HauptversammlungLetzter Auftritt voller Emotion für „Herrn Bayer“

Lesezeit 4 Minuten
Werner Baumann, Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG

Werner Baumann, Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG, verlässt den Konzern in vier Wochen.

Die letzte Hauptversammlung von Bayer-Chef Werner Baumann verlief in Phasen emotional und kontrovers. 

Es war sein letzter großer Auftritt. Und bei dem ansonsten so sachlich auftretenden Bayerchef Werner Baumann war die Emotionalität des Moments phasenweise deutlich zu spüren. Nach sieben Jahren an der Spitze und insgesamt 35 Jahren im Leverkusener Konzern stand Baumann am Freitag zum letzten Mal bei einer Hauptversammlung vor den Aktionärinnen und Aktionären – wenn auch rein virtuell.

Baumann sprach routiniert über erreichte Finanzziele, den Verlauf der US-Prozesse zum Thema Glyphosat, die Zeitenwende durch Krieg, Inflation und Lieferengpässe. Der Konzern sei insgesamt „sehr gut“ aufgestellt sei und stehe auf einem starken und robusten Fundament. Mit dem Aktienkurs aber sei er nicht zufrieden, räumte Baumann ein. Auch auf Druck der Investoren muss er nun schon in vier Wochen den Vorstandsposten räumen – woraus der Bayer-Chef in einem kleinen Versprecher „vier Jahre“ machte. Er sei sich sicher, dass Bayer die beste Zeit noch vor sich habe.

Scharfe Kritik

Auch Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann holperte leicht bei seinen Dankesworten an Baumann, in dem er ihn versehentlich als „Herrn Bayer“ ansprach. Für den scheidenden Manager gab es Lob, etwa von den Arbeitnehmervertretern. Betriebsratschefin Heike Hausfeld bedanke sich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit „beim Bayer“. Man habe hart gerungen und sei doch immer zu fairen Lösungen gekommen. Auch Marc Tüngler, Aktionärsvertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) betonte, dass man die Amtszeit von Baumann nicht nur auf die Monsanto-Übernahme reduzieren solle - auch wenn es Baumann war, der den Kauf, der einigen heute als Fehler erscheint, massiv vorangetrieben hatte.

Die damit verbundene kostspielige Klagewelle wegen des Unkrautvernichters Glyphosat belastet den Konzern und vor allem aber den Aktienkurs bis heute. Und so gab es auch scharfe Kritik: „Ihre Amtszeit als Vorstandschef waren aus Sicht der Aktionäre verlorene Jahre“, sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment. „Ein weiter so kann es nicht geben. Die Bewertung der Bayer-Aktie ist ein Trauerspiel.“

In gut vier Wochen, am 1. Juni wird Bill Anderson den Vorstandsvorsitz übernehmen. Der ehemalige Roche-Pharmachef kann sich derzeit noch über Vorschusslorbeeren der Investoren und Analysten freuen, die ihm einen Kurswechsel zutrauen.

Umstrittene virtuelle Hauptversammlungen

Zu den wichtigsten Themen der Aktionärsversammlung gehörte der Plan, sich in Zukunft nur noch virtuell zu treffen. Das stieß bei fast allen Rednern auf Widerspruch: „Einer Bayer-AG steht es gut zu Gesicht, eine Präsenz-Hauptversammlung abzuhalten“, sagte zum Beispiel Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Auch die von der Konzernspitze angeführte Kostenersparnis sei nicht so relevant: Das Aktionärstreffen am Freitag koste rund 2,2 Millionen Euro, sagte Finanzvorstand Wolfgang Nickl auf eine entsprechende Nachfrage. Die letzte Präsenz-Hauptversammlung vor der Corona-Pandemie am letzten Freitag im April 2019 habe 3,5 Millionen Euro gekostet. Doch das Wort der Aktionärsvertreter hatte nicht das erforderliche Gewicht. Knapp 79 Prozent der Anteilseigner zeigte sich einverstanden mit dem Plan, auch die nächsten beiden Hauptversammlungen virtuell abhalten zu können. Dieses Mandat hat der Vorstand.

Auf erheblichen Widerstand stieß auch der Plan, Norbert Winkeljohann an der Spitze des Aufsichtsrats zu belassen. Er ist außerdem stellvertretender Chef-Aufseher der Deutschen Bank, was durchaus als anstrengendes und anspruchsvolles Mandat gelten darf. Dazu kommen Funktionen bei der Bohnenkamp AG, der Georgsmarienhütte-Holding und der Sievert SE.

Winkeljohann berichtete von je rund 120 Arbeitstagen im Jahr, die er Bayer und der Deutschen Bank widme. Die anderen drei Aufsichtsposten bei Unternehmen, die nicht an der Börse sind, erforderten viel weniger Aufwand. Und: Er halte keine Vorlesungen mehr an der Goethe-Universität in Frankfurt. Das schaffe ihm erheblich mehr Freiräume. Zusammengefasst: Bayers Chef-Aufseher hat genug Zeit, dem Vorstand auch weiterhin genau auf die Finger zu schauen. Auch das verfing bei einer Mehrheit: Winkeljohann wurde mit – allerdings mäßigen – 79,6 Prozent wieder in den Aufsichtsrat gewählt.

Nicht gut an kommt bei Bayers Aktionären das System, nach dem der Vorstand bezahlt wird: Nur 52,3 Prozent stimmten dem Vergütungsbericht zu. „Damit könne wir nicht zufrieden sein“, kommentierte Aufsichtsratschef Winkeljohann. Da soll bis zur nächsten Hauptversammlung im April 2024 nachgebessert werden.

Nachtmodus
KStA abonnieren