Kölner Drach-ProzessAbgesetzter Gutachter sprach von „Hass“ – Richter zieht Konsequenzen

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Der Angeklagte Thomas Drach sitzt im Landgericht neben seinem Anwalt Andreas Kerkhof bei der Fortsetzung des Prozesses.

Der Angeklagte Thomas Drach im Landgericht neben seinem Anwalt Andreas Kerkhof (l.)

Der spektakuläre Abgang eines Video-Gutachters im Strafprozess um Reemtsma-Entführer Thomas Drach hat nun Konsequenzen.

Der aus dem Verfahren um Reemtsma-Entführer Thomas Drach abgezogene Video-Gutachter George Rauscher erhält vom Landgericht Köln keinen Lohn, wie Gerichtssprecher Jan F. Orth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt. Der Vorsitzende Richter Jörg Bern begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass Rauscher von Hass gegenüber der Verteidigung gesprochen hatte.

Köln: Gutachter sprach von Haaransatz bei Kopfbedeckung

Der Gutachter sollte Überwachungsvideos mehrerer Raubüberfälle auf Geldboten mit Bildern von Thomas Drach abgleichen. Rauscher geriet unter Beschuss, nachdem er etwa von einem ähnlichen Haaransatz gesprochen hatte, obwohl der Räuber bei der Tatausführung eine Kopfbedeckung trug. „So ein Schwachsinn“, kommentierte das Drachs Verteidiger Andreas Kerkhof erzürnt.

Das Fass zum Überlaufen brachte aber eine Begegnung des Gutachters mit einem freien Journalisten vor der Cafeteria des Landgerichts. Rauscher soll diesem 100 Euro für eine positive Berichterstattung über ihn angeboten haben. Als der Reporter dies abgelehnt haben soll, habe Rauscher despektierlich geäußert, er habe es nur als Trinkgeld gemeint, wie er es etwa Kellnern oder Schuhputzern gebe.

Kölner Reporter meldete Vorfall bei Staatsanwaltschaft

Nachdem der Reporter den Vorgang der für den Drach-Fall zuständigen Staatsanwältin Anja Heimig gemeldet hatte und diese wiederum das Gericht informierte, wollte der Gutachter von sich aus hinschmeißen. Er bestritt die versuchte Geldzuwendung, hielt sich aber für psychisch nicht mehr in der Lage, als Gutachter weiterzumachen. Der Richter entließ den Mann, der nun kein Geld bekommt.

Zwei Ersatzgutachten haben den Tatverdacht gegen Thomas Drach zwischenzeitlich aber ebenfalls nicht ausgeräumt. Im Gegenteil: Der renommierte Kölner Sportwissenschaftler Prof. Wolfgang Potthast sah im Fall von Frankfurt am Main eine weit überwiegende, bis an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung zwischen Aufnahmen des Räubers und Drach.

Gespräch aus verwanztem Auto belastet Drach

Aktuell belastet Drach eine Unterhaltung zwischen dem niederländischem Mitangeklagten und dessen damaligem Mitbewohner in einem von der Polizei verwanzten Auto. In dem nach einer Vernehmung im Februar 2021 geführten Gespräch informierte der Mitbewohner den 54-Jährigen darüber, dass die Polizei Beweise für Drach als Täter bei Raubüberfällen in Deutschland habe.

Unter anderem schildert der Mann in dem Gespräch, dass die Polizei DNA-Spuren von „Thomas“ an einem bei einem Überfall genutzten Auto sichergestellt habe. Deshalb müsse besagter „Thomas“ aus „Holland verschwinden“. Ferner fragte er den 54-Jährigen, ob er seine Kleidung „von da, als du mit ihm zusammen warst“, verbrannt habe. Als dieser das bejahte, kommentierte der andere: „Sehr gut.“

Für die Staatsanwaltschaft ergibt sich aus dem Gespräch, dass Drach und der Mitangeklagte einen Überfall auf einen Werttransporter am Flughafen Köln/Bonn im März 2019 gemeinsam durchgeführt haben. Drach werden in dem Prozess vier Raubüberfälle auf Geldtransporter in Köln, Frankfurt am Main sowie Limburg an der Lahn zur Last gelegt. Ihm droht nun Sicherungsverwahrung. (mit dpa)

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