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Flüchtende erreichen KölnSülzerin räumt ihre Wohnung für ukrainische Familie

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Raisa Paschchenko (v.l), Anna Paschchenko, Elena Dymura und die Kinder Lisa, Marina und Anastasia

Köln – Elf Tage nachdem der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine angegriffen hat, fliehen weiter täglich tausende Menschen aus dem osteuropäischen Land. Die Vereinten Nationen schätzen, dass vier bis sieben Millionen Menschen flüchten werden, alleine Polen hat bislang eine Million Menschen aufgenommen.

Auch nach Köln kommen seit vergangener Wochen immer mehr Menschen aus ukrainischen Städten wie Kiew, Lviv oder Odessa. Weil nicht alle Geflüchteten bei Verwandten unterkommen und auch die Stadt irgendwann an ihre Grenzen kommen könnte, die Geflüchteten unterzubringen, wird privater Wohnraum gesucht. Die Sülzerin Sybille Leuer (44) hat bereits auf unkonventionelle Weise geholfen.

Tochter Anna studiert Germanistik an Universität zu Köln

Es war am vergangenen Mittwoch als Leuer, die beim Versicherer Gothaer in Zollstock arbeitet, eine E-Mail ihres Geschäftsführers erreichte. Dieser hatte von einem ehemaligen Mitarbeiter erfahren, dass sich die ukrainische Familie Paschchenko/Dymura bereits auf der Flucht in Richtung Köln befand. Die Familie hatte sich für das Rheinland entschieden, weil Tochter Anna (28) an der Kölner Universität Germanistik und Anglistik studiert. Aber wo sie unterkommen konnte, war ihnen nicht klar.

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Leuer selbst hatte an diesem Tag bereits den Entschluss gefasst, ihre Wohnungen ukrainischen Flüchtenden zur Verfügung zu stellen und im Internet schon nach Menschen gesucht, die sie hätte aufnehmen können. Die E-Mail ihres Arbeitgebers erwies sich als glückliche Fügung.

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Dann ging alles ganz schnell. Ex-Kollege und Geschäftsführer stellten den Kontakt zwischen Leuer und der ukrainischen Familie her, und schon am Donnerstag konnten die fünf Personen in Sülz einziehen. Leuer selbst kam mit ihren beiden Hunden bei ihrer Mutter unter, die ein Haus in Weiß hat. Dort lebt sie nun in ihrem alten Kinderzimmer.

„Ich wollte einfach etwas machen“, sagt sie. Vorbild sei auch das Engagement der Schauspielerin Marielle Millowitsch gewesen. „Ich hatte 2015 einen Bericht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gelesen über Frau Millowitsch, die ihre Eigentumswohnung Geflüchteten zur Verfügung gestellt hatte. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis.“ Zunächst soll die ukrainische Familie bis Ende März in Sülz wohnen können. „Danach sehen wir weiter“, sagt Leuer.

„Keiner hat geglaubt, dass Putin wirklich angreift“

Familie Paschchenko/Dymura hätte sich vor zwei Wochen nicht vorstellen können, dass sie ihre Heimat verlassen und sich in Köln wiederfinden würden. Sie lebte in der Universitätsstadt Kropywnyzkyj, einer Kommune mit 230.000 Einwohnern im Zentrum der Ukraine. Mutter Raisa Paschchenko (64) befindet sich im Ruhestand, Tochter Elena Dymura (41) arbeitet als Einzelhandelskauffrau.

Ihre Tochter Anastasia (16) macht eine Ausbildung als Schneiderin, Marina (15) und Lisa (9) besuchen die Schule. „Ich war schockiert, keiner hat geglaubt, dass Putin wirklich angreift“, sagt Dymura auf ukrainisch, während Anna Paschchenko übersetzt.

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Der Angriff stellte ihr Leben auf den Kopf. Dymura berichtet, wie die Lebensmittel in Kropywnyzkyj immer knapper wurden, wie die Menschen aus Panik die Geldautomaten leerräumten. Wie den Apotheken die Medikamente ausgingen und die Preise für manche Waren wie Taschenlampen explodierten. Sie mussten sich im Badezimmer versteckten, wenn die Sirenen vor Bomben und Raketen warnten, weil der Weg vom neunten Stock ihrer Wohnung in den Keller zu weit gewesen wäre. Bomben fielen zum Glück nicht. „Wir haben aber schlecht geschlafen, weil wir Angst um unser Leben und das Leben unserer Kinder hatten.“ Die jüngste, Lisa, schrecke heute noch hoch, wenn sie eine Polizeisirene höre.

Kein Wunder, dass drei Tage nach Kriegsbeginn der Plan reifte, aus der Ukraine zu fliehen. Doch Kropywnyzkyj zu verlassen, war alles andere als einfach. Busse und Bahnen seien nicht mehr gefahren, ein Auto hatte die Familie nicht. So musste sie nach freiwilligen Helfern im Internet suchen, die eine Mitfahrgelegenheit anboten. Am Sonntag hatten sie Erfolg. Ein Helfer brachte sie nicht nur nach Lviv im Westen der Ukraine, sondern ließ sich den Transport nicht teuer bezahlen. „Er wollte nur die Spritkosten.“

Chaotische Szenen

Am Bahnhof in Lviv spielten sich chaotische Szenen ab. Überfüllte Bahnsteige, überfüllte Züge. Menschen, die sich drängen, um in einen Zug nach Polen zu kommen. Die Familie schaffte es in den Zug, fuhr zwölf Stunden lang in die polnische Grenzstadt Przemysil, wo es ihnen gelang, einen Zug nach Warschau und Berlin zu nehmen. Dort trafen sie mit Tochter Anna zusammen, die sie mit nach Köln nahm. Die Fahrt im ICE war dank eines Angebots der Deutschen Bahn kostenlos. Nach 100 Stunden Flucht kam die Familie in Köln an.

Zu ihrem Mann, der in der Ukraine zurückgeblieben ist, hat Dymura jeden Tag Kontakt. Er hatte sich den Milizen anschließen wollen, um seine Heimat gegen Russland zu verteidigen. Doch offenbar hatten sich in den vergangenen Tagen so viele Ukrainer freiwillig gemeldet, dass die Milizen eine Art Aufnahmestopp verhängt haben. „Er ist daher zu Hause, passt auf die Wohnung auf und füttert die Katzen“, sagt Dymura. Auch der Vater, der sich noch im wehrpflichtigen Alter befindet, muss nicht kämpfen, weil er unter einer chronischen Erkrankung leidet.

Putin will seine Macht beweisen

Die Familie ist glücklich über die Wohnung, die ihr Leuer zur Verfügung stellt. Doch wie es wirklich weiter geht, wissen sie nicht. Sie haben fast ihren gesamten Besitz in der Ukraine gelassen. Leuer ist erstmal einkaufen gegangen, damit der Kühlschrank voll ist. Lisa, die Neunjährige, soll vermutlich schon bald in einer Grundschule in der Innenstadt lernen. Die anderen würden lieber heute als morgen zurück in die Heimat kehren und schauen mit bangem Blick auf den Krieg.

Dymura hofft auf einen Sieg der Diplomatie und dass der Krieg schnell vorüber sein wird. Mutter Raisa ist skeptischer: Putin wolle seine Macht beweisen, für die Ukraine sehe die Lage nicht gut aus, sagt sie und weint. Alle sind sie stolz auf ihr Land, das der Übermacht der Russen so lange widersteht.