Die Hochbahn der verpassten Chancen

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Der schwedische Industrielle Axel L. Wenner-Gren (Mitte) vor dem ersten Versuchs-Messezug im Oktober 1952.

Der schwedische Industrielle Axel L. Wenner-Gren (Mitte) vor dem ersten Versuchs-Messezug im Oktober 1952.

Müßig zu fragen, ob die Einschienenbahn, deren Prototyp sich heute vor 50 Jahren auf dem Versuchsgelände in der Fühlinger Heide zum ersten Mal in Bewegung setzte, die Nahverkehrsprobleme in Ballungszentren hätte lösen können. Aber spannend und aktuell ist sie allemal - angesichts einer Nord-Süd-Stadtbahn, deren vier Kilometer lange Trasse vom Hauptbahnhof bis zur Bonner Straße mehr als eine Milliarde Euro kosten wird.

Reinhard Krischer ist jedenfalls fest davon überzeugt, dass Köln mit der Alweg-Bahn in den 50er Jahren eine technische Revolution verschlafen hat. Sein Vater Rolf hat zwölf Jahre als Konstruktionsingenieur bei der Firma Alweg erst in Köln, später in New York und Seattle an der Entwicklung der Einschienen-Hochbahn gearbeitet, deren Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Zweischienensystem nicht nur für ihn klar auf der Hand liegen: sicherer, Platz sparender, schneller und kostengünstiger als die konventionelle Stadtbahn. Und obendrein noch leiser, angetrieben von Elektromotoren, deren Kraft über Gummiräder auf die Betonschiene übertragen werden.

„Die Bahn wäre sicher nicht geeignet gewesen, sie durch enge Straßenschluchten zu schlagen“, sagt Krischer. Und als U-Bahn in engen Wohngebieten hätte sie ihren Sinn verloren. „Aber der Flughafen Köln / Bonn hätte schon viel früher aus seinem Provinzdasein erwachen können, wenn man dorthin eine Referenzstrecke gebaut hätte.“

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Der Schwede Axel Wenner-Gren („Alweg“) gründet 1951 die „Verkehrsbahn Versuchsgesellschaft“ mit Sitz in der Fühlinger Heide. Schon ein Jahr später, am 8. Oktober 1952, kann er die erste Teststrecke für unbemannte Versuchszüge unter den Augen von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard in Betrieb nehmen. „So einen Zug hatte die Welt noch nie zuvor gesehen“, erinnert sich Reinhard Krischer an die Erzählungen seines Vaters. „Mit der herkömmlichen Eisenbahn hatte er absolut nichts zu tun und wirkte bei Tempo 140 eher wie ein dicht über dem Boden entlang rasendes Flugobjekt.“

Weitere fünf Jahre später glauben die Alweg-Ingenieure, den Durchbruch endgültig geschafft zu haben. „Sie haben die Versuchsstrecke für einen Zug in Originalgröße gebaut, um der Politik zu beweisen, dass es sich dabei keineswegs um ein verkehrsplanerisches Luftschloss handelt.“ Doch bis auf Kölns Oberstadtdirektor Max Adenauer, der mit der Balkenbahn liebend gern die Bayer-Werke in Leverkusen über Opladen mit dem Wiener Platz in Mülheim verbunden hätte, fanden sich kaum Befürworter für das Projekt.

Nach Opladen fuhr damals eine hoffnungslos überlastete Linie O der KVB, nach Leverkusen die Deutsche Bundesbahn. „Die Kommunalplaner haben die Chance einfach nicht erkannt“, so Krischer. „Dabei hat Alweg sogar angeboten, den längsten Streckenabschnitt von zehn Kilometern selbst zu finanzieren, um endlich eine Referenzstrecke zu haben.“ Doch dazu kam es nicht, weil sich die beteiligten Städte nicht über die Finanzierung einig werden konnten. Die Linie O wird im Herbst 1956 eingestellt und durch Busse ersetzt. Die erste S-Bahn nach Leverkusen wird erst 35 Jahre später fahren - im Jahr 1991.

Krischer ist überzeugt, dass „Alweg in Köln das Opfer der Innovationsfeindlichkeit seiner Politiker geworden“ ist. Der Bahnpionier aus Schweden habe 1957 noch einmal Hoffnung geschöpft, als Bundeskanzler Konrad Adenauer in Begleitung seines Sohnes Max das Versuchsgelände in der Fühlinger Heide besichtigte. Mehrfach sei der Kanzler die Trasse entlanggefahren, im Führerstand und als Fahrgast. „Na, und wann baut ihr diese Bahn in Köln?“, habe er anschließend seinen Sohn gefragt und den Vorschlag gemacht, man möge entlang der Versuchstrasse doch Häuserattrappen aufstellen, um die Stadtwirkung zu testen.

Daraus wird nichts, in den 60er Jahren gibt es in Deutschland zwar einige Vorstudien für Bremen, Leipzig und das Ruhrgebiet - aber sie bleiben allesamt Papiertiger.

International bringt es das Alweg-Unternehmen, das sich 1967 voller Enttäuschung aus Köln verabschiedet, dagegen zu beachtlichen Erfolgen. Alweg-Bahnen fahren heute durch die Disneylands in Kalifornien, in Florida und Tokio, erstere schon seit 1959. Es sei nur ein Gerücht, so Krischer, aber danach müssen sich Disney und Alweg durch einen puren Zufall begegnet sein. „Walt Disney soll bei einer Europareise die Neusser Landstraße entlanggefahren sein, und dabei soll seine Frau die Bahn entdeckt und vor Freude gerufen haben: »Schau mal, Walt, da ist ja was du suchst«.“

In Seattle verkehren noch heute die Originalzüge, die Alweg 1962 zur Weltausstellung „Century 21“ baute, und der japanische Hitachi-Konzern, der Anfang der 60er Jahre von Alweg die Lizenzen erwarb, hat die Technik im Laufe der Jahrzehnte immer weiter entwickelt. Seit 1964 verbindet die Bahn die Innenstadt von Tokio mit dem Flughafen von Haneda, Züge nach dem Alweg-Prinzip sind auf dem ehemaligen Expo-Gelände von Osaka unterwegs. Die Monorail-Systeme von Kuala Lumpur und Las Vegas sind ebenfalls Nachfahren von Alweg. In Dubai wird die Einschienenbahn künftig zur künstlichen Palmeninsel Jumeirah fahren.

Nur in Köln ist sie in Vergessenheit geraten, und Reinhard Krischer wurmt am allermeisten, dass „sich hartnäckig das Gerücht hält, Alweg sei kläglich gescheitert“. Doch etwas anderes könne man wohl kaum erwarten von einer Stadt, „die nicht einmal in der Lage ist, dem Verbrennungsmotor ein Museum zu widmen, der von Otto und Langen in Deutz erfunden wurde und die Motorisierung der Welt bedeutet hat.“

Kommentar Seite 23

Reinhard Krischer: Alweg-Bahn. Technik, Geschichte und Zukunft der legendären Einschienenbahn. Transpress-Verlag Stuttgart, ISBN 3-613-71209-1, 128 Seiten, 16 Euro.

 www.alweg.com

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