Feuerwehr hat RückenStart-up Spinebase setzt sich für Gesundheit der Mitarbeiter ein

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Das Bild zeigt eine Szene in der Notaufnahme. Ein Patient sitzt auf der Liege. Die Mitarbeiter des Rettungsdienstes warten an der Notaufnahme.

Sieht modern aus, ist aber für die körperliche Belastung des Rettungsdienstmitarbeiters eher eine Zumutung, weil die Transportliege mit Muskelkraft in der Höhe verstellt werden muss. Dadurch kann es zu Fehlbelastungen kommen.

Spinebase analysiert Arbeitsbelastungen. In Dubai kam das Euskirchener Unternehmen an seine Grenzen. Pizza diente als Inspiration fürs Logo.

Von Dahlem über Florenz bis Saudi-Arabien – das Euskirchener Start-up-Unternehmen „Spinebase“ hat sich in knapp sechs Monaten nicht nur im Kreis, sondern auch international einen Namen gemacht. Das Unternehmen mit Sitz in der Alten Tuchfabrik zwischen Euskirchen und Euenheim hat sich auf betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) spezialisiert.

Gissinger musste feststellen, dass die Gesundheit von Mitarbeitern nicht überall im Mittelpunkt steht. So habe der eine oder andere Scheich in Dubai den Ausführungen von Firmengründer Gissinger zwar aufmerksam gelauscht, doch am Ende der Veranstaltung habe man nur mit den Schultern gezuckt. „Wenn hier ein Mitarbeiter wegen Rücken nicht mehr kann, nehmen wir uns einfach einen anderen von der Straße“, habe er zu hören bekommen, sagt Gissinger. Der Kirchheimer dachte nur: „Hier sind wir falsch.“

Spinebase und Marien-Hospital in Euskirchen kooperieren für die Mitarbeiter

Aber die Aussage bilde eben die dortige Situation ab. Einen Mangel an Arbeitskräften gebe es nicht – unabhängig von den Arbeitsbedingungen. „Ganz falsch waren wir dann doch nicht. Denn sie haben sich gefreut, mal einen anderen Blick auf das Thema Gesundheitsmanagement zu bekommen“, so Gissinger.

Ganz anders ist die Situation im Kreis Euskirchen, wo der Fachkräftemangel längst angekommen ist und sich Unternehmen über BGM von der Konkurrenz abzuheben versuchen. Beispielsweise im Marien-Hospital in Euskirchen. Dort ging es in den vergangenen Monaten sehr wissenschaftlich zu. Spinebase hat die Arbeit des Teams der Notfallambulanz genau unter die Lupe genommen.

„Wir haben die Belastungen bei den ganz alltäglichen Bewegungen während der Arbeit gemessen“, erklärt Geschäftsführer Gissinger. Das fange bei einer Ganganalyse an und ende mit einer Livemessung der Belastungen – sei es beim Umbetten eines Patienten oder dem Aufziehen einer Spritze.

Das Bild zeigt die beiden Firmengründer.

Die Euskirchener Michael Gissinger und Andreas Heinen (l.) habe das Start-up Spinebase gegründet. Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, sich für die Gesundheitsfürsorge in Unternehmen einzusetzen.

Das Bild zeigt den Bildschirm eines Laptops

Jede Bewegung der Einsatzkraft wird analysiert. Dabei nicht das Euskirchener Unternehmen auch die körperliche Belastung genau unter die Lupe.

„Das Projekt ist deutschlandweit vielleicht einzigartig“, sagt Dr. Jesko Priewe, Chef der Zentralen Notaufnahme im Marien-Hospital. Er erhofft sich wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie die körperlichen Belastungen im Alltag in der Notaufnahme reduziert werden können. So ist denkbar, dass die Liegen ein fünftes Rad bekommen – genau in der Mitte. „Dadurch lässt sich die Liege viel einfacher lenken und schieben“, erklärt Gissinger.

Ein fünftes Rad am Wagen sei nicht immer schlecht. Zudem sollen die Liegen hydraulisch in der Höhe verstellbar werden, damit nicht immer mit einem Bein „gepumpt“ werden müsse. „Die Resonanz war überragend. Die Mitarbeiter haben gemerkt, dass wir etwas für sie und ihren Alltag machen“, so Gissinger.

Eine Fahrtrage kostet 30.000 Euro – Was kostet eine Bandscheibe?

Und wie hat das Marien-Hospital reagiert? Schließlich dürften neue Liegen und andere moderne Infrastruktur nicht gerade günstig sein. „Und was kostet ein kranker Mitarbeiter, der wegen Rückenproblemen langfristig ausfällt?“, fragt der Spinebase-Geschäftsführer rhetorisch: „Eine elektrohydraulische Fahrtrage aus einem Rettungswagen kostet 30.000 Euro. Was kostet eine Bandscheibe? Es gibt kein Argument mehr dagegen.“

Oftmals seien Arbeitsprozesse der Hauptgrund für körperliche Fehlbelastungen – getreu dem Motto „Das habe ich schon immer so gemacht.“ Gissinger erklärt das an einem Beispiel: „Ein Patient liegt auf einer Liege, bekommt ein EKG gemacht und Blut abgenommen. Die komplette Aufnahme. Die Pflegekraft ist etwa 15 Minuten beschäftigt und arbeitet die allermeiste Zeit nach vorne übergebeugt. Das Einfachste, was die Pflegekraft doch machen kann, ist die Liege auf eine körperschonende Höhe einzustellen. Oft macht man solch einfache Dinge nicht, weil man betriebsblind ist.“

Bei Ganganalyse nicht nur den Fuß, sondern auch Knie und Hüfte mit im Blick

Und wenn der Patient dann beispielsweise zum Röntgen geschoben werden müsse, habe die Liege auch dafür schon die richtige Höhe. „Wenn ich gutes, erfahrenes Personal haben will, dann muss ich sehen, dass ich es halte. Und das mache ich nicht damit, indem ich einmal am Tag den Obstkorb im Sozialraum austausche, sondern ich benötige auch gutes Arbeitsmaterial“, so Gissinger. Mit solchen Punkten könne sich ein Unternehmen dann tatsächlich von der Konkurrenz abheben.

Egal, ob Marien-Hospital, Feuerwehr oder Rettungsdienst: Grundsätzlich versuche man immer, das große Ganze im Blick zu halten. „Wir machen nicht nur eine Ganganalyse für den Fuß, sondern schauen uns das Gesamtpaket an“, so Gissinger. Es bringe nichts, nur den Fuß in den Fokus zu nehmen, da sich Veränderungen beim Gang auch aufs Knie und die Hüfte auswirken können.

Zahlreiche Einsatzkräfte haben deshalb Fußprobleme. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten, etwas zu ändern.
Michael Gissinger, Spinebase

So seien Einsatzstiefel schwer, klobig und hätten eine sehr feste Sohle. „Zahlreiche Einsatzkräfte haben deshalb Fußprobleme. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten etwas zu ändern“, so Gissinger: „Bevor wir aber in die Statik eingreifen, beispielsweise mit Einlegesohlen, schauen wir erst, was passiert und passieren könnte. Bringt eine Sohle überhaupt etwas oder nicht? Dann erarbeiten wir ein Paket, das dem Menschen in Gänze hilft“, sagt er.

Der 42-Jährige kommt aus dem Rettungswesen. Bei der Infraserv in Hürth-Knapsack studierte er während der Zeit in der Werkfeuerwehr Berufspädagogik mit Schwerpunkt Bewegungslehre. Dann ging es nach Solingen in ein Unternehmen, das sich ähnlich wie heute Spinebase mit betrieblicher Gesundheit beschäftigte.

Pizza am Flughafen als Inspiration fürs Fimenlogo

Zurück in der Voreifel gründete der 42-Jährige mit Andreas Heinen das Start-up. Das Logo erinnert an zwei Pizza-Stücke. Und tatsächlich waren es genau diese, die den entscheidenden Impuls gegeben haben – auf einem Flugplatz in Rumänien plagte die beiden nämlich der kleine Hunger. Also wurde Pizza geordert. Und schon war die Inspiration für das Erscheinungsbild von Spinebase da.

Nachdem die Steuernummer vorhanden war, hat das BGM für Mitarbeiter im Rettungsdienst, Feuerwehr und Krankenhaus längst Fahrt aufgenommen. Jüngstes Projekt: Die Gemeinde Dahlem hat die Leistungen von Spinebase eingekauft, um die Unfallverhütungsschulungen zu übernehmen.

Bei einem anderen Kunden habe man bei der Konzeption eines neuen Rettungswagens (RTW) geholfen. Der Aufbau des RTW sei bei den Mitarbeitern zunächst nicht gut angekommen. „Als wir ihnen dann erklärt haben, warum die Sachen jetzt da sind, andere Dinge so verlastet sind, wollte keiner mehr auf einem anderen RTW fahren“, sagt Gissinger schmunzelnd. Es seien viele kleine Dinge, Alltagsdinge eben, die das Leben erschweren oder einem den Arbeitstag recht lang vorkommen lassen.

So ist der Kirchheimer kein Fan von ergonomischen Computermäusen. „Dann muss ich die ja zwangsläufig mit einer Hand bedienen. Dadurch resultiert eine einseitige Belastung, beispielsweise in der rechten Schulter. Wenn ich aber vormittags die rechts Hand nutze, nachmittags die linke, entlaste ich meine Schultern und tue auch noch kognitiv etwas“, erklärt Gissinger, der nach eigenen Angaben ständig Menschen und ihren Gang analysiert – von Dahlem über Florenz bis nach Saudi-Arabien. „Berufskrankheit“, sagt der 42-Jährige, der elf Jahre beim Rettungsdienst des Kreises Euskirchen gearbeitet hat.


Spinebase scheitert fast an 60 Cent

Seit August gibt es Spinebase. Das Euskirchener Unternehmen hat sich auf betriebliches Gesundheitsmanagement spezialisiert. Wie Geschäftsführer Michael Gissinger berichtet, hat er sich mit seinem Geschäftspartner Andreas Heinen „komplett nackig gemacht“, wie er es formuliert. „Alles, was wir an finanziellen Mitteln hatten, haben wir in Spinebase investiert. Wir hatten keinen Plan B“, so der Kirchheimer.

Den Schritt habe er zwar noch keine Sekunde bereut, der Start sei aber alles andere als einfach gewesen. Und das habe nicht etwa an fehlenden Kunden gelegen. „Wir hatten vor der Firmengründung sechs Aufträge“, so Gissinger. Das Problem sei unter anderem die fehlende Steuernummer gewesen. Auf die habe er mit Heinen mehr als dreieinhalb Monate gewartet.

„Da hast du Kunden, die aus dem Ausland kommen, die innerhalb von zwei, drei Wochen einen Vertrag aufstellen, und du kannst praktisch nichts machen, weil im Gründerland Deutschland die bürokratischen Mühlen so langsam mahlen“, ärgert sich der Start-up-Gründer. Entsprechend sei man in Vorleistung gegangen. Sowohl er als auch die Geschäftspartner seien von dem Projekt überzeugt gewesen.

„Dennoch hätte es sein können, dass wir für unsere Leistungen nie einen Cent sehen. Da brauchst du einen guten Schlaf“, sagt er. Das Geld kam, weil auch irgendwann die Steuernummer eintrudelte. Und dann? „Dann scheiterte das ganze Projekt fast an 60 Cent“, erzählt der 42-Jährige.

Der Grund: Gissinger und Heinen legten ein Firmenkonto an, zahlten ihr Kapital ein und hatten die Rechnung ohne die Bank gemacht. Die hatte sofort die Kontoführungsgebühr in Höhe von 60 Cent einbehalten. Dadurch stimmte das beim Notar angegebene Startkapital für Spinebase aber nicht mehr. Einige Schreiben, viele Telefonate und noch mehr verlorene Nerven später war aber auch das Problem aus der Welt geschafft. 

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