Kölner CDU-Politiker Kienitz„Nur zu sagen, das Auto muss aus der Innenstadt raus, ist zu einfach“

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Ein Radfahrer fährt auf der neu angelegten Fahrradstraße in der Trankgasse am Dom in Köln.

Ein Radfahrer fährt auf der Fahrradstraße in der Trankgasse am Dom in Köln.

Wie geht es weiter mit den großen Themen? Im Interview spricht CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz auch über eine Lösung für die Bastei.

Herr Kienitz, die Grünen wollen keinen bis zu zwei Kilometer langen Tunnel durch die Innenstadt, die CDU will ihn schon. Können Sie trotz der unterschiedlichen Meinungen eine Entscheidung des Rates zur Ost-West-Achse bis zur Kommunalwahl 2025 versprechen?

Niklas Kienitz: Die CDU ist in der Frage eindeutig festgelegt, wir wollen einen Tunnel. Ziel ist eine Entscheidung vor der Wahl 2025 zu treffen, im besten Fall vor der Sommerpause 2024.

Aus den Fraktionen sind aber auch andere Stimmen im Hintergrund zu hören, die nicht daran glauben, dass es vorher eine Entscheidung gibt.

Wir sind uns im Bündnis einig, die Frage zügig zu entscheiden. Die Vorlage ist für das erste Quartal 2024 angekündigt.

Wäre das ein Thema für eine Bürgerbefragung?

Wir haben als Ratspolitiker durch die Kommunalwahl ein Mandat erhalten, um solch wichtige Entscheidungen zu treffen. Allerdings müssen wir, wenn die Entscheidung ansteht, eine breite öffentliche Diskussion über die positiven städtebaulichen Entwicklungsperspektiven des Tunnels führen. Der Tunnel bietet neue attraktive Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere für den Neumarkt, den Rudolfplatz und die Aachener Straße. Das ist Großstadt.

Wie wichtig ist es, dass das Bündnis trotz unterschiedlicher Meinungen ein Thema mit unterschiedlichem Abstimmungsverhalten im Rat entscheidet, damit es vorwärts geht? So viele große Themen hat das Bündnis bislang nicht abgeräumt.

Im Koalitionsvertrag ist geregelt, dass die Bündnispartner in dieser Frage unterschiedlich abstimmen können. Der Rat als Ganzes muss sich die Frage stellen, ob er eines der wichtigsten Projekte in dieser Wahlperiode entscheiden will oder nicht.

Teilen Sie den Eindruck, dass im Rat zu wenige große Entscheidungen getroffen werden?

Nein. Ich darf daran erinnern, dass wir uns bis vor Kurzem stark auf die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie konzentrieren mussten und den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Gleichzeitig haben wir aber auch Maßnahmenpakete für den Schulbau aufgesetzt. Jetzt sind wir wieder im Normal-Modus und schieben wichtige Themen an, wie zuletzt die Masterpläne für Sicherheit und Sauberkeit.

Die Ost-West-Achse ist ein milliardenschweres Großbauprojekt. Die Liste der Großbauprojekte wird nicht kürzer, trotzdem reagiert das Mehrheitsbündnis nicht auf die von der Verwaltung vorgelegte Liste. Hat das Bündnis zu wenig Mut zum Sparen?

Wir sind entschlossen, die geplanten und bereits beschlossenen Projekte weiter voranzutreiben. Das gilt für den gesamten Schulbau, große Infrastrukturprojekte, wie die Brücken und ebenso für den Anbau des Wallraf-Richartz-Museums. Auch der Bau der Neuen Historischen Mitte sollte gestartet werden, denn es ist jetzt möglich, den Roncalliplatz städtebaulich neu zu gestalten und damit den Auftakt der europaweit einmaligen „Via Culturalis“ zu bilden. Gleichwohl müssen wir überprüfen, ob Projekte gegebenenfalls später realisiert werden sollten.

Kann die Stadt denn jedes Denkmal wie die Bastei retten?

Die Frage ist, ob die Stadt das alles selbst machen muss oder ob sie es nicht privaten Investoren in einem Erbpachtmodell überlassen kann. Das gilt auch für die Bastei, ein Thema, das im nächsten halben Jahr gelöst werden muss.

Der Denkmalschutz sieht einen größeren Balkon kritisch und hat die Pläne eines Interessenten abgelehnt. Muss der Denkmalschutz an der Stelle nicht zurücktreten, um eine wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden?

Es gibt die Option einer großen Fläche für eine ebenerdige Außengastronomie unterhalb der Bastei, das wäre eine gute Alternative zum Balkon.

Das Bild zeigt Niklas Kienitz.

Niklas Kienitz im Interview.

Wie geht es am Laurenz-Carré am Dom weiter? Dort ist Baustopp.

Das ist eine schwierige Situation, denn die Rahmenbedingungen des Immobilienmarkts haben sich durch die gestiegenen Baukosten und Zinsen innerhalb weniger Monate so massiv verändert, dass zum ursprünglich kalkulierten Verkaufspreis keine Käufer mehr zu finden sind. Dennoch sollten die Oberbürgermeisterin und der Stadtplanungsdezernent Gespräche mit dem Investor führen, um zu klären, wie es an diesem für die Innenstadt wichtigen Grundstück weitergeht.

In der Tat wäre es fatal, wenn dort in zwei Jahren noch der Sommerflieder blüht.
CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz zur Baugrube am Dom

Die Baugrube am Dom bleibt erstmal?

In der Tat wäre es fatal, wenn dort in zwei Jahren noch der Sommerflieder blüht.

Aber das ist aktuell doch vermutlich die wahrscheinlichste Option?

Ich gehe davon aus, dass eine Lösung gefunden wird.

Die Domumgebung und die fehlende Sauberkeit sind ein Thema in der Stadt. Die Verwaltungsspitze beschäftigt sich nun damit.

Das wurde auch allerhöchste Zeit, denn das ist bis in die Außenbezirke ein Problem. Es gibt zu wenige gute Beispiele, wie die Ostseite des Doms, und es gibt viel zu viele schlechte Beispiele, die wir tagtäglich selbst sehen. Viel zu oft scheitert das am Zuständigkeits-Wirrwarr zwischen Stadt, Kölner Verkehrs-Betrieben oder der Deutschen Bahn. Wir brauchen aber auch mehr Problembewusstsein bei jedem Einzelnen, der seinen Kaffeebecher oder die Zigarette einfach auf die Erde schmeißt.

Wie geht es weiter mit dem Breslauer Platz und dem blauen Zelt für die Musicals?

Es muss jetzt Feierabend sein mit dem Provisorium. Jetzt, weil das Musical nach dem Start der im nächsten Herbst vereinbarungsgemäß ins Staatenhaus ziehen wird. Wir müssen uns jetzt Gedanken dazu machen, was an dieser prominenten Stelle der Stadt entstehen soll. Dabei müssen wir abwägen, ob das Ergebnis des Wettbewerbs für Neubauten von 2007 noch zeitgemäß ist. Unter anderem könnte der Platz ja auch eine Station für eine Seilbahn sein.

Das Bild zeigt den Musical Dome.

„Es muss jetzt Feierabend sein mit dem Provisorium“, fordert Niklas Kienitz.

Die CDU ist seit 2015 in einem Bündnis mit den Grünen, zunächst als stärkerer von zwei Partnern, aber ohne Mehrheit im Rat, seit 2021 in einem Dreierbündnis mit Volt und als nur noch zweitstärkste Kraft. Haben Sie langsam genug von den Grünen?

Bündnisse basieren immer auf Kompromissen und unser Bündnis-Vertrag gilt bis 2025. Christiane Martin (Grünen-Fraktionschefin, Anmerkung der Redaktion) hat im Frühjahr das Bild einer Wohngemeinschaft benutzt…

…und schauen Sie sich schon nach neuen WG-Partnern um?

Wir tun das aktuell nicht und die Grünen nach meiner Einschätzung auch nicht. Zudem sind die Alternativen im Rat ja jetzt auch nicht so einladend.

Sie sprechen von der SPD?

Ja, der SPD fehlt ein klarer Kompass für Köln. Das Bündnis hat viele Themen vorangebracht. Wir haben aber auch unterschiedliche Auffassungen, wie zu den Verkehrsversuchen. Wenn ich es mit einer WG vergleiche: Dort gibt es auch mal Streit, und so gibt es auch unterschiedliche Vorstellungen, wie eine Großstadt aussehen soll. Auf der Deutzer Freiheit Holzmöbel aufzustellen und die Straße bunt anzumalen, ist für mich nicht Großstadt.

Sind die Gemeinsamkeiten von CDU und Grünen nicht langsam aufgebraucht?

Wir haben enorm wichtige Themen bis zur Kommunalwahl 2025 zu lösen: Obdachlosigkeit, Drogenkonsum im öffentlichen Raum, Sauberkeit und Sicherheit, Klimawandelfolgenanpassung und natürlich auch die Fragen der Mobilität. In diesem letzten Punkt streiten wir oft über den Weg, beim Ziel sind wir aber doch nahe beieinander.

Ist das wirklich so? Die CDU will ein bisschen weniger Autos und die Grünen wollen ein bisschen viel weniger Autos. Das ist doch nicht dasselbe Ziel.

Weniger Autos sind auch nicht das Ziel, sondern das Mittel zum Zweck. Unser gemeinsames Ziel ist ein attraktiver öffentlicher Raum. Für den Weg dahin braucht es eben Kompromisse, denn wir haben uns auf einen Prozess eingelassen, um unter anderem ein Grundnetz für den motorisierten Individualverkehr auszuarbeiten.

Vor allem die Verkehrsversuche sind umstritten.

Ja! Sie fügen sich nicht in ein Gesamtkonzept ein. Nehmen Sie die Trankgasse: Ich sehe da überhaupt keinen Mehrwert für den öffentlichen Raum. Wenn das so bleibt, dann ist das auf Jahre eine stillgelegte Straße und die Menschen laufen vor die Mauer an der Domplatte. Das ist zu eindimensional, zu profan und kann nicht die Antwort auf die Fragen der Gestaltung des öffentlichen Raums am Dom sein. Nur zu sagen, das Auto muss aus der Innenstadt raus, ist zu einfach. Politik muss das Gesamtbild im Auge haben.

Warum handelt Verkehrsdezernent Ascan Egerer so? Ist es doch eine ideologische Frage?

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Das müssen sie ihn fragen.

Schadet Egerer damit der Stadt Köln?

Wir werden sehr eng mit Herrn Egerer im Gespräch bleiben.

Damit er seine Arbeit ändert oder an seiner Kommunikation arbeitet?

Damit er zum Wohle der Stadt arbeitet.

Bis wann muss die CDU einen OB-Kandidaten oder -Kandidatin gefunden haben?

Das ist eine Sache der Partei, aber meiner Meinung nach sollte das bis zum Herbst 2024 der Fall sein, mit ausreichendem Abstand zur Kommunalwahl. Allerdings muss sich aktuell jeder in der CDU die Frage stellen, wie er Verantwortung übernehmen will, damit wir 2025 die Kommunalwahl gewinnen und die Oberbürgermeisterin oder den Oberbürgermeister stellen.


Niklas Kienitz, 47, ist seit 2014 Fraktionsgeschäftsführer der Kölner CDU-Fraktion. 2021 sollte er Stadtentwicklungsdezernent werden, zog nach seiner Wahl aber zurück, begründete den Schritt unter anderem mit Anfeindungen gegen seine Familie wegen seiner Beteiligung an der Stadtwerke-Affäre. Kienitz war auch schon Leiter des Stadtentwicklungsauschusses.

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