden, seien die Gesichter der Täter in der Regel nicht zu sehen. Nacktaufnahmen seien vor diesem Hintergrund durchaus sinnvoll, um Täter anhand anderer körperlicher Merkmale zu identifizieren. Eine Erlasslage, die eine derartige Anordnung vorsehe, existiere nicht, ergänzte der Richter, und Euskirchen sei die einzige Behörde, die bisher bei in Aachen anhängigen Fällen der vorliegenden Größenordnung diesen Weg gewählt habe.        

Diese Maßnahme sei also grundsätzlich denkbar, sagte Roitzheim. Dies gelte auch hier, gehe es doch bei deutlich mehr als 3000 kinderpornografischen Dateien um „einen schweren Fall“. Problematisch sei jedoch, dass in der Anhörung, die dem Bescheid der Polizeibehörde vorausging, nicht von einer Ganzkörpernacktaufnahme die Rede gewesen sei, sondern von einer Ganzaufnahme, bei der man bekleidet fotografiert werde.       

Der Richter nannte die Begründung der Euskirchener Polizei „ein bisschen dünn“ 

Eine Ganzkörpernacktaufnahme zu erzwingen sei ein schwerer Eingriff in die Grundrechte, der zwar gerechtfertigt sein könne, jedoch einer besonderen und sorgfältigen Begründung bedürfe, sagte Roitzheim. Die Argumentation der Polizei sei aber „ein bisschen dünn“ gewesen. Spätestens jetzt wurde deutlich, dass die Kammer im Vorgehen der Kreispolizei klare Defizite sah.

Auf Vorschlag Roitzheims sagte die Vertreterin der Kreispolizei zu, die Anordnung bezüglich der Ganzkörpernacktaufnahme aufzuheben. Daraufhin erklärten sie und der Kläger, der den Euskirchener Rechtsanwalt Heinrich Schmitz für sich sprechen ließ, den Rechtsstreit für erledigt. Das Verfahren wurde eingestellt, die Kosten tragen die beiden Parteien je zur Hälfte. 

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