Videoclips statt FestkommersGummersbacher feiern abgesagtes Schützenfest auf ihre Art

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Viele Grünmützen trafen sich in Gaststätten, um zumindest in kleinen Gruppen miteinander anzustoßen.

Viele Grünmützen trafen sich in Gaststätten, um zumindest in kleinen Gruppen miteinander anzustoßen.

  • Die Corona-Krise betrifft selbstverständlich auch die Volksfeste in der Region.
  • Dieses Wochenende unterbricht daher eine 187-jährige Tradition, die für viele Menschen in der Kreisstadt ein Fixpunkt im Kalender ist.
  • Doch die Gummersbacher feiern auf ihre Art.

Gummersbach – Der Gummersbacher Schützenmarsch schallt am Samstagabend durch die Stadt. Eigentlich hätte sich jetzt, Punkt 19.15 Uhr, der große Festzug vom Lindenplatz hinauf zur Schützenburg in Bewegung gesetzt. Alles wäre so abgelaufen wie seit Jahrzehnten schon. Hunderte Zuschauer hätten den Grünmützen gewinkt, im Takt der Märsche geklatscht, dem Königspaar und Hofstaat zugejubelt. Eigentlich.

Dieses Wochenende jedoch unterbricht eine 187-jährige Tradition, die für viele Menschen in der Kreisstadt ein Fixpunkt im Kalender ist. In der Schützenburg auf dem Steinberg hängen nicht die Fahnen ehemaliger Majestäten von der Decke. Auf dem Platz davor stehen statt Autoscooter und Schießbude lediglich die Wagen einiger Restaurant-Besucher. Ein paar wenige Männer mit der grünen Mütze sind trotzdem vor die Halle gekommen.

Hauptmann und DJ Jürgen Brensing und Sohn Constantin hatten ihre Anlage auf einen Kran gepackt, um von der Schützenburg aus die Stadt mit Schützenmarsch, Fliegermarsch und „Gruß an Kiel“ zu beschallen.

Hauptmann und DJ Jürgen Brensing und Sohn Constantin hatten ihre Anlage auf einen Kran gepackt, um von der Schützenburg aus die Stadt mit Schützenmarsch, Fliegermarsch und „Gruß an Kiel“ zu beschallen.

Ihr Blick richtet sich empor zur Hebebühne eines Kranwagens, die sie präpariert haben: Große Lautsprecherboxen blasen nun die Klänge des Schützenmarsches hinaus. Hauptmann Jürgen Brensing, der statt des Grünen Rocks seine DJ-Jacke trägt, blickt wehmütig hinauf, als vom Band die Liedzeile erklingt: „Schützenfest, Fahnen raus, grün geschmückt zieh’n wir hinaus“. Von wegen.

„Grün geschmückt bleiben wir zu Haus“

Doch selbst das Coronavirus kann einem Ort, in dem der Schützenbrauch seit Generationen verwurzelt ist, das Feiern nicht ganz vermiesen. Im Jahr, in dem die Gummersbacher auf 470 Jahre Vogelschießen zurückblicken wollten, hat der Vorstand das Volksfest zwar frühzeitig abgesagt – aber für Ersatz gesorgt. Auf dem Plakat, das diesmal nur im Internet zu sehen ist, steht die Marschzeile abgeändert: „Grün geschmückt bleiben wir zu Haus’“.

Gestern bereiste König Victor Bogdan sein Reich.

Gestern bereiste König Victor Bogdan sein Reich.

Um das Schützenvolk möglichst daheim zu halten, hat der Vorstand um den Ersten Vorsitzenden Markus Brand einige virtuelle Trostpflaster vorbereitet. Am Freitagabend gab es statt Konzert auf dem Kirmesplatz ein Internetvideo vom Jubiläumsfest 2008. Am Samstagabend wurde kein Festkommers gefeiert, aber auf den Internetkanälen des Schützenvereins ein halbstündiger Clip aus rund 100 Homevideo-Schnipseln online gestellt, die von der großen Schützenfamilie im Rahmen der Spendenaktion „Fünf Kölsch für ...“ eingesandt worden waren. Auch der Männerfrühschoppen, der immer am Montag stattfindet, ist heute ein rein virtueller mit Festimpressionen – zumindest dürfen so diesmal auch Damen dabei sein.

Mehrere Tausend Klicks

Obwohl die ersten Videos einige tausend Klicks verbuchen, ist Schützenfest nicht wirklich fürs Netz gemacht. So wird am Samstag in vielen Gärten und auf Terrassen doch mit ein paar wenigen Freunden gefeiert. Ins Kneipenviertel Baumhof sind einige Schützen mit Mütze gekommen. Sie sitzen in Gruppen von höchstens zehn Leuten zusammen. Auch das ist mittlerweile erlaubt. Die Offiziere Michael Stiletto und Oli Gelhausen prosten ihren Schützenbrüdern zu, rufen ein dreifaches „Horrido“ – und müssen doch daran denken, dass sie in diesen Minuten eigentlich in der Schützenburg hätten feiern sollen.

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Etwas Wehmut herrscht bei vielen Zaungästen auch, als am Sonntag seine Majestät Victor aus dem Haus Bogdan mit Gefolge in geschmückten Autos sein Reich abfährt. Auch der König muss aufs Fest verzichten, wird aber in die Vereinsgeschichte eingehen: Seine Regentschaft endet erst beim Schützenfest im kommenden Jahr. Und dann, so hoffen die Gummersbacher, stört den Festablauf maximal ein harmloses Computervirus.

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