Deutsche BahnWieso Bahnchef Rüdiger Grube hinschmeißt

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Rüdiger Grube sollte seinen Vertrag als Bahnchef eigentlich um drei Jahre verlängern. Jetzt kam es anders, er trat zurück.

Rüdiger Grube sollte seinen Vertrag als Bahnchef eigentlich um drei Jahre verlängern. Jetzt kam es anders, er trat zurück.

  • Paukenschlag bei der Deutschen Bahn: Rüdiger Grube verlässt die DB.
  • Der 65-jährige Bahnchef trat überraschend zurück.

Berlin – Bahnchef Rüdiger Grube ist im Streit um eine Vertragsverlängerung am Montag zurückgetreten. Vorübergehend führt Finanzchef Richard Lutz den Bundeskonzern, ein Nachfolger soll zeitnah gefunden werden, wie die Bahn nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte.

Darin waren Differenzen über die geplante Verlängerung für Grube zu Tage getreten. Der Vertrag lief noch bis Dezember. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Aufsichtsratskreisen erfuhr, warf Grube dem Kontrollgremium vor, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach anschließend von „wenig Einigungsbereitschaft auf beiden Seiten”. „Das ist in der Tat eine so nicht zu erwartende Wendung”, sagte Dobrindt in München.

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Grube verlässt den Konzern inmitten einer großangelegten Initiative, die Qualität, Kundenzahl und Ergebnis der Bahn deutlich verbessern sollte. Erst kürzlich erklärte Grube das Programm „Zukunft Bahn” zur Chefsache.

Aus dem Umfeld des Aufsichtsrats war am Montag zu hören, Grube sei in der Sitzungsvorlage noch eine Vertragsverlängerung um drei Jahre bis Ende 2020 zugesichert worden. Der Vorstandschef habe dafür auf eine Gehaltserhöhung und auf eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Abgangs verzichtet.

In der Sitzung am Montag habe man ihm dann aber doch nur zwei weitere Jahre als Vorstandschef geben wollen. Grube wollte seinen Arbeitsplatz noch am Montag verlassen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft forderte eine schnelle Nachfolgelösung.

Auf die Frage nach den Aussichten des früheren Kanzleramtsministers und Bahn-Vorstandsmitglieds Ronald Pofalla sagte Dobrindt: „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, im Vorfeld schon irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen.” SPD-Fraktionsvize Sören Bartol riet, nun nichts zu überstürzen: „Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt.”

Rüdiger Grube: Seit 2009 Vorstandschef der Deutschen Bahn

Der 65 Jahre alte Grube war seit 2009 Vorstandschef des bundeseigenen Konzerns mit weltweit 300.000 Angestellten und rund 40 Milliarden Euro Umsatz. Er übernahm die Führung nach der Affäre um massenhafte Ausspähung von Mitarbeiter-E-Mails unter seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn.

Durch den Kauf der Auslandsverkehrstochter Arriva trieb Grube die internationale Ausrichtung voran. Nach einem Verlustjahr 2015 konnte er zuletzt auf ein verbessertes Ergebnis und eine gestiegene Pünktlichkeit der Züge verweisen.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte, Grube sei der Sündenbock für die falsche Bahnpolitik Dobrindts. Statt eine Schienenverkehrsoffensive zu starten, „durfte Grube nur den Mangel verwalten, während Schulden und Verspätungen immer mehr zunahmen.” Das Bündnis Bahn für Alle warf Grube vor, er habe das Bahn-Kerngeschäft, die Eisenbahn in Deutschland, ausbluten lassen.

„Rüdiger Grube war nach Mehdorn der Richtige um die Deutsche Bahn wieder zur Ruhe zu bringen”, hob hingegen Martin Burkert (SPD) hervor, der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses. Nun brauche es einen Bahnchef, der Qualität und Zuverlässigkeit voranbringe und die Gütersparte DB Cargo wieder aufs richtige Gleis setze.

Bahnprojekt Stuttgart21 Grund für den Rücktritt von Rüdiger Grube?

Die Linken-Verkehrspolitikerin Sabine Leidig sieht nicht die Vertragsverlängerung als Grund des Rücktritts, sondern das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart21. „Er hat sich ganz offensichtlich verspekuliert”, teilte Leidig mit und verwies auf gestiegene Kosten für das Bauvorhaben. Gegner von Stuttgart 21 hoffen auf das Aus des Projekts: „Rüdiger Grube stand für Stuttgart 21, mit seinem Rücktritt ist auch S21 am Ende”, sagte der Sprecher der Stuttgarter Parkschützer, Matthias von Herrmann. (dpa)

Deutsche Bahn: Diese Großbaustellen hinterlässt Bahnchef Rüdiger Grube

Rüdiger Grube verlässt die Bahn zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Er hat die Konzernspitze gerade erst radikal umgebaut, Reformen angestoßen. Mit diesen  Baustellen muss sich nun sein Nachfolger herumschlagen.

VERSCHULDUNG Nach dem im Dezember geplatzten Teil-Börsengang der profitablen Bahntochter Arriva, die im Ausland Züge und und Buse betreibt, immer noch fehlt das Geld für dringend nötige Investitionen. Grube hatte Arriva im Jahr 2010 für knapp drei Milliarden Euro gekauft. Aus heutiger Sicht ein gutes Geschäft. Der Teil-Börsengang hätte frisches Geld in die DB-Kasse gespült. Die Verschuldung des Bahnkonzerns liegt inzwischen bei fast 18 Milliarden Euro, bei 19 Milliarden sei die rote Linie erreicht. Das war immer Rüdiger Grubes Credo. Sein Nachfolger muss jetzt schnell für die Tochtergesellschaften Arriva und Schenker Käufer finden. Ob es dabei bleibt, dass die Mehrheitsbeteiligung an den beiden Gesellschaften weiterhin bei der Deutschen Bahn liegt, ist wieder offen.

FERNVERKEHR Mit „Zukunft Bahn“ hat Grube ein Programm auf die Schiene gesetzt, das von dem in viele Geschäftsfelder zersplitterten Konzern vor allem eins verlangt: Zusammenarbeit. Der Anfang ist gemacht, aber der größte Teil der Arbeit muss erst noch getan werden, um in Sachen Pünktlichkeit, Reisenden-Information, Fahrzeug- und Betriebsqualität deutlich besser zu werden. Das ehrgeizige Ausbauprogramm des ICE- und IC-Netzes läuft bis 2030. Zudem wollte Grube eine Milliarde Euro allein bis 2018 in die Digitalisierung stecken. Die Auslastung der Fernzüge ist zuletzt deutlich gestiegen, was vor allem aber auf die Sparpreise zurückzuführen ist. Diese Strategie Grubes scheint aufzugehen. 2016 wird die Bahn auch dank des Fernverkehrs wieder einen Betriebsgewinn von 1,8 Milliarden Euro machen.

GÜTERBAHN  Tausende Jobs auf der Kippe, Verladestellen werden geschlossen. Bei DB Cargo, wie die Güterbahn seit Mitte 2016 wieder heißt, geht es beständig abwärts. Mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro pro Jahr und einem Anteil von 23 Prozent in Europa ist sie zwar der Marktführer, schreibt aber seit Jahren Verluste. 2015 waren es 184 Millionen Euro plus Sonderabschreibungen auf Lokomotiven und Güterwagen. Allein in England, wo Kohle- und Stahltransporte immer mehr zurückgehen, werden 900 von 3000 Stellen gestrichen. Berthold Huber, Vorstand für Verkehr und Transport, sprach noch im Januar über grundlegende Reformen, um DB Cargo wieder aus der Verlustzone zu bringen. Im Güterverkehr soll es künftig wie im Personenverkehr einen festen Fahrplan geben, drei Viertel aller Züge sollen danach fahren. Den Einzelwagen, der beim Kunden abgeholt wird, soll eher die Ausnahme bleiben.

STUTTGART 21 Mit dem Milliardenprojekt, das Rüdiger Grube („Ich hätte Stuttgart 21 nicht gemacht“) von seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn übernommen hat und dessen Gesamtkosten mittlerweile bei 6,5 Milliarden Euro liegen, muss sich nun sein Nachfolger herumschlagen. Und diese Schlacht ums Geld wird vor den Gerichten ausgetragen. Die Bahn will erreichen, dass sich das Land Baden-Württemberg, die Stadt, die Region und der Flughafen Stuttgart an den Mehrkosten beteiligen. Derzeit geht es um zwei Milliarden Euro, die von der Bahn vorfinanziert werden. Ob das ausreicht, weiß keiner so genau.

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