Bergisch GladbachEhemaliger Stadtbaurat Willi Franzen ist stolz auf den Affenfelsen

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Umstritten: Der Wohnpark Bockenberg, auch Klein-Manhattan genannt, ist stets in Gefahr, zum sozialen Brennpunkt zu werden. Noch stimmt die Balance.

Umstritten: Der Wohnpark Bockenberg, auch Klein-Manhattan genannt, ist stets in Gefahr, zum sozialen Brennpunkt zu werden. Noch stimmt die Balance.

Bensberg – Mehr Aachener als Willi Franzen kann man eigentlich nicht sein: Sein Geburtshaus ist das Aachener Rathaus: Klostergasse/Ecke Markt. Hier war die Dienstwohnung seines Vaters, der als Amtsleiter für Feuerwehr und Polizei von den Belgiern, damals nach dem Ersten Weltkrieg Besatzer der Region, in den Räumen des vertriebenen Oberbürgermeisters einquartiert worden war.

„Damals gab es ja die separatistischen Unruhen und mein Vater sollte sozusagen auch nach Dienstschluss das Rathaus verteidigen“, erinnert sich Bergisch Gladbachs ehemaliger Stadtbaurat schmunzelnd zurück.

Und so kam es, dass hier am 19. Februar, dem Karnevalssonntag des Jahres 1927, unter dem ehrwürdigen Dach ein Knabe geboren wurde, der am kommenden Sonntag, eine Woche vor Karneval, auf 90 Jahre eines bewegten Lebens zurückblicken kann – von dem sich allerdings mehr als die Hälfte in Bensberg und Bergisch Gladbach abspielte.

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Unter Franzens Regie als Stadtbaurat fiel der Neubau des Rathauses an Stelle des Alten Schlosses durch  Gottfried Böhm (Bild . 1967).

Hier hinterließ Franzen bleibende Spuren, vor allem im Antlitz von Bensberg, auf die er auch heute noch stolz ist. Nicht nur auf das neue Rathaus, das sein Studien- und Semesterkollege Gottfried Böhm hier unter Franzens Ägide als technischer Beigeordneter verwirklichen konnte, sondern auch auf die Innenstadtsanierung, die Fußgängerzone Schloßstraße, das Kaufhaus Kaufring, die Umgehungsstraße und den Wohnpark Bockenberg.

Zeitgemäße Qualität

Das sind Projekte, da steht Franzen auch heute noch hinter. Er lässt denen, die den Stil vielleicht nicht mögen, eine andere Meinung, aber er sagt klipp und klar: „Das war zeitgemäß und das hat Qualität. Das habe ich aber nicht alles alleine bewerkstelligt, da gab es damals eine sehr gute Mannschaft in Bensberg, angeführt von dem sehr fähigen Stadtdirektor Wilhelm Wagener.“

Wagener war es auch, der 1964 den 37-jährigen Städtebaudezernenten Franzen aus der Bezirksregierung abwarb und in den boomenden Ort Bensberg lockte, der noch keine 20 Jahre Stadtrechte aufweisen konnte, geprägt von einem Barockschloss.

Dem setzte Franzen einen zweiten Blickfang an die Seite, der möglicherweise heute international bekannter ist als Jan Wellems Landschloss: Schlösser gibt es etliche, aber Böhms Rathaus ist einzigartig. „Als ich nach Bensberg kam, war der Wettbewerb gerade abgeschlossen, aber die Umsetzung stand erst bevor.

Problematischer Untergrund

Das war sehr schwierig: Wir haben hier den problematischsten Untergrund, den man sich denken kann. Dieser Dolomit-Schluff ist schlimmer als Fließsand. Da mussten wir diesen Turm drauf gründen.“ Dabei wurde der Wettbewerbsentwurf teilweise stark angepasst. „Der war viel ausladender. Im Modell sah der aus wie ein Blüte. Da haben wir dann gestrafft, konzentriert und hochgeführt in diesen lichtdurchbrochenen Aufsatz, den man heute als Turm bezeichnet.“

Auch die Bezeichnung, die diese Betonklippe im Volksmund führt, geht auf Franzen und den damaligen Bürgermeister Müller-Frank zurück. „Als wir unsere Partnerstadt Joinville-le-Pont besuchten, fragte mich deren Bürgermeister, wie denn unser Rathaus aussähe. Da fuhren wir gerade am Pariser Zoo vorbei, der auch so ein Pavian-Gehege hat wie der Kölner, und ich zeige darauf und sage: So wird es werden. Und da stöhnte Müller-Frank neben mir: »Mir krieje ne Aapefelse!«“

Der Schluff war auch ein Problem bei der Gründung des Kaufhauses: „Wir mussten da ein Spannmauer in den Fels setzen.“ Deswegen ist er sehr froh, dass der Architekt der künftigen Marktgalerie ihn letztlich aufgesucht hat, um Franzen zu der damaligen Gründung zu befragen. „Danach hat er sich entschlossen, das Gebäude nicht abzubrechen, sondern in der bestehenden Form zu lassen. Das wäre nämlich statisch sonst sehr riskant geworden.“

Die zu Franzens Zeit entwickelte Stadtansicht mit ihren Proportionen und Perspektiven hat bis heute Bestand, in den auch bei den künftigen Umgestaltungen nicht eingegriffen wird. Das macht den 1988 ausgeschiedenen Pensionär, der anschließend das Land Brandenburg stadtplanerisch mehr als ein Jahrzehnt lang beriet, sehr zufrieden. Die elf Jahre als Stadtbaurat in Bensberg waren markanter als die folgenden 13 Jahre als Stadtbaurat der neuen Gesamtstadt Bergisch Gladbach. „Bensberg war offen. Da war viel möglich. Das haben wir uns bei unserer Partnerstadt in Frankreich angesehen. In Bensberg haben wir es gemacht, in Gladbach hat man es fallenlassen.“

Fußgängerzone

Dennoch versuchte Franzen, das Bensberger Modell teilweise auf Gladbach zu übertragen: die Hauptstraße wurde als Fußgängerzone freigeschlagen vom Verkehr durch eine Innenstadtumgehung. „Aber die Umgehung klebt zu sehr am Kern.“ Der Kardinalfehler der Gladbacher Stadtentwicklung sei die Verkehrserschließung: „Die Achse sollte von Köln-Merheim über Heidkamp nach Spitze laufen.

Links und rechts davon zwei relativ verkehrsberuhigte Innenstädte. So war es geplant.“ Das habe damals die Stadt Köln durchkreuzt. „Wir hatten in Bensberg immer ausgezeichnete Kontakte zu Köln. Aber zwischen Köln und Gladbach herrschte eine Streitkultur.“

Dienstwohnung bis 2002

Eigentlich hatte Franzen beabsichtigt, den Ruhestand in Aachen zu verleben. Aber weil sein Sohn sich inzwischen als Arzt in Gladbach niedergelassen hat und wegen der Nähe zu den drei Enkeln, sind die Franzens doch in Bensberg geblieben. „Dabei habe ich nach Aachen geheiratet“, sagt Ehefrau Regine, gebürtige Bayerin aus der Oberpfalz, leicht vorwurfsvoll.

Dafür verfügte man allerdings bis 2002 noch über eine Dienstwohnung in der Nähe von Potsdam und außerdem gab es vierzig Jahre lang ein altes Haus in Fedderwardersiel gegenüber Bremerhaven, das sich vier befreundete Ehepaare als Feriendomizil teilten. Dort konnte Franzen auch seinem Hobby, der Malerei, frönen.

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