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Köln früher und heuteWie Deutz von einer Wohngegend zum Eventhotspot wurde

Lesezeit 3 Minuten
Josef Werker als Kind auf dem Roller bei einem Familienfest vor dem Elternhaus in Deutz, 1950.

Wie viele Kölner baute sich Josef Werkers Familie in Deutz aus Trümmerteilen ein einfaches Häuschen zusammen.

In unserer Serie „Köln früher und heute“ stellen wir wichtige Kölner Bauwerke, Plätze und Siedlungen vor. Diesmal: das Deutzer Zentrum.

Manchmal träumt Josef Werker noch heute von den Schauplätzen seiner Kindheit. Von dem alten Friedhof, in dem er mit seinen Kumpels Räuber und Gendarm spielte. Von der unheimlichen Bunkeranlage an der Constantinstraße. Von dem Trümmergrundstück, auf dem er fast von einem Stahlträger erschlagen worden wäre.

Auch in Deutz lag nach dem Krieg alles in Schutt und Asche

Das Deutz der frühen Nachkriegszeit hat den 80-Jährigen geprägt. Die Hindenburgbrücke, die den Stadtteil seit 1915 mit der Innenstadt verbunden hatte, war zerstört. Die Kölner kehrten über eine Behelfsbrücke in ihre Heimat zurück, wo sie ihre Häuser und Straßen oft nicht mehr wiedererkannten. Auch in Deutz lag alles in Schutt und Asche. Josef Werkers Eltern wagten den Neuanfang 1945 auf dem weitgehend unbebauten Gelände zwischen Gummersbacher Straße, Constantinstraße und dem Bahndamm östlich des Deutzer Bahnhofs.

Wie andere Familien bauten sie sich dort aus Trümmerteilen ein einfaches Häuschen zusammen, in dem fortan auch Josef Werkers Großeltern wohnten. Wenn noch mehr Familie kam, traf man sich meistens draußen, denn drinnen war nicht genug Platz. Gummersbacher Straße 1 lautete die neue Adresse. Josef Werker schrieb aus Versehen „Gummers 1 Bacher“ in sein Schulheft.

Josef Werker auf den Stufen zur Lanxess-Arena, dort, wo früher das Haus seiner Eltern stand.

Die Lanxess Arena wurde auf einen künstlichen Hügel gebaut.

Eine Kanalisation gab es nicht, dafür eine Sickergrube. Statt Auto ein Motorrad mit Beiwagen. Statt Supermarkt einen riesigen Garten, in dem Bohnen, Spargel und Erdbeeren gezogen wurden. „Aber nicht nur vegetarisch waren wir Selbstversorger“, sagt Josef Werker: „Zeitweilig hatten wir auch ein Schwein im Stall.“ Landwirtschaft mitten in der Großstadt.

Das Gelände am Bahndamm wurde zum Verkehrsübungsplatz und später zum Kirmesplatz umfunktioniert

Nach vielen Jahren in Bayern lebt Josef Werker heute wieder in Deutz. Verändert hat sich in der Zwischenzeit eine ganze Menge. Wo das kleine Häuschen stand, erhebt sich heute die Lanxess-Arena auf einem künstlichen Hügel wie ein riesiges Ufo über den Stadtteil. 1956 zog Josef Werker mit seinen Eltern in eine bessere Wohnung in Kalk, wo sein Vater bei der Chemischen Fabrik arbeitete.

„Aber ich fuhr von dort aus immer noch mit dem Fahrrad nach Deutz, weil ich dort im Kinderchor gesungen habe“, sagt er: „Dabei habe ich immer geguckt, ob noch alles da ist.“ Irgendwann war nichts mehr da: „Alles war platt gemacht.“ Auch sein Elternhaus. Das Gelände am Bahndamm wurde zunächst zum Verkehrsübungsplatz und später zum Kirmesplatz umfunktioniert, in den 1990-er Jahren dann zum großen Entertainment-Hotspot.

Auch die Umgebung, die Josef Werker als Kind wie einen großen Abenteuerspielplatz wahrnahm, ist kaum wiederzuerkennen. Geblieben sind nur das Druckhaus aus den 1930-er Jahren, der alte Friedhof und das Gebäude des ehemaligen Deutz-Kalker-Bads, in dem Josef Werker schwimmen lernte. Und natürlich schöne Erinnerungen an eine Zeit, die eigentlich alles andere als schön war. Aber Josef Werker fehlte es an nichts. Über das kleine Haus in Deutz schrieb er in sein Schulheft: „Wir hatten alles, uns Kindern ging es gut, es war für uns wie der Himmel auf Erden.“