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Kölner Sterne-RestaurantPottkind bietet „vegetarisches Menü für Fleischesser“

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Köln – Das auch in diesem Jahr wieder mit einem Stern vom Guide Michelin ausgezeichnete Restaurant Pottkind geht seinen eigenen, manchmal eigenwilligen Weg. Carte Blanche. Fünf-Gang-Menü. Heißt: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Ob klassisch mit Fleisch und Fisch oder vegetarisch, das Menü kostet 95 Euro, mit Weinbegleitung 145 Euro. Natürlich wird Rücksicht genommen auf Allergien oder Unverträglichkeiten, aber ansonsten hat der Gast keine Wahl. Seit Beginn der Fastenzeit gibt es bis Ostern nur ein vegetarisches Menü. Und das, obwohl nur etwa 10-15 Prozent der Besucher das normalerweise bestellen.

Vegetarische Sterneküche in der Fastenzeit

„Wir haben in der letzten Zeit versucht, unser vegetarisches Menü besser zu machen“, erklärt Küchenchef Enrico Sablotny, „aber bisher basierte das auf dem »normalen« Menü. Wir hatten Lust, jetzt mal ein von vorneherein vegetarisches Menü zu bauen. Man muss anders denken, wenn man Gerichte plant.“ Der Mittelpunkt eines Fleisch- oder Fischstücks fehle, deshalb müsse man die Gerichte anders aufbauen. Und Geschäftsführer Lukas Winkelmann ergänzt: „Wir wollten weg von einem Hauptdarsteller auf dem Teller, dem sich alles unterordnet.“

Vegetarischem Essen gehöre die Zukunft, meint Sablotny, „es wird mehr vegetarische Restaurants auch auf Sterneniveau geben. Ich verzichte privat gerne auf Fleisch, auch aus Tierwohlgründen, verzehre aber durchaus Ersatzprodukte. Wenn ich Lust auf Schnitzel habe, kann das auch aus Soja sein. Für die Menü-Idee ist das aber unerheblich, weil wir nicht versuchen, etwas nachzumachen.“ Die größte Herausforderung sei, Geschmacksintensität reinzubekommen.

Vegetarismus unter ökologischen Aspekten die Zukunft

„Wir wollten ja ein vegetarisches Menü für Fleischesser machen. 80 Prozent der Gäste sind Fleischesser, denen soll aber nichts fehlen. Wir wollen das zugänglicher machen.“ Die Nachfrage steige, „ich denke, in 40 Jahren gibt es mehr Vegetarier als Fleischesser, ob sie wollen oder nicht. Das Angebot wird nicht mehr da sein. Das ist auch unter ökologischen Aspekten die Zukunft. In dem aktuellen Menü spielt das nur eine untergeordnete Rolle, aber für uns ist interessant, ob wir ein gleichwertiges Menü ohne Fleisch hinkriegen.“

Normalerweise gibt es im Pottkind zum Brotgang einen Schinken. „Wir haben Möhren gebeizt, getrocknet, geräuchert“, sagt Slabotny. „Das erzeugt einen Schinkengeschmack. Das ist recht aufwendig, erfordert fünf, sechs Schritte und wir brauchen die dicksten Möhren, die wir kriegen können. Das wird dann ganz dünn aufgeschnitten, fast wie Bündner Fleisch.“ Winkelmann ist begeistert: „Abgefahren, wie viel von dem, was wir dachten, was Fleischgeschmack ist, von Gewürzen kommt und vom Rauch, also von der Behandlung.“

Man denke über die Dramaturgie eines Menüs nach, nicht über Ersatzprodukte. Es gehe nicht um die Erinnerung an ein Stück Fleisch. „In vielen gehobenen Restaurants sind mittlerweile die Hauptgänge das Langweiligste, weil sich dort alles der fantastischen Produktqualität des Fisch- oder Fleischstücks unterordnet“, so Winkelmann. „Bloss nicht den Fleischgeschmack überdecken – das macht den Teller aber langweilig. Ein Gericht vegetarisch denken erfordert einen neuen Ansatz. Gehobelte Champions in einem Dessert – das habe ich neulich in Frankfurt im Zwei-Sterne-Restaurant »Gustav« probiert – das war eine Offenbarung.“

In den letzten Monaten hat man kochend einige Komponenten entdeckt, die Sablotny und sein Team jeweils geschmacklich an Hühnchen erinnerten. „Das war nicht zielgerichtet, sondern hat sich ergeben.“ Wenn man Hefe backe und pulverisiere, schmecke die tatsächlich wie Hühnerhaut. „Oder wir haben Apfelscheiben fermentiert in einem zwei Jahre alten Sud, den unser Koch Marius mitgebracht hat – das schmeckt für uns fast wie Gänseleber.“ Auch gebratene Pilze, Krause Glucke oder Maitake-Pilze (die übrigens auch „Hen of the Wood“ heißen), schmeckten nach Hühnchen.

„Kein Huhn, schmeckt aber danach"

„Das haben wir kombiniert mit üblichen Beilagen zu klassischen Hühnergerichten wie Morcheln, Sherry oder Petersilie. Das Gericht ist also fast zufällig entstanden aus dem, was uns so interessiert. Das heißt jetzt „Kein Huhn, schmeckt aber danach“, sagt der Küchenchef. Auch die Dimensionen änderten sich, die Teller bestehen jetzt aus vielen gleichwertigen Puzzleteilen. Auch wenn der Ansatz auf Zufall basiert, bedingt er doch eine große Offenheit hinsichtlich der Ergebnisse. Nur wer sensibilisiert ist, sieht. Ein Ansatz, den man aus der Kunst kennt.

Als saisonale Vorspeise gibt es Gelbe Beete in Bienenwachs confiert, dazu Creme aus Eifeler Ziegenkäse und Hirse mit einer Art Vinaigrette aus süßem Rhabarber und einem milden, selbst gefertigten Kombutcha-Zitronenverbene-Essig.

Zweiter Zwischengang ist eine in Butter und Kreuzkümmel geschmorte violette Möhre mit einer Art Risotto aus gekeimtem Roggen mit schwarzer Knoblauchcrème und Sauerklee. Dazu gibt es eine Mole aus Nüssen, Kakao und Chili. Das ist sehr aromatisch und würzig. „Wenn der Gast hinterher sagt, er habe nichts vermisst, ist das das schönste Kompliment“, freut sich Lukas Winkelmann über die ausschließlich gute Resonanz.

Verzicht auf Fleisch keine Gefahr für Michelin-Stern

Dass der Verzicht auf Fleisch zur Gefahr für seinen Stern wird, glaubt er nicht. „Wir haben ihn dafür bekommen, dass wir machen, worauf wir Lust haben. Luxusprodukte wie Trüffel, Kaviar oder Hummer waren noch nie so unser Ding. Da hat sich jetzt nichts geändert. Wenn man unsere Küche versteht, ist da jetzt kein Unterschied.“

Bis Ostersamstag ist das vegetarische Menü gesetzt. Wie es dann weitergeht, daran arbeitet man aber längst. Dann gibt es wieder zwei Varianten, basierend auf guten eigenen Erfahrungen. „Wir haben einen großen Schritt gemacht“, sagt Enrico, „das wird auch Einfluss haben auf die Fisch- und Fleischgerichte, die dann kommen.“

Restaurant Pottkind, Darmstädter Str. 9, Südstadt, Tel.0221-4231 8030, Reservierung erbeten, geöffnet Di-Sa ab 18 Uhr