Streifzug durch DüsseldorfWo Burscheider und Leichlinger Straße sich treffen

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Nicht Italien, sondern die Burscheider Straße in Düsseldorf hat dieses Flair.

  • Unser Auto Jan Sting hat bei einem Rundgang im Düsseldorfer Stadtteil Wersten bergische Straßennamen entdeckt.

Düsseldorf – Am Dienstag wird das Altpapier abgeholt. An der Burscheider Straße stapeln sich neben leeren Verpackungen mit Trockenfutter für die Katze, Zeitungen und zerfledderten Prospekten die Pizzakartons. „Zum Mitnehmen“ steht darauf. Aber das ist wohl eher für die Margherita, Funghi oder Frutti di Mare gedacht – nicht für die leeren Pappkartons.

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An der Kreuzung von Burscheider Straße und Werstener Dorfstraße gibt es einen kleinen Biergarten.

Burscheider Straße, Altpapier, Pizza? Wo sind wir? Im Düsseldorfer Stadtbezirk 9, in Wersten. Denn dort gibt es unweit des großen Friedhofs Eller ein Wohngebiet, das die Namen der bergischen Städtchen Leichlingen und Burscheid, aber auch Orte wie Pattscheid, Lützenkirchen und Roderbirken auf seinen Straßenschildern nennt.

Das Viertel in Wersten ist über die Jahre gewachsen. Vereinzelt gibt es Läden, in den Hinterhöfen sind auch Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe angesiedelt. Es gibt aber auch Einzel- und Doppelhäuser, Baujahr 1930 bis 1960. Im Rahmen der Nachverdichtung wurde zwischen 1985 und 2005 noch einmal gebaut.

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Hauptsächlich eine Wohnstraße ist die Burscheider Straße, aber es gibt auch einen Bunker in der Nachbarschaft.

Wersten war früher Bauernland und im Gegensatz zu den nördlichen und südlichen Nachbargemeinden siedelten sich hier keine größeren Industriefirmen an. Ausnahmen waren nur einige Kleinbetriebe wie eine Brotfabrik und eine größere Wäscherei mit Reinigung.

Die Straßenbahn baute hier ab 1913 ein Depot, die Eisenbahn errichtete 1928 einen Abstellbahnhof und 1932 einen großen Ringlokschuppen. In den 1970er Jahren wurde die Instandhaltung von Dampfloks beendet und auf die Instandhaltung von S-Bahnen umgestellt.

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Ein Relikt aus alten Zeiten: Schriftzug an der Kölner Landstraße.

Da in Wersten Lehm- und Kiesböden verbreitet waren, wurden viele dieser Bereiche für die Bautätigkeiten im Umkreis von Düsseldorf ausgebeutet. Es entstanden ab Ende des 19. Jahrhunderts Kiesgruben und Ziegeleien. Nach Ausbeutung der Gruben entstanden Ödflächen. Einige blieben, andere wurden kurze Zeit später bebaut – beispielsweise im Bereich an der Burscheider Straße.

Opladen  und Roderbirken auf Straßenschildern

Der Heimatverein der „Werstener Jonges“ hat die Geschichte der Straßennamen erforscht und wie Geschäftsführer Wolfgang Vergölts erklärt, „ist eine kleine Broschüre mit allen Werstener Straßen geplant.“ Die Burscheider Straße wurde nach Recherchen der Jonges am 13. März 1908 nach der Stadt nahe Solingen so benannt. Am gleichen Tag erhielt die Leichlinger Straße ihren Namen – die Werstener Jonges bezeichnen die Stadt als „Ausflugs- und Erholungsort im Bergischen Land – berühmt wegen der Baumblüte.“ Die Opladener Straße erhielt gleichfalls am 13. März 1908 ihren Namen. 1929 kam die Witzheldener Straße hinzu, 1963 die Roderbirkener, laut Jonges als Hinweis auf die „Heilstätte für Sportler.“

Zwischen Trinkhalle und Thai-Massage

Schnell ist man in Düsseldorf zu Fuß von Burscheid nach Leichlingen gelangt. Aber die Eindrücke sind bleibend. Es ist keine gesichtslose Architektur, sondern ein gewachsenes Viertel mit eigenem Charme zwischen Trinkhalle, Thai-Massage und einem hübschen Biergarten an der Kreuzung von Burscheider Straße und Werstener Dorfstraße. Aber bleiben wir kurz auf der Burscheider Straße: Musiker und Künstler gehen hier ein und aus: Im Werstener Kulturbunker, der bis an die Kölner Landstraße grenzt, haben 42 Bands ihre Proberäume. Außerdem beherbergt der Bunker acht Ateliers. 2002 hat die Stadt Düsseldorf den Kriegsbunker angekauft, der privat betrieben und an die Bands untervermietet wird.

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Die Städtenamen von Burscheid und Leichlingen an einem Pfahl.

Überhaupt scheint Musik das Veedel zu durchdringen. Denn wo gibt es schon einen Metzger, in dessen Ladenlokal Opernarien mit Maria Callas zu hören sind oder Schlager von Abba? Peter Inhoven und sein Team an der Werstener Dorfstraße, unweit der Burscheider Straße, verbreiten zur Musik in der Metzgerei auch jede Menge gute Laune. Sie sind nicht nur hip, sie sind auch sehr gefragt. Das sieht man an den Schlangen, in denen die Kunden am Wochenende bis auf die Straße hinaus stehen.

Die Architektur im Veedel ist über Jahrzehnte gewachsen und so gibt es noch den Neugotischen Stil vornehmer Einfamilienhäuser oder bescheidene Eigenheime, die vor Kriegsende gebaut worden sein müssen. Ein Plan aus dem Jahr 1922 zeigt den Bereich noch weitgehend unbebaut. Mit Rot waren darauf die Flurstücke eingegrenzt.

Offenbar hat ein sehr Kreativer schon einmal grob die Kriterien eingegeben, nach welchen die künftigen Straßen in den Wohnvierteln später benannt werden sollen: „Länder-Städte-Männer“ steht da mit Rotstift. Aber auch „Niederbergische Städte“, „Pfälzische und hessische Städte“ oder „oberrheinische Städte“. „Süddeutsche Städte“ ist durchgestrichen worden.

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Weiter nach Leichlingen: In der Leichlinger Straße steht ein gepflegtes Mehrfamilienhaus aus den 1950er Jahren. Im Erdgeschoss gibt es Garagen, darüber bauen sich in drei Stockwerken Balkone auf, deren Zwischenwände mit bunten Glasbausteinen immer noch ein Hingucker sind.

Altbier und Bifteki

Ein tätowierter Seemann mit Matrosenmütze schaut aus dem Fenster des Ladenlokals an der Kreuzung Opladener Straße und Burscheider Straße: Popeye, der Comic-Held, der in diesem Jahr 90. Geburtstag feiert, hat hier auf der Scheibe des Hähnchengrills „Im Stall“ seinen Stammplatz. Es gibt Altbier zum Bifteki.

Vor dem Bistro „Kaffee-Pott“ haben sich ein paar Freunde zum türkischen Tee zusammengesetzt. Über die Kneipe „West-Side“ gibt es keine Story zu schreiben, denn sie ist zu.

Geöffnet ist die Fachstelle für Schulverweigerer und ein Bürgerbüro gibt es auf der Burscheider Straße. Die knorrigen alten Platanen gegenüber der Kirche Sankt Maria Rosenkranz bilden mit ihren hohen Kronen eine Art Natur-Sakralbau – aber offenbar handelt es sich um ein öffentliches Hundeklo. Mit den Hunden stehen einige im Viertel auf Kriegsfuß. An die Bäume getackerte Schilder oder Tafeln an den Wurzeln warnen: „Kein Hunde-Klo.“

Auf einem Eckstein in der Fassade eines Hauses ist fein säuberlich noch die alte Aufschrift „Zu den Mietswaschküchen“ zu lesen. Bis in die 1970er Jahre hinein war es hierzulande üblich, bei Neubauten Waschküchen in den Kellern einzuplanen; heute sind Gemeinschaftswaschküchen vor allem in der Schweiz noch verbreitet.

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