InterviewMichael Atug aus Wipperfürth ist Experte, wenn es um das Thema Onlinehandel geht

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Ein Mann sitzt in einem leeren Raum auf einem Stuhl. Neben ihm steht eine E-Gitarre auf dem Boden.

Der Wipperfürther Michael Atug (51) veranstaltet in Köln den Multichannel Day, eine Fachmesse für den Onlinehandel.

Michael Atug (51) kommt aus Wipperfürth und organisiert dieses Jahr zum siebten Mal im Kölner Rheinenergie-Stadion den Multichannel Day.

Michael Atug  aus Wipperfürth betreibt in der Hansestadt ein Geschäft für Werkzeug, macht aber schon lange den größten Teil seines Umsatzes online. Er hält als Experte Vorträge über Themen wie den Onlinehandel und organisiert im Kölner Rheinenergie-Stadion dieses Jahr zum siebten Mal den Multichannel Day, eine Fachmesse für den Onlinehandel. Mit ihm sprach Torsten Sülzer.

Herr Atug, Sie kommen ja ursprünglich aus dem lokalen Handel mit einem Ladenlokal für Werkzeug, gelten heute in Deutschland als einer der führenden Onlinehandels-Experten. Führen Sie eigentlich trotzdem ihr Ladenlokal in Wipperfürth noch?

Ja, den stationären Handel in Wipperfürth haben wir auch noch. Da geht man aber nicht mehr mit dem Einkaufswagen durch, sondern du kommst und sagst, dass du zum Beispiel eine Wasserpumpenzange suchst, und dann sagen wir, welche 15 Modelle wir haben und du schaust, welche du nimmst.

Und wie kam es, dass Sie schon 2001 den Online-Handel für sich entdeckt haben?

Da kam mein Azubi zu mir und meinte, wir müssen bei Ebay verkaufen. Und ich hab gefragt: Was ist Ebay? So ging das los. Und auf einmal stand mir die ganze Welt offen. Das war schon geil. Ich musste mir die Expertise selbst mit viel Schmerz aneignen, hatte aber von Anfang an Bock, mein Wissen zu teilen. Digitalisierung war für mich das Tor zur Welt. Heute verkaufe ich auf knapp zehn Online-Präsenzen.

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Und jetzt ziehen Sie als Wipperfürther Jung, der früher bei den Hämmern Bandits American Football gespielt hat, im Rheinenergie-Stadion in Köln bereits zum siebten Mal den Multichannel Day auf. Was genau ist das?

Beim Multichannel Day geht's mit rund 2000 Teilnehmern um die ganze Welt des Onlinehandels, um Chancen und Konzepte, um die wichtigen Vertriebskanäle im digitalen Handel. Es kommen rund 130 Aussteller, viele Marktplätze wie z.B. Ebay, Otto, Kaufland, Metro oder billiger.de sind da, es gibt Vorträge und es geht natürlich auch ums Netzwerken mit vielen persönlichen Gesprächen.

Was kann denn zum Beispiel der oberbergische Einzelhändler, der mit dem Gedanken spielt, erste Schritte im Online-Handel zu machen, da mitnehmen?

Einer von den mehr als 130 Ausstellern ist zum Beispiel Ebay. Jetzt könnte der Einzelhändler denken: Ebay? Die reden doch gar nicht mit mir. Doch, das werden sie tun. Die haben das sogenannte Durchstarter-Programm, und da wirst du für vier Monate an die Hand genommen, kostenfrei. Da sind außerdem auch Social Media- oder Google-Ads-Agenturen. Also kann der Einzelhändler da natürlich Relevantes erfahren. Zum Beispiel, mit welchem Tool er seinen ganzen Online-Handel steuern kann. Mehr als zehn dieser Anbieter sind vor Ort.

Oft hört man: Der Online-Handel macht den stationären Handel kaputt. Trifft das aus Ihrer Sicht so zu?

Bei meinen Vorträgen zeige ich bei dieser Frage immer ein Bild von einer älteren Dame, und frage: Wisst ihr, wer das ist? Das war mal Tante Emma. Aber Tante Emma ist alt geworden, die stirbt bald. Früher haben sich alle aufgeregt, weil Aldi und Lidl Tante-Emma-Läden kaputtgemacht haben. Heute redet davon keiner mehr. Die Welt verändert sich, das „Früher“ gibt's nicht mehr, kein Einzelhändler kann das aufhalten. Aber verbinde doch beide Welten, die Möglichkeiten sind ja da! Das sind minimale Investments.

Wenn Sie sagen, dass Sie Ihr Wissen gern teilen: Sind Sie abgesehen von ihren Vorträgen beratend tätig, zum Beispiel in Wipperfürth?

Mir ist unbegreiflich, dass eine Stadt Wipperfürth oder der Oberbergische Kreis noch nie auf die Idee gekommen ist, nach meiner Expertise zu fragen. Ich bin seit Jahren sehr prominent als einer von Deutschlands führenden Onlinehandels-Experten unterwegs. Aber da kommt gar nichts. Ich glaube, die wollen einfach niemanden, der den Finger in die Wunde legt und dann zur Krönung noch Salz drauf streut. Ich meine – ich komme gerade aus Berlin von Ebay Deutschland zurück. Wenn die was Neues machen, fragen die vorher meinen Sachverstand an.

Wie könnten Sie dem Einzelhandel denn konkret helfen?

Einer meiner Vorträge heißt „Einzelhandel vs. Onlinehandel“, der geht etwa eine Stunde, da hören die Leute mit offenem Mund zu. Ich erkläre, wie es zur jetzigen Lage gekommen ist und was man jetzt tun kann, ich gebe konkrete Tipps. Ich meine: Wir reden dauernd über leerstehende Ladenlokale. Aber man könnte ja was machen, man muss sich nur auch die Leute holen, die einem sagen, was man machen kann.

Ist der Onlinehandel-Zug für lokale Einzelhändler nicht längst abgefahren, weil zu viele mächtige Händler das Geschäft aufgeteilt haben?

Nein! Du musst natürlich Bock drauf haben, aber wenn du deine Sachen sowieso im Laden liegen hast, was hindert dich daran, das auf einem Online-Marktplatz anzubieten? Es ist unheimlich einfach, da anzufangen. „Ebay – Deine Stadt“ ist ein Beispiel dafür, da machen rund 40 Städte mit. Die gebe dir einen Experten an die Hand, der dir sagt, wie es geht. Gummersbach macht da zum Beispiel schon mit.


Zur Person

Michael Atug tritt seit Jahren mit verschiedenen Vorträgen zu Themenkomplexen wie Online-Handel auf, betreibt die Seite retourensohn.de, auf der er sich mit Sicht auf den Klimaschutz unter anderem für eine bewusstere Bestell-Kultur beim Onlinehandeln einsetzt. Er geht von derzeit mehr als 550 Millionen Retour-Sendungen pro Jahr in Deutschland aus und schätzt, dass jede vierte Bestellung wieder zurückgeschickt wird und etwa 20 Millionen Retouren vernichtet werden. 

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