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Euskirchen feiert am Pride Day sein Coming-out – 300 Teilnehmer beim CSD

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Die Pride-Parade in Euskirchen ist gestartet. Auf dem Bild sind viele Menschen zu sehen, die Banner oder Plakate in Regenbogenfarben dabeihaben.

Euskirchen in Regenbogenfarben: Mehr als 300 Menschen sind aktuell in der Pride-Parade unterwegs.

Beim Pride Day in Euskirchen ließen sich die Teilnehmer vom schlechten Wetter nicht abhalten. Eine bunte Parade zog durch die Innenstadt.

Bunt gegen grau: Etwa 200 Menschen haben sich am Freitagmittag auf dem Klosterplatz rund um zahlreiche bunte Stände versammelt, um ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz zu setzen. Und sie bringen ordentlich Farbe mit: Fahnen, Schärpen, Regencapes, Socken, Stirnbänder, Aufkleber und Hüte leuchten in Regenbogenfarben.

Es ist der erste Pride-Day in Euskirchen. Und er findet nicht an einem x-beliebigen Tag statt, sondern am 17. Mai. Dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Initiiert wurde die Veranstaltung von Winfried Kubitza-Simons vom Queeren Stammtisch in Euskirchen.

Drohungen und Anfeindungen im Vorfeld des CSD in Euskirchen

„Lasst uns gemeinsam ein friedliches Zeichen setzen. Lasst uns ein buntes Zeichen setzen“, ruft Kubitza-Simons den Teilnehmenden zu. „Es war nicht einfach, einen CSD in Euskirchen durchzuführen“, berichtet er. Vorab habe es Anfeindungen und Drohungen gegeben, hauptsächlich im Internet. Aber nicht nur da.

Sein Sohn sei am Donnerstag extra für die Parade in Euskirchen angereist, berichtet Kubitza-Simons. Als er mit seinem Freund am Bahnhof ausgestiegen sei, habe eine Gruppe Jugendliche die beiden homophob beleidigt. „Das hat uns noch mal gezeigt, wie wichtig das ist, dass wir das heute machen“, so Kubitza-Simons.

Landrat Markus Ramers ist stolz auf die Veranstaltung

Das bestätigt auch Schirmherr Markus Ramers (SPD). Auch er habe unzählige negative Kommentare zu der Veranstaltung auf Facebook gelesen. „Das ist der beste Beweis, dass es so eine Veranstaltung braucht“, sagt der Landrat. Der erste Pride Day in Euskirchen sei eine bunte, offene Veranstaltung. „Das ist etwas Besonderes. Da bin ich als Landrat durchaus stolz drauf.“

Mutig nennt Stephan Brings die Menschen, die nach Euskirchen gekommen sind, um Farbe zu bekennen. „Ich finde das gut, weil ich weiß, dass das in Euskirchen nicht ganz so einfach ist“, sagt er. Es gebe hier leider noch einige Leute, die ein Problem mit queeren Menschen haben.

So bunt ist der Pride Day im Regen von Euskirchen

Regenbögen überall

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„Euskirchen ist nicht Köln“, betont Kubitza-Simons. Ihm und dem Rest vom Orga-Team sei daher von Anfang an klar gewesen, dass man die erste CSD-Parade in Euskirchen vorsichtig angehen muss. Deshalb habe man versucht, möglichst viele Menschen mit ins Boot zu holen. Das ist gelungen. Nach Angaben der Veranstalter unterstützen mehr als 100 Organisationen den Pride-Day in Euskirchen: vom DRK über das Kobiz bis hin zu den Omas gegen Rechts.

Reich mit Regenbogenfähnchen bestückt ist unter anderem der Stand der Lebenshilfe HPZ. Er habe beim Stadtfest von der Veranstaltung erfahren und daraufhin seinen Kolleginnen und Kollegen vorgeschlagen, mitzumachen, berichtet Dennis Jung. Neben Fähnchen und Süßigkeiten verteilt er Saatbomben. „Liebe sähen statt Hass“ sei ihr Motto. Zwei älteren Damen hat es aber besonders die Regenbogen-Schärpe von Jung angetan. Ob sie auch eine haben können? „Na gut, aber eigentlich brauchen wir die später noch für die Parade“, sagt Jung.

Positives Fazit, obwohl etwas weniger Teilnehmer in Euskirchen dabei sind 

Die beginnt um 15 Uhr auf dem Klosterplatz. Mit 500 Teilnehmenden hatte Kubitza-Simons im Vorfeld gerechnet, am Ende sind es laut Ordnungsamt knapp 300. Trotzdem zufrieden? „Aber ja. Das Wetter hat es ja noch gut mit uns gemeint. Und die Euskirchener haben gezeigt, dass sie bunt sind und zusammenstehen, wenn es darauf ankommt“, sagt Kubitza-Simons.

Ob es aber direkt im kommenden Jahr eine Neuauflage geben wird, steht laut dem Organisator der Premiere noch nicht fest. Es sei schon sehr viel Arbeit gewesen, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Vielleicht zu viel, um jedes Jahr einen CSD auf die Beine zu stellen. „Aber vielleicht ja alle zwei Jahre“, so Kubitza-Simons, der aber auch eine Neuauflage 2025 noch nicht gänzlich ausschließen will.

Neben dem Pavillon der Evangelischen Kirche segnet derweil Pastorin Judith Weichsel zwei Teilnehmer. „Segen-to-go“ nennt sie das Konzept. „Das mache ich immer gerne.“ Sie spricht auch kurz auf der Bühne und erinnert daran, dass dieser Tag trotz bunter Fahnen kein harmloser Tag sei.

Auch durch die Kirche ist viel Unrecht geschehen.
Judith Weichsel, Evangelische Pfarrerin

Nach wie vor werden Menschen aufgrund ihrer Identität oder ihrer sexuellen Orientierung Opfer von Gewalt und Hass. Es gehe darum, ihrer zu gedenken, betont Weichsel und ruft zu einer Schweigeminute auf. „Auch durch die Kirche ist viel Unrecht geschehen“, sagt die Pastorin selbstkritisch und erntet dafür einen kleinen Spontan-Applaus.

Vielleicht hätte man mit einer Veranstaltung am Wochenende noch mehr Menschen anlocken können, sagt Kubitza-Simons. „Aber wir wollten den 17. Mai nicht unter den Tisch fallen lassen.“ Und zwei Veranstaltungen zu organisieren, wäre einfach zu viel Arbeit gewesen.

CSD: Glitzer, Lidschatten und Nagellack gegen graue Regenwolken

Mit bunten Haaren, Brillen und Kleidern sind auch die Jungs und Mädels vom Café Caya dabei. Sie haben auf dem Klosterplatz eine Schminkstation aufgebaut, mit allem, was das Beauty-Herz begehrt: Glitzer, Lidschatten in allen Farben, Steinchen, Nagellack. Gerade bekommt ein junger Mann, der von Kopf bis Fuß in viele Regenbogen-Accessoires gekleidet ist, den passenden Lidstrich verpasst.

Wem das nicht reicht, der kann sich an einem anderen Stand auch noch tätowieren lassen. Spaß trotz Regens haben Rike Schmitz und Kathrin Sieger. Mit bunten Brillen sitzen sie, Regenbogen-Fähnchen schwingend, auf einem kleinen Kinderkarussell. Sie sind mit dem Jugendtreff aus Düren angereist.

Das Bild zeigt einige Teilnehmer. Auf einem Plakat ist zu lesen: Unser Kreuz hat kein Haken. Gestaltet ist es von der evangelischen Kirche in Euskirchen.

Einige Teilnehmer an der CSD-Parade in Euskirchen hatten eine klare Meinung.

Doch nicht nur junge Leute zieht es zum Pride Day. Annelie (71) und Dieter Klinkhammer (74) sind aus Stotzheim gekommen. „Wir sind Eltern zweier schwuler Söhne“, berichtet Annelie Klinkhammer. Solch ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz in Euskirchen sei wichtig. „Es ist ja immer noch nicht bei allen angekommen.“

Auch aus Köln sind Unterstützer zum Pride Day nach Euskirchen gekommen

Ähnlich sehen das Astrid Riebe und Anna Biebl aus Obergartzem, die mit ihren Hunden angereist sind. „Der erste CSD, das muss man unterstützen, damit es nicht der letzte war“, sagt Biebl. Es gehe ihr außerdem darum, anderen – und vor allem Kindern – ein Vorbild zu sein, sagt Riebe.

Kinder waren bei der Parade tatsächlich nur wenige dabei, obwohl die gesamte Veranstaltung als familienfreundlich angepriesen war. Martin Oertel aus Euskirchen hatte seine aber dabei. „Es gibt Demos, da würde ich sie nicht mitnehmen, hier kann ich sie mitnehmen“, sagt er. Zusammen mit Andreas Hoffmann fährt er mit dem Fahrrad im Parade-Zug mit.

Die Teilnehmenden sind nicht nur aus dem Kreisgebiet angereist. Auch aus Köln hat es ein paar Unterstützer in die Kreisstadt verschlagen. Zum Beispiel Jay Benner. „Euskirchen ist so viele Male nach Köln gekommen, jetzt supporten wir auch Euskirchen“, sagt sie. Ähnlich sehen das zwei Freunde, die in bunten Regenbogenfarben gekleidet sind: „Nach Köln kommen Millionen Menschen, nach hier nicht.“

Doch wenn auch nicht ganz so viele Teilnehmende dabei sind, die Parade erregt durchaus Aufmerksamkeit. Immer wieder stehen am Straßenrand Menschen und schauen zu. Einige jubeln den Demonstrierenden zu, andere zeigen ihre Unterstützung durch Regenbogen-Fähnchen. Auch der katholische Pfarrer Tobias Hopmann hat sich unter die Zuschauenden gemischt. Von Gegendemonstranten ist nichts zu sehen.

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