Aus der Backstube in den Stall

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Der promovierte Tierarzt Werner Meuser bei der Arbeit

Der promovierte Tierarzt Werner Meuser bei der Arbeit

Dormagen-Nievenheim - Der Duft von frischem Brot und frischem Heu begleitete den jungen Nievenheimer schon in seiner Kindheit. 1882 hatte sein Urgroßvater die Bäckerei Meuser gegründet. Sie existiert auch heute noch im alten Ortskern. Einschließlich der Aushilfen sind hier 25 Mitarbeiter beschäftigt. Bis Anfang 2000 zog sein Vater Theodor noch mit einem alten Verkaufswagen, vor den zwei Vierbeiner gespannt waren, durch die Umgebung und bot frisches Landbrot an. Die beiden Kutschen stehen heute in einer Scheune und werden nur noch zu besonderen Gelegenheiten herausgeputzt und eingesetzt. An ihre Stelle sind kleine Lieferwagen getreten, mit denen auch der heutige Betriebsinhaber vor allem am Wochenende die Filialen abfährt, um dort nach dem Rechten zu sehen.

Zur Bäckerei gehörte früher auch eine kleine Mühle. Ein weiterer Betrieb wurde an den Ortsrand ausgelagert, ein Bauernhof mit Pferden, Schweinen, Kühen und einigen Hühnern. Meusers Vater stand nicht nur in der Backstube, er züchtete „nebenbei“ auf seinem Bauernhof auch noch Traber. Sohn Werner zog schon als Zwölfjähriger ebenfalls mit dem Pferdegespann von Ort zu Ort, um Brot zu verkaufen.

Bäckerlehre

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Die Beschäftigung mit den Tieren, die Mitarbeit in der Bäckerei, aber auch der Ernteeinsatz in der Landwirtschaft formten den jungen Nievenheimer. Nach dem erfolgreichen Schulabschluss am Gymnasium mit der Reifeprüfung erfüllte Werner Meuser den Wunsch seiner Eltern und absolvierte zunächst beim Obermeister der Kölner Bäckerinnung eine Bäckerlehre: „So stand ich schon einmal auf soliden Füßen und hatte mir selbst die Möglichkeit geschaffen, später einmal die Familienbäckerei zu übernehmen.“ Doch die Bäckerausbildung reichte Meuser nicht. Er studierte an der Kölner Universität Betriebswirtschaftlehre und Volkswirtschaft und beendete sein Studium als diplomierter Volkswirt.

Die Kenntnisse, die er im Studium erwarb, kamen natürlich auch seinem eigentlichen „Hauptberuf“ in der Bäckerei zugute. Bis heute ist er etwa vier Stunden pro Tag als Bäcker tätig; vor einigen Jahren hat er die Betriebsleitung übernommen, freut sich aber weiter über die aktive Hilfe seiner Eltern: „Meine Hauptaufgaben bestehen in der Qualitätskontrolle und dem Management. Auch kümmere ich mich um die Gestaltung der Läden in den vier Filialen, die ich am Wochenende auch regelmäßig besuche.“ In der Backstube findet man Meuser nachts nicht, wohl aber in aller Frühe auf dem Feld, wenn Gras geschlagen oder Heu gewendet werden muss.

Promotion

Duftendes Brot, duftendes Heu: Das begleitete Meuser auch nach der Schulzeit. Doch er mochte auch Tiere. Und deshalb entschloss sich der diplomierte Volkswirt, Bäcker und Landwirt vor acht Jahren, ein zweites Studium zu beginnen, das des Tierarztes. Vor wenigen Wochen hat er in diesem Fach auch promoviert. Sein Thema: „Das Schmerzempfinden der Tiere“. Aus dem Doktortitel möchte Meuser aber kein großes Aufheben machen: „Ich bleibe, wie ich bin, und fühle mich als der typische Landarzt.“ Seine Tierarzt-Praxis, die er am Ortsrand in einem Bauernhof derzeit einrichtet, ist täglich von 11 bis 13 und 16 bis 18 Uhr geöffnet. Er arbeitet dort mit Kollegen zusammen. Sobald die Praxis einschließlich der Stallungen für Pferde und der Außenplätze vollständig ausgebaut ist, ist sie nach Angaben von Meuser immer mit zwei Personen besetzt. Und wenn der Vegetarier, der kein „Freund der Massentierhaltung“ ist, einmal unterwegs ist, kann er jederzeit von seiner Mitarbeiterin, die „Stallwache“ hält, über Handy erreicht werden.

Er behandelt sowohl Klein- als auch Großtiere, der Anteil hält sich die Waage. Kleinere Operationen werden in der Praxis in Nievenheim vorgenommen, bei größeren Fällen, etwa einer Hüft-OP oder Gelenkbehandlungen, arbeitet er mit befreundeten Tiermedizinern und Kliniken zusammen. Bleibt bei einem so ausgefüllten Berufstag - Meuser arbeitet nach eigenen Angaben durchschnittlich zwölf Stunden - und dem Spagat zwischen Bäckerei, Tierarztpraxis und Landwirtschaft noch Zeit für ein Privatleben? Seine Lebenspartnerin hat sich daran gewöhnt, dass ihr Werner gelegentlich durch den Tannenbusch läuft, um sich fit zu halten: „Und gerne sitzt er nach wie vor am Steuer eines Traktors, um das Heu zu wenden.“

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