Neuer Vorstandschef in LeverkusenBaumanns Erbe bei Bayer bleibt umstritten

Lesezeit 3 Minuten
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, blickt bei einer Pressekonferenz in Wuppertal in die Runde.

Der Monsanto-Kauf wird ihm nachhängen: Werner Baumann

Er macht einem Mann Platz, der nur vier Jahre jünger ist als er. Trotzdem gilt Bill Anderson bei Bayer als Mann der Zukunft. Und Werner Baumann als Mann der Vergangenheit.

Einige lobende Worte gab es natürlich vom Chef des Aufsichtsrats bei Bayer. Nach sieben Baumann-Jahren an der Spitze sei Bayer „ein führendes Life-Science-Unternehmen mit herausragenden Innovationsfähigkeiten in den Bereichen Gesundheit und Ernährung“ und in „hochattraktiven Wachstumsmärkten sehr gut positioniert“, sagte Norbert Winkeljohann am Mittwochabend. Auch die jüngeren Kennzahlen belegten, „dass Bayer auf einem extrem starken Fundament steht“. Aber es kam eben ganz viel Bill Anderson vor. Und sehr wenig Werner Baumann. Hieße der oberste Aufseher noch Werner Wenning – die Würdigung des Wirkens von Baumann wäre wohl ausführlicher ausgefallen. Und herzlicher im Ton. 

Denn Baumanns Vor-Vorgänger an der Bayer-Spitze war ein mächtiger Mentor des Managers, der in der Ära Wenning schon sehr weit vorne war in Leverkusen: Finanzvorstand. Dass Baumann nach der Episode Marijn Dekkers das Eckbüro im Glaspalast an der Kaiser-Wilhelm-Allee beziehen konnte, lag maßgeblich an Wenning, der inzwischen an die Spitze des Aufsichtsrats gerückt war. Vom „großen und kleinen Werner“ war die Rede, wenn es um den Konzernchef und den Chefaufseher ging. Das war nur zum Teil eine Anspielung auf die Körpergröße der beiden Bayer-Granden. Beiden gemein ist die lupenreine Bayer-Biographie. Und eine Herkunft aus eher einfachen Verhältnissen. Baumanns Vater ist Bäcker, Wenning hatte nur Höhere Handelsschule.

Wie der Schering-Deal, nur viel größer

Vor allem aber zog Baumann ein Projekt durch, das Wenning für entscheidend hielt: Die Übernahme von Monsanto war viele Nummern voluminöser, aber in ihrer Bedeutung vergleichbar mit Wennings großem Deal, dem Kauf von Schering im Jahr 2006. Auch daran hatte Baumann schon einigen Anteil, integrierte den Berliner Konzern in das Leverkusener Universum.

Werner Baumann und Werner Wenning vor einem Bayer-Emblem

Der kleine und der große Werner: Baumann (links) und Wenning auf einer Hauptversammlung

Monsanto, das ist aber auch in den Augen vieler der Makel, der Baumann anhängt. Die extrem teure Übernahme – vor allem aber die massenhaften Klagen von vermeintlichen Glyphosat-Opfern in den USA – ziehen den Kurs der Bayer-Aktie bis heute nach unten. Der große juristische Durchbruch in dem Rechtsstreit blieb Bayer trotz aller Anstrengungen bis heute verwehrt, die finanzielle Befriedigung der Sache kostet den Konzern weitere Milliarden. Und es hört nicht auf.

Ein Misstrauensvotum mit Folgen – für Werner Wenning

Es sind natürlich nicht die Krebskranken in den USA, die Baumanns Ansehen beeinträchtigen. Es ist die enorme Vernichtung von Kapital, die mit dem Dauerthema und den daraus folgenden Bilanz-Unsicherheiten einhergeht. Vor Monsanto war die Bayer-Aktie bis zu 140 Euro wert. Inzwischen wäre es ein Erfolg, wenn die 60-Euro-Marke gehalten würde. Als dem Bayer-Chef vor knapp drei Jahren auf der Hauptversammlung die geballte Wut der Aktionäre entgegenschlug und die ihm sogar die Entlastung versagten, sah der Kurs allerdings noch viel übler aus.

Dass er das Misstrauensvotum der Anteilseigner – bis heute ein Vorgang ohne Beispiel in der deutschen Wirtschaft – schadlos überstand, lag an der Rückendeckung durch Werner Wenning. Der machte schließlich Platz, obwohl er bis 2022 gewählt war. Als Grund für seinen Rückzug aus dem Aufsichtsrat nannte Wenning die „Soll-Altersgrenze“. Es folgte mit Norbert Winkeljohann ein Chef-Aufseher ohne Bayer-Gene.

An die fortwährende Kritik – nicht an der Monsanto-Übernahme an sich, sondern ihren Nebeneffekten – hat Baumann sich im Lauf der Jahre scheinbar gewöhnt. Mantraartig entgegnet er, dass der Deal sich insgesamt wirtschaftlich auszahle. Wie sollte es auch anders ein, wenn man die Weltspitze in der Agrochemie erklommen hat? Trotzdem klebt dem Bayer-Chef die Sache am Ärmel und wird ihn auch noch die letzten Monate beschäftigen.

Gerade sucht offenbar der nächste aktivistische Investor Verbündete, um Baumann anzugreifen. Bluebell hat das Ziel, den Vorstandschef so schnell wie möglich abzulösen. Diese Nachricht machte am Mittwochmorgen die Runde. Am Abend machte Bayer diesen Wunsch wahr: Die Ära Baumann endet am 31. Mai. Das ist ein Jahr früher als geplant und deutlich früher als üblich in Leverkusen. Der Manager ist gerade 60 Jahre alt. Ein Vorruhestand, mit wenigen warmen Worten garniert. 

KStA abonnieren