Offline im AlterWie Digitalisierung zum Hindernis werden kann

Lesezeit 2 Minuten
Illustration: Ein Mann und eine Frau schauen auf ihre Smartphones.

Viele Dienste werden nur noch digital angeboten. Vor allem ältere menschen fühlen sich oft abgehängt.

Viele alltägliche Handlungen sind digitalisiert. Doch was bedeutet das für Seniorinnen und Senioren, die da nicht mehr mitkommen?

Die 73-jährige Ewa hat das Internet bis vor einem Jahr nie benutzt. „Die jungen Leute sind geboren mit Computern und dem Internet. Für uns ist das alles zu viel“, klagt sie. „Doch im Rathaus, bei der Krankenkasse, beim Optiker – man muss überall online Termine machen. Ich muss das bedienen können.“

Und so kommt sie einmal in der Woche in die Berliner Stadtteilbibliothek Haselhorst. Hier lernt sie in einem Kurs der Arbeiterwohlfahrt gemeinsam mit anderen Senioren und Seniorinnen, wie man ein Mailprogramm einrichtet, Fotos und Videos macht oder in Videokonferenzen geht.

Digitale Wende Nährboden für Altersdiskriminierung

Laut Alternsforscher Hans-Werner Wahl hat die digitale Wende viel Nährboden gegeben, Altersdiskriminierung – also Diskriminierungen wegen des Lebensalters – zu verstärken.

„Da hört man dann: ,Das können die Alten doch nicht. Das sollte man gar nicht erst versuchen’“, sagt Wahl von der Uni Heidelberg. „Beim Deutschlandticket gibt es inzwischen auch andere Wege, als es online zu beantragen. Aber da muss man sich teils in langen Schlangen anstellen und Termine im Rathaus sind oft viel leichter online zu bekommen.“

Beim Deutschlandticket gibt es inzwischen auch andere Wege, als es online zu beantragen. Aber da muss man sich teils in langen Schlangen anstellen und Termine im Rathaus sind oft viel leichter online zu bekommen
Alternsforscher Hans-Werner Wahl

Doch wann gilt man überhaupt als alt? In der Alternswissenschaft wird häufig die Grenze von 60 oder 65 Jahren genutzt. Inzwischen wird oft auch in ein drittes und viertes Lebensalter unterteilt – also einmal die 60- bis 80-Jährigen und einmal 80-Jährigen und Älteren.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamt hat 2022 gut ein Sechstel (17 Prozent) der 65- bis 74-Jährigen in Deutschland noch nie das Internet genutzt und einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen zufolge führt das zu Problemen in vielen Lebensbereichen. Besonders gelte das für die öffentliche Verwaltung und den Bankensektor.

Es darf nicht sein, dass wir uns darauf verlassen, dass das jemand anders für die Person macht. Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass alle mitgenommen werden
Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes

Aus Sicht des Alternsforschers Wahl haben ältere Menschen etwa den Prozess zur Grundsteuer als diskriminierend erlebt. „Klar, es gibt Zufallseffekte. Damit meine ich, dass man den Enkel dazu bekommt, einem das Programm zu erklären und dann klappt es irgendwie“, sagt Wahl. „Ich finde, alles, was in unserer Gesellschaft zu staatsbürgerlichen Verhaltensweisen gehört, darf nicht auf Zufallseffekten basieren.“

Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, hat sich des Themas angenommen. „Es darf nicht sein, dass wir uns darauf verlassen, dass das jemand anders für die Person macht. Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass alle mitgenommen werden“, sagt Ataman. (RND)


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.

KStA abonnieren