Kölner LandgerichtFrau muss nach Schockanrufen in Leverkusen und Burscheid in Haft

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Schockanrufe bei meist alten Frauen waren ihr Metier, im Gerichtssaal verbirgt die 25-jährige Angeklagte ihr Gesicht, als sie mit Rechtsanwalt und Dolmetscherin an der Anklagebank steht.

Schockanrufe bei meist alten Frauen waren ihr Metier, im Gerichtssaal verbirgt die 25-jährige Angeklagte ihr Gesicht, als sie mit Rechtsanwalt und Dolmetscherin an der Anklagebank steht.

Eine Frau, die meist alte Frauen mit Schockanrufen ausnahm, steht vor Gericht.

Danuta K. (Name geändert) wird zwar erst in diesem Jahr 25, eigentlich ist das ein schönes Alter, aber sie sitzt in U-Haft. Die Frau ist Angeklagte in einem Prozess am Landgericht, in dem es um eine Bande geht, die alte Menschen ausgenommen haben soll, indem sie sie mit Schockanrufen brutal unter einen bedrohlichen Druck gesetzt haben sollen. Insgesamt sollen die Betrüger im Tatzeitraum von nur vier Monaten von April bis August 2021 die vermutlich in schwere Not versetzten und so hilflos gemachten Seniorinnen und Senioren um 209.000 Euro betrogen haben.

Danuta K. soll dabei die Rolle einer Mittelsfrau innegehabt haben, sie soll den Abholer und die Telefonisten koordiniert, hinterher die Beute aufgeteilt und die Anteile an weitere Mittäter weitergeleitet haben, die in Polen sitzen. Sie soll der Anklage zufolge in der Bande Anweisungen gegeben haben, also keine untergeordnete Position eingenommen haben.

Ob sie den Opfern womöglich selbst irgendwelche Rollen als falsche Staatsanwältin oder Polizistin am Telefon vorgespielt hat, könnte sich in der Verhandlung zeigen. Angeklagt ist sie dafür derzeit nicht.

Angeklagt in acht Fällen und einem Versuch

Angeklagt ist der vollendete Bandenbetrug in acht Fällen und ein Versuch. Die Geschichten, mit denen die Anrufer die meist über 80 -jährigen Opfer aus Leverkusen, Burscheid und anderen Städten in Nordrhein-Westfalens, Rheinland-Pfalz und Hessen schockten und dann ausnahmen, ähneln sich: Zum Beispiel am 22. April 2021, als eine 86-jährige Burscheiderin das Opfer wurde. Ihr spielten die Anrufer vor, der Enkel zu sein, der in einen Autounfall verwickelt sei. Er wolle aber die Polizei nicht einschalten, weshalb er 22.000 Euro brauche, um den Schaden zu begleichen.

Dass die Burscheiderin den Betrug nicht merkte, ist fast normal: Durch den Schock rutschen viele der Opfer in eine Art Tunnel; sie verlieren den Überblick, kommen gar nicht auf die Idee, beim Enkel selbst anzurufen. Die Burscheiderin eilte jedenfalls zur Sparkasse und hob das Geld ab, das ein von Danuta K. instruierter Abholer auf der Dabringhauser Straße um 18.30 Uhr in Empfang nahm.

Fünf Tage später spielte ein weibliches Bandenmitglied einer 93-jährigen Leverkusenerin vor, dass sie die Schwiegertochter sei, sie habe einen Unfall gehabt, und dass ihr der Führerschein für zwei Jahre abgenommen werde, wenn sie nicht sofort „viel Geld“ bekomme. Eine hanebüchene Geschichte, aber der Schock wirkte auch hier: 11.000 Euro übergab die Leverkusenerin dem Abholer, in gutem Glauben, dass jetzt der Führerschein der Schwiegertochter gerettet sei.

Die Falle schnappte in Hessen zu

In anderen Fällen griffen die wahrscheinlich in Polen sitzenden Anrufer auf härtere Storys zurück: Mal habe eine Enkelin jemanden tot gefahren und müsse mit einer Kaution ausgelöst werden, mal spielte die Bande Polizeibeamte, mal eine Staatsanwältin, mal eine Bankangestellte und schüchterten ein, beruhigten wieder. Meist ging es um Bargeld, die Abholer erbeuteten aber auch Schmuck und Goldbarren.

Die Serie der Bande endete am 30. August 2021 im hessischen Wolfhagen. Eine 64-jährige Frau durchschaute die Lüge sofort, dass ihre Tochter jemanden totgefahren habe. Sie ging zum Schein darauf ein, versprach, 30.000 Euro zu beschaffen und noch drei Rolex-Uhren zu übergeben. Das fachte die Gier der Anrufer offenbar an: Sie gingen der Polizei in die Falle.

Danuta K. hörte sich die Anklageerhebung mit versteinerter Miene an, kaute Kaugummi.

Sie gab zu Beginn der Verhandlung an, sie habe keinen amtlichen Wohnsitz in Köln, sei bei den Eltern in Warschau gemeldet. Seit Oktober 2023 sitzt sie in Untersuchungshaft, jetzt in Ossendorf. Angaben zur Sache will sie nicht machen, sagt ihr Anwalt. Vorerst jedenfalls. So wird man wohl nicht erfahren, wie viele Menschen von der Bande mit den Anrufen in Angst und Schrecken versetzt wurden. Die Folgen dieser Masche können existenziell sein, manche Opfer verlässt nach dem Schock der Lebensmut. Den Tätern ist das egal.

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