Prozess gegen Kurt Holl„Pro Köln“-Plakate abgehängt - Anklage wegen Kabelbindern

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Kurt Holl am Mittwoch im Kölner Amtsgericht.

Kurt Holl am Mittwoch im Kölner Amtsgericht.

Köln – Kurt Holl, Alternativer Kölner Ehrenbürger, zeigte sich nach der Verhandlung am Mittwoch kämpferisch: „Wir treiben das hoch“, sagte er im Amtsgericht, nachdem die Vorsitzende den Antrag seines Verteidigers auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt und beschlossen hatte, den Prozess mit noch zu ladenden Zeugen in ein paar Monaten fortzusetzen.

Der 76-jährige Ehrenvorsitzende des Rom e. V. ist der Sachbeschädigung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 27. April 2014 vor der Europawahl mit etlichen Mitstreitern 20 Doppelplakate der rechtsextremen Partei „Pro Köln“ in der Äußeren Kanalstraße, der Venloer und der Iltisstraße mit Hilfe eines Astschneiders von Lichtmasten entfernt zu haben.

In der Publikation „Nevipe“ des Rom e. V. heißt es: „Sie holten die Plakate herunter und übergaben sie unbeschädigt der Polizei.“ Während die Anzeige wegen Volksverhetzung, die die Aktivisten stellten, die Staatsanwaltschaft nicht zu Ermittlungen gegen Pro Köln veranlasste, beantragte diese wegen Sachbeschädigung den Erlass eines Strafbefehls mit der Aufforderung, an die Kölner Tafel zu spenden; andernfalls würden 450 Euro plus Gerichtskosten fällig. Dagegen legte Holls Anwalt Eberhard Reinecke Einspruch ein. Deshalb kam es zur Verhandlung.

Aktion gegen „ausländerfeindliche, rassistische Propaganda“

Ausführlich legte Holl dar, warum er die Aktion für gerechtfertigt hält. Sie habe sich gegen „ausländerfeindliche, rassistische Propaganda“ mit Plakaten gerichtet, auf denen etwa „Bürgermut stoppt Asylantenflut“ zu lesen war. Dies sei nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, sondern schüre Angst und Aggression. 2014 seien in Deutschland rund 700 Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt worden. Die Absicht von Pro Köln sei deutlich geworden, als die Rechtsextremisten vor Heimen demonstriert und die Bewohner „mit Hetzparolen beschallt“ hätten.

Reinecke begründete den Antrag auf Verfahrenseinstellung damit, die Anklageschrift sie viel zu wenig konkret; weder der genaue Ort noch die Uhrzeit der Taten würden genannt, auch nicht, wer aus der Gruppe jeweils Hand angelegt habe. Ob Holl dabei war, sei unklar, und der Schaden – ein Kabelbinder koste 4,5 Cent – lächerlich gering. Die Staatsanwältin bescheinigte dem Anwalt „kabarettistisches Talent“, und die Richterin entschied, die Anklage sei „ausreichend konkretisiert“.

Unterdessen hat Tilman Zülch, Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker, gefordert: „Das couragierte Engagement von Kurt Holl gegen Volksverhetzung darf nicht bestraft werden.“ Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma argumentiert: „Auch eine scharfe Reaktion wie das Abhängen der Plakate muss generell von der Meinungsfreiheit gedeckt sein da es nicht nur um Wahlkampf, sondern um den verfassungsmäßigen Schutz von bedrohten Menschen und Minderheiten geht.“

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