Überlebenswichtig für ObstbäumeStephan Eßer fertigt Unterkünfte für Bienen

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Stephan Eßers Hotel ist gut belegt: Zahlreiche Insekten nutzen seine Häuser. Was als Hobby begann, ist heute Nebenerwerb.

Stephan Eßers Hotel ist gut belegt: Zahlreiche Insekten nutzen seine Häuser. Was als Hobby begann, ist heute Nebenerwerb.

Odenthal – Stephan Eßer bohrt Löcher. Tausende kleine, feine Löcher von unterschiedlicher Tiefe und variablem Durchmesser, stets sauber ausgeführt und feingeschliffen. „Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist“, hat Kurt Tucholsky einmal in seiner „soziologischen Psychologie der Löcher“ beschrieben. Stephan Eßer würde das wohl nicht unterschreiben. Denn in seinen Löchern wimmelt das Leben.

Der 58-jährige gelernte Kartograph, der für einen Energieversorger tätig ist, fertigt Insektenhotels, Brut- und Überwinterungshilfen für Wespen und Wildbienen, Florfliegen und Marienkäfer, Schmetterlinge und Co. – wunderschöne Luxusquartiere für Insekten, für die solche von Menschen gefertigte Kästen inzwischen überlebenswichtig geworden sind.

In Deutschland leben etwa 565 verschiedene Wildbienenarten, etwa 320 von ihnen auch in der rheinischen Region. Viele kämpfen ums Überleben: In Nordrhein-Westfalen sind nach Einschätzung von Wissenschaftlern mittlerweile 50 Prozent der Wildbienenarten vom Aussterben bedroht.

Natürlicher Lebensraum

Und das hat auch für den Menschen schwerwiegende Folgen: 80 Prozent von Obstbäumen und -sträuchern werden von Insekten bestäubt. Die Wildbiene, die als Einzelgänger ohne Staatenverbund lebt, ist friedliebend und belästigt Menschen nicht. Durch die Bewirtschaftung und Durchforstung der Wälder, durch die Zersiedelung der Landschaft und eine intensive Landwirtschaft, sind Streuobstwiesen, naturbelassene Wälder und artenreiche Blumenwiesen selten geworden und den Tieren fehlt der natürliche Lebensraum.

Wer kein geeignetes Holz, keine Stängel, Halme oder Schilfrohr für die Brut findet, der bleibt ohne Nachkommen – oder hat das Glück, ein Insektenhotel zu finden.

Beitrag für Natur

Angefangen hat alles mit der Landesgartenschau 2005 in Leverkusen. Von dort brachten Eßers Kinder einen durchlöcherten Tonziegel als Quartier für Bienen mit. „Das fand ich gut; nur optisch gefiel es mir nicht“, erinnert sich Eßer. Grund genug, im Hobbykeller zu Bohrer und Säge zu greifen und das erste eigene Insektenhotel zu bauen – ein stattliches Giebelhaus von 1,20 Meter Höhe. Eßer gefiel’s – den Nachbarn auch – die Produktion begann.

Rund zehn Arbeitsstunden benötigt Eßer für ein mittelgroßes Insektenhotel. Verwendung finden Materialien ohne Chemikalien.

Rund zehn Arbeitsstunden benötigt Eßer für ein mittelgroßes Insektenhotel. Verwendung finden Materialien ohne Chemikalien.

Seine Herangehensweise ist wenig dogmatisch: „Das Tier braucht ein Loch“, so seine Devise. „Dem Tier reicht das letzte Loch – nicht aber dem Menschen. Deswegen bohre ich schöne Löcher“, sagt Eßer lächelnd. Der Fantasie sind beim Bau wenig Grenzen gesetzt und solange es summt und surrt, hat ein Architekt für Insektenbauten nichts falsch gemacht und leistet einen wichtigen Beitrag für die Natur, mit all ihren Facetten: „In den Löchern wird gelebt und gestorben – das ist kein Labor“, weiß Eßer, der seine Brutkästen sehr genau beobachtet und aus der Entwicklung der Tiere seine Schlüsse für das nächste Mehrfamilienhaus der Insekten zieht.

Einige Grundregeln

„Der Deutsche neigt dazu, alles nach DIN-Norm zu machen“, kritisiert er. „Das Tier weiß aber ganz gut, was richtig oder falsch ist und nimmt die Bruthöhle an – oder eben nicht.“

Dennoch gibt es einige Grundregeln: Zu weiches oder harzendes Holz ist ungeeignet, jeder einzelne Halm wird innen geglättet, damit die Tiere sich beim Einflug nicht an den Flügeln verletzen und die verwendeten Materialien sollten ohne Chemie sein, auch die verwendete Farbe, meist ein dunkles Rot, das die Insekten besonders lieben.

Gewerbe angemeldet

Die Modelle im Keller sind bezugsfertig, warten aber noch auf einen geeigneten Balkon oder Garten. Rund zehn Arbeitsstunden investiert Eßer für ein mittelgroßes Modell. Eine Arbeit, für die er inzwischen ein Gewerbe angemeldet hat.

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„Trotzdem trenne ich mich immer noch nicht gerne von einem fertigen Stück“, sagt er bedauernd. Die Insektenhotels in Eßers eigenem Garten sind auch in diesem Jahr wieder fast komplett ausgebucht, die meisten der angebotenen Brutlöcher sind mit einem Lehm-Speichelgemisch verschlossen – das „Bitte-nicht-stören“-Schild im Hotel für Insekten.

www.bee-fly.de

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