Sprachkurse boomenChinesisch für Anfänger

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Auf Deutsch: Chinesisch lernen. (QUELLE: LEHRSTUHL SINOLOGIE UNIVERSITÄT KÖLN)

Auf Deutsch: Chinesisch lernen. (QUELLE: LEHRSTUHL SINOLOGIE UNIVERSITÄT KÖLN)

Die Aufgabe klingt einfach. An der Tafel steht eine Reihe chinesischer Schriftzeichen, und Carolyn Lampe soll das erste nachzeichnen. Doch schon bei der zweiten Linie greift Lehrer Eerdunwula Borjigen ein - und wischt den Kreidestrich wieder weg. „Erst waagerecht, dann senkrecht“, erklärt er. Und so geht es weiter: Lampe macht einen Strich, viele davon wischt Borjigen gleich wieder weg. Chinesische Schriftzeichen folgen nun einmal strengen Regeln. Und vor allem darf man keinen Strich vergessen oder in eine etwas falsche Richtung lenken. „Dann bedeutet es gleich etwas ganz anderes“, seufzt Lampe.

Die 40-jährige Kölnerin lernt chinesisch im Fortgeschrittenen-Kurs der Volkshochschule, seit fünf Jahren beschäftigt sie sich nebenbei mit der so befremdlich aussehenden Sprache - und ist fasziniert. Unterhalten kann sie sich schon gut, nur mit den Schriftzeichen hadert sie noch, die hat sie bisher vernachlässigt.

Bildhafte Worte

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„Ich will mich vor allem verständigen können, und chinesisch ist gar nicht so schwierig, wie viele meinen“ sagt Lampe und fängt direkt an zu schwärmen: „Die Sprache ist so wunderbar bildhaft. Zum Beispiel heißt Computer übersetzt elektronisches Gehirn. Und Dach und Frau zusammengesetzt bedeutet Sicherheit.“ Dann muss sie lachen: „Warum allerdings Dach und Schwein Zuhause heißt, weiß ich nicht.“ Doch da wird ihr schnell geholfen: Das Schwein steht auch für Ernährung, und Zuhause ist der Ort, an dem man isst. So einfach ist das. Das meint auch die jüngste Schülerin, die 15-jährige Melissa Scherpenstein: „Man muss die Worte lernen und dann einfach drauflos sprechen, das passt dann schon.“

Diese Aussage bringt Borjigen zum Strahlen: „Sie hat es verstanden. Chinesisch ist wirklich eine einfache Sprache - es gibt keine großartige Grammatik, keine schweren Zeiten, keine Artikel oder Wortendungen, die sich ständig verändern.“ Wer einen ersten Kurs mit einem guten Lehrer absolviert hat, kann sich danach durchaus mit Computerprogrammen oder Büchern selbst weiterbilden, meint Borjigen. Im Anfängerkurs der VHS lernen die Schüler vor allem die Basissätze: sich vorstellen, ein Essen bestellen, nach dem Weg fragen. „Nach dem zweiten Semester kann man sich aber jetzt schon ein bisschen unterhalten und auch ein wenig lesen“, sagt Scherpenstein. „Schwierig ist vor allem die Betonung“, ergänzt Lampe, die zwei Monate einen Sprachkurs in Peking absolviert hat. „Wie im Deutschen den Artikel muss man auf Chinesisch zu jedem Wort die Betonung dazulernen, dafür gibt es auch keine festen Regeln.“ Dr. Hans-Joachim Hoppe, Verantwortlicher für asiatische Sprachen an der VHS Köln, meint, dass man schon fünf bis sechs Semester brauche, um sich einigermaßen gut in China verständigen zu können.

Neben kulturellen oder familiären Gründen, wie etwa die Hochzeit mit einem Chinesen oder die Adoption eines chinesischen Kindes, werden berufliche Gründe immer häufiger zur Motivation, sich mit der chinesischen Sprache zu beschäftigen. Auch für Melissa Scherpenstein ist die wachsende Bedeutung Chinas in der Wirtschaftswelt ein Grund, warum sie den Kurs besucht: „Ich will später etwas mit Sprachen machen. In der Schule lerne ich schon Englisch, Französisch und Italienisch. Chinesisch finde ich spannend, weil es etwas ganz anderes ist und in Zukunft sicher noch an Bedeutung gewinnen wird.“

Vor allem in den USA ist die Nachfrage nach Chinesisch-Angeboten in den letzten Jahren explosionsartig angestiegen. Amerikanern geht es vor allem darum, ihre Kinder gut gerüstet in ihre berufliche Zukunft zu schicken. So bieten Schulen und sogar Kindergärten Chinesisch-Kurse an, und die Nachfrage nach chinesischen Kindermädchen und Au-Pairs übersteigt bei weitem das Angebot. In New York - wo die Nachfrage am größten ist - werden qualifizierte Asiaten mit akzentfreiem Mandarin fürstlich entlohnt, zwischen 50 000 und 150 000 Dollar verdienen sie im Jahr. Deutlich mehr als etwa ein europäisches Au-Pair.

Steigendes Interesse

Auch in Deutschland steigt das Interesse an der bislang exotischen Sprache. Die Nachfrage an Chinesischkursen an Volkshochschulen hat sich seit 2002 verdoppelt. Über 10 000 Menschen lernen zurzeit bundesweit Schriftzeichen und Betonungen. Und selbst private Anbieter haben Chinesisch für sich entdeckt, auch wenn es sich bislang nur um eine Nische handelt. Das Fremdsprachenforum Köln hat vor sieben Jahren Chinesischkurse in sein Programm aufgenommen. „Weil die Nachfrage damals so gering war, haben wir nur Einzelunterricht gegeben“, erinnert sich Chantal Gerber-Damais vom Fremdsprachenforum. „Heute lernen permanent rund 20 Schüler bei uns Chinesisch, so können wir Gruppenkurse anbieten.“ Dennoch ist Englisch immer noch die klare Nummer eins der am meisten nachgefragten Fremdsprachen. Dafür wird der Chinesischkurs zumeist länger besucht. „Wer die ersten Wochen übersteht, bleibt zwei bis drei Jahre dabei, denn es dauert etwas länger, als Englisch zu lernen,“ sagt Gerber-Damais. Und selbst wenn deutsche Familien weiterhin vor allem englischsprachige Au-Pairs suchen, ist hierzulande die Nachfrage nach chinesischen Kinderbetreuern relativ groß: Auf dem Internetportal „Aupair World“ suchen derzeit etwa 8000 deutsche Familien ein Au-Pair - jede zehnte davon eines aus China.

Bei Carolyn Lampe war ein gescheitertes Telefongespräch ausschlaggebend für ihr Interesse an der chinesischen Sprache. Nach einer Geschäftsreise nach China wollte sie mit einem englisch- sprechenden Kollegen Kontakt halten und ihn in einem chinesischen Hotel anrufen. „Leider verstand mich an der Rezeption niemand und ich konnte die Zimmernummer nicht auf Chinesisch sagen“ erzählt Lampe. Die gescheiterte Kontaktaufnahme veranlasste sie, zumindest einmal die wichtigsten Grundbegriffe zu lernen. Doch dabei blieb es nicht, denn dann begann für Lampe die Faszination Chinesisch.

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