Wirre Aussage82-Jähriger kann sich tödliche Verletzungen seiner Frau nicht erklären

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Leverkusen – Die Tatortaufnahmen aus seinem Schlafzimmer hält Walter W. (Name geändert) bis heute für gefälscht. Als er an jenem Mittwochabend im vergangenen Juni den Notarzt für seine Frau anforderte, habe es lediglich einen etwa tassengroßen Blutfleck auf dem Bettlaken und einen schmalen Streifen auf dem Teppich gegeben. Warum die Fotos der Spurensicherung eine große Blutlache auf dem Boden zeigen, kann der 82-Jährige einfach nicht begreifen.

Dieses Unvermögen ist offensichtlich Teil der wahnhaften Störung, unter der Walter W. nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft leidet. Deshalb sei er auch nicht schuldfähig und könne wegen des Mordes an seiner fünf Jahre jüngeren Frau nicht bestraft, sondern nur in die Psychiatrie eingewiesen werden, wie es in der am Freitag verlesenen Antragsschrift heißt (wir berichteten). Wie von seinem Verteidiger angekündigt, schilderte der gebürtige Ukrainer seinen Lebenslauf und die Hintergründe der Tat gestern ausführlich mit Hilfe einer Dolmetscherin.

Schwere Depression

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat er demnach in Kiew eine Ausbildung zum Schlosser absolviert und gleichzeitig drei Jahre lang das Abendgymnasium und anschließend fünf Jahre die Abendfachschule besucht. 1960, erzählte der 82-Jährige unter Tränen, hätten er und seine Frau geheiratet und seien sehr glücklich gewesen. 1961 seien ein Sohn und 1971 eine Tochter zur Welt gekommen, die beide mit Bestnoten studiert hätten und vier Sprachen fließend beherrschten.

In den 70er-Jahren sei seine Frau allerdings an einer schweren Depression erkrankt und habe die Wohnung aus Angst, „von der Miliz“ ermordet zu werden, zeitweise nicht mehr verlassen können. Sie habe Jahre der Fürsorge gebraucht, um sich davon zu erholen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei die Familie mit den inzwischen selbst verheirateten Kindern nach Deutschland übergesiedelt, obwohl er selbst eine Auswanderung in die USA bevorzugt hätte.

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In Rheindorf-Süd, wo das Ehepaar eine Wohnung an der Heinrich-Böll-Straße bezog, bekam Walter W. Anfang 2015 dann selbst körperliche und seelische Probleme, die wenige Monate später im gewaltsamen Tod seiner Frau gipfelten. Weil er impotent geworden sei, habe er zum ersten Mal in der 54 Jahre währenden der Ehe Eifersuchtsgefühle entwickelt und sei auch prompt dahintergekommen, dass seine Frau sich gleich zwei Liebhaber zugelegt habe. Von diesem Punkt an wurde die Schilderung des 82-Jährigen zunehmend wunderlich und schwer nachvollziehbar. Obwohl von einer Scheidung keine Rede gewesen sei, habe er angefangen, nach einer eigenen Wohnung zu suchen und ab Mitte April auch nicht mehr im ehelichen Schlafzimmer übernachtet.

Seine Frau habe daraufhin immer öfter von Selbstmord gesprochen und ihn gebeten, sie zu einem Arzt zu bringen. Das habe er aber verweigert und sie statt dessen aufgefordert, sich von ihren beiden Liebhabern helfen zu lassen. „Ich habe einen großen Fehler gemacht und nicht mehr daran gedacht, dass sie doch krank war und drei verschiedene Psychopharmaka nehmen musste“, räumte Walter W. scheinbar einsichtsvoll ein. Mit seiner Schilderung des Tattags strafte er sich dann jedoch selbst Lügen.

An jenem Mittwoch habe er einen Brief an seinen Anwalt verfasst, in dem es um die Verhältnisse in seiner Familie ging. Seine Frau habe nämlich wiederholt gedroht, ihn von der Polizei ins Altenheim einliefern zu lassen. Noch während des Schreibens sei es erneut zu einem Streit gekommen, in dessen Verlauf sie ihn wegen seiner Impotenz beleidigt und er sie als Nutte bezeichnet habe. Als die 76-Jährige ihm daraufhin ein Buch auf den Kopf schlug, „habe ich rot gesehen und wollte sie bestrafen“.

„Nur leicht geschlagen“

Von einem Morgenstern, den er als Symbol der Ukraine ausgerechnet zu einem Hochzeitstag bekommen haben will, schraubte Walter W. die Stacheln ab und folgte seiner Frau ins Schlafzimmer. Dort habe er sie – „vorsichtig, weil ich sie ja nicht töten wollte“ – ein paar Mal leicht mit der Waffe geschlagen und sei zwischendurch immer wieder zu seinem Brief zurückgekehrt. Einmal habe er sie auch zur Warnung geschlagen, „weil sie nicht durch die Wohnung laufen, stürzen und sich womöglich tödlich verletzen sollte“.

Der 82-Jährige kann sich nicht ansatzweise erklären, warum die Rettungsassistenten und der Notarzt später nicht einmal mehr eine blutstillende Kompresse anlegen konnten. Dafür habe es an ihrem zertrümmerten Hinterkopf einfach keine ausreichend stabile Stelle mehr gegeben, sagte einer der Sanitäter im Zeugenstand aus. Der Zustand, der vor dem Bett auf dem Rücken liegenden Frau, sei auf den ersten Blick erkennbar akut lebensbedrohlich gewesen. Auch davon will Walter W. indessen nichts mitbekommen haben.

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