UrteilRichter nennt Schockanruf bei 93-jähriger Leverkusenerin „ekelerregend“

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Gegen eine an Schockanrufen beteiligte Frau ist am 25. April 2024 das Urteil gesprochen worden. Sie steht, getarnt hinter einem Aktendeckel, zwischen ihrem Verteidiger Günter Teworte und der Dolmetscherin im Gerichtssaal.

Drei Jahre und zehn Monate muss Danuta K. (Name geändert, hier zwischen ihrem Verteidiger Günter Teworte und der Dolmetscherin) ins Gefängnis. Damit blieb das Gericht weit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Auch eine Burscheiderin wurde Opfer. Für ihre Beteiligung am Betrugssystem muss eine Frau drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis.

„Diese Taten rufen den Impuls hervor, dass sie hart bestraft werden müssen.“ Volker Köhler, Vorsitzender der 18. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht, ist da ganz bei den Ermittlern. Acht Fälle von Schockanrufen hat das Gericht elf Verhandlungstage lang beleuchtet. Es war herauszufinden, welche Rolle Danuta K. (Name geändert) in dem sorgfältig aufgezogenen Betrugssystem spielte.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft war die junge Frau so eine Art „Führungsoffizier“ für einen „Läufer“, der Geld, Schmuck, Goldbarren bei den alten Menschen abholte, die man zuvor in Angst und Schrecken versetzt hatte: Ein Enkel habe bei einem Verkehrsunfall jemanden getötet, sei nun im Gefängnis und könne nur gegen Zahlung einer Kaution freikommen. So oder so ähnlich war jeweils die Schock-Geschichte.

Sieben Jahre Haft für den „Läufer“

Für seine Jobs war der „Läufer“ schon zu rund sieben Jahren Haft verurteilt worden. Der zweite Prozess gegen Danuta K. wird wohl der letzte gewesen sein: Die Hintermänner des organisierten Betrugs sitzen in Polen. Selbst wenn man die ausfindig machen würde – Polen würde die Täter nicht nach Deutschland ausliefern.

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Das war bei der ebenfalls polnischstämmigen Danuta K. nur deshalb anders, weil sie sich zwischendurch in der Kölner Innenstadt niedergelassen hatte. Zwar war sie wieder zurück nach Polen gezogen – aber der europäische Haftbefehl, den das Amtsgericht Leverkusen nach zwei Taten in Leverkusen und Burscheid erlassen hatte, wurde dann eben doch vollstreckt.  

Im Frühjahr 2021 lief das brutale Schockanruf-System auf Hochtouren. Manchmal wurden an einem Tag zwei Senioren abgezogen, nachdem man sie in Angst und Schrecken versetzt hatte. In kürzester Zeit nahmen die Betrüger alten Leuten über 200.000 Euro ab.

Burscheiderin hob 22.000 Euro ab

So rief Ende April jenes Jahres ein vorgeblicher Enkel bei einer 86 Jahre alten Burscheiderin an und behauptete, er sei in einen schweren Unfall verwickelt worden und brauche nun viel Geld, um den Schaden zu bezahlen. Die Polizei wolle er lieber nicht einschalten. Die Frau war so geschockt, dass sie zur Sparkasse fuhr, dort 22.000 Euro abhob und sie am Abend auf der Dabringhauser Straße dem „Läufer“ übergab.

Nur fünf Tage später rief eine Frau aus der Bande eine betagte Leverkusenerin an, gab sich als ihre Schwiegertochter aus und behauptete, dass man ihr für zwei Jahre den Führerschein abnehmen werde, wenn sie nicht sofort „viel Geld“ zahle. „Viel Geld“, das waren in diesem Fall 11.000 Euro. 

Von einem weiteren Opfer erbeutete die Bande 25.000 Euro in bar sowie Goldbarren, die für die Enkel sein sollten. Dass das Opfer den Schaden trotz fortgeschrittenen Alters irgendwie wieder gut machen wollte, sei ebenso typisch, sagte Richter Köhler am Donnerstag. Im diesem Fall habe der Mann restliches Geld in Aktien angelegt. Er nimmt also ein Risiko in Kauf, um den „Schaden“ für seine Enkel noch ausgleichen zu können. Für die alten Leute  folgten auf die Angst, dass ihren Angehörigen etwas Schlimmes passiert sei, „Selbstvorwürfe und Scham. Das ist Teil des Plans“, so Köhler. „Und dieses Prinzip war Ihnen klar“, wandte er sich an die Angeklagte.  

An der Führungsrolle blieben Zweifel

Für die von den Ermittlern aufgestellte These, die junge Frau habe eine Führungsrolle gegenüber dem Läufer gehabt, fanden die Richter allerdings nicht genügend Beweise. Nur in einem Fall hatte sie das Heft des Handelns in der Hand, wie die Auswertung ihres Smartphones zeigte. Das Wegwerf-Handy, mit dem sich Anrufer, Hinterleute und Läufer sonst verständigten, funktionierte nicht. Also schaltete sich Danuta K. dazwischen. Was sie juristisch zur Mittäterin machte.

In den anderen acht angeklagten Fällen aber changierte ihre Rolle nach Auffassung des Gerichts zwischen Beihilfe und Begünstigung. Was beim Strafmaß einen ganz erheblichen Unterschied macht. Und so blieb die von Volker Köhler geführte Strafkammer mit drei Jahren und zehn Monaten auch weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von siebeneinhalb Jahren. Die Strafe schließt sich nahtlos an: Ins Gericht war die an Schilddrüsenkrebs erkrankte Frau aus der JVA Ossendorf gebracht worden.   

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