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„Was Freiheit mir bedeutet“Isaac Julien-Ausstellung in Düsseldorf

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Bild ist eine Frau in einer historischen Tracht zu sehen, sie trägt ein blaues Kleid und sitzt auf einem Stuhl. Vor ihr ein Hocker, im Hintergrund auf einem Tuch das Bild eines Waldes. Im Hintergrund eine alte Kamera mit einem Gestell aus Holz.

Isaac Julien The Lady of the Lake (Lessons of the Hour), 2019, Framed photograph on gloss inkjet paper mounted on aluminium Framed size: 160 x 213.3 cm (63 x 84 in)

Im K 21 widmet sich Isaac Julien der Frage nach dem Wert der Freiheit und kommt zu überzeugenden Antworten. Eine unbedingt sehenswerte Ausstellung.

Reihenweise Regale mit afrikanischen Artefakten, Museumsvitrinen, Skulpturen auf Sockeln und ein arbeitender Bildhauer, Gemälde an der Wand, miteinander tanzende Schwarze und weiße Männer, Musik und zauberhaft leicht in beide Richtungen fallender Schnee.

In den Filmprojektionen auf fünf Videowänden, verdoppelt und verdreifacht noch von ebenso großen Spiegeln an den Wänden, wird ein Kapitel der Geschichte afrikanischer Kunst und ihrer kolonialen Aneignung erzählt. Im Zentrum steht der Philosoph, Kunsttheoretiker und Hauptakteur der Harlem Renaissance Alain Locke (1885-1954) in seinem Verhältnis zu dem amerikanischen Sammler Albert C. Barnes (1872-1951), der einer der bedeutendsten Sammler afrikanischer materieller Kultur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Es wird über die Kunst der Moderne und ihre Inspiration durch Afrika geredet, über die afrikanische Moderne, es geht um Plünderung und koloniale Ausbeutung, um die lange geforderten Rückführungen. In den Spiegeln sehen wir immer wieder auch uns selbst.

Isaan Julien zeigt im K 21 in Düsseldorf sein Werk

Der britische Installationskünstler und Filmemacher Isaac Julien (* 1960) ist mit seinen grenzüberschreitenden kinematografischen Installationen längst ein international gefeierter und hochgeehrter Künstler: 2022 Kaiserringträger der Stadt Goslar, in die Jury zur Oscar-Verleihung berufen und von König Charles zum Ritter geschlagen, im Jahr davor Jurymitglied für das 37. Sundance Film Festival und und und, die Kunst- und Filmwelt ist gleichermaßen begeistert.

Die raumgreifende Fünfkanal-Projektion „Diasporic Dream-Spave No 2 (Once Again... Statues Never Die)“ von 2022 ist seine jüngste Arbeit. Aber auch hier tauchen immer wieder längere Sequenzen aus früheren Arbeiten oder dokumentarische Fundstücke auf. Die Kunstsammlung NRW zeigt im K 21 eine erste Überblicksausstellung in Deutschland: „Isaac Julien. What Freedom is to me“ (Was Freiheit mir bedeutet), ein Titel, geliehen von der Jazz- und Bluessängerin und Bürgerrechtsaktivistin Nina Simone. Ihre Antwort: „Keine Angst!“

Ausstellung setzt sich mit Kolonialismus und afrikanischer Geschichte auseinander

In den frühen 1980er Jahren studierte Julien am Londoner Central Saint Martins College of Art and Design Film und Malerei; sein Fokus schon damals war besonders auf den experimentellen Film gerichtet, auf die Zwischentöne und Zwischenstufen, die Expansion von Film und Malerei. „Es war mir wichtig, alles an Kategorien aufzulösen.“

Von Beginn an setzen sich seine Filme mit der Kultur und Geschichte des Kolonialismus, mit Diversität und Queerness, mit Rassismus und Ungerechtigkeit auseinander. Spielerisch befragen sie filmische und malerische Traditionen, verschieben Grenzen, zirkulieren zwischen Dokumentation und Fiktion.

Auf dem schwarz-weiß Foto ist die Installation zu sehen. Mehrere große Leinwände zeigen Fotografien.

Isaac Julien, What Freedom Is To Me, Installationsansicht, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2023.

Oft sind die Arbeiten auch direkte Reaktionen und Antworten auf Unruhen in den Black Communities. Sein erster Film „Who Killed Colin Roach?“ (1983) und die dazugehörige Fotoinstallation befasst sich mit dem Tod des 21-Jährigen, der 1982 am Eingang einer Londoner Polizeistation erschossen wurde. Die anschließende Vertuschung löste in ganz Großbritannien Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus, und motivierte Juliens Video- und Fotodokumentation. Auch die Arbeiten „Territories“ (1984) und „The Passion of Remembrance“, den er 1986 zusammen mit Maureen Blackwood gedreht hat, waren Reaktionen auf Unruhen oder symbolische Akte von Widerstand.

Der Regisseur war schon mit „Looking for Langston“ Teil des New British Cinema

Die Verwendung von Bild- und Tonmaterial aus Mainstream-Medien und Archiven, zusammengeschnitten und in Kombination mit fiktiven Szenen befragt darüber hinaus immer auch die Konventionen des Dokumentarfilms und die Stereotype in der Darstellung Schwarzer Erfahrungen. Ebenso findet sein eigenes Super 8-mm-Filmarchiv aus den Jahren 1981-1987 Verwendung in den Arbeiten. „Lost Boundaries“ von 1986 etwa ist eine Art filmisches Tagebuch, das eine verloren gegangene Filmpraxis bewahren möchte. Heute ist diese bekannt als Independent Film Workshop Movement und Teil einer sich damals etablierenden neuen künstlerischen Repräsentationspolitik und Schwarzen Avantgarde.

Schon mit seinem ersten Kinofilm „Looking for Langston“, empfiehlt Julien sich 1989 als Teil des New British Cinema. Für die Eingangsszene des Films übernimmt er das Klagelied, das die Schriftstellerin Toni Morrison 1987 auf der Beerdigung von James Baldwin in New York vorgetragen hatte. Der Film erinnert in seiner Bildsprache an alte Filme aus den 1920er Jahren. Die betörende Musik wie in einem mondänen Jazz-Club in Harlem trägt dazu bei, auch in diesen Film tief einzutauchen. Letztendlich verdeckt die sanfte Leichtigkeit der Bilder aber nur unzureichend den alles grundierenden Kontext von Rassismus, Homophobie und Ablehnung.

Julien vereint Kunst und Politik

Dieserart Bezugnahmen auf aktivistisches und politisches Geschehen ist ein zentraler Teil fast jeder der Arbeiten. Sei es die Frage nach dem Überleben von sexuellem Begehren unter dem Regime der Angst vor Aids („This is Not an AIDS-Advertisement“, 1987), sei es die Systematik einer erbarmungslosen Einwanderungspolitik, die die lange Geschichte von Grenzüberschreitung, von Bewegung über Länder und Kontinente hinweg, von Ankommen und Zurückweisung und von Verlust ignoriert: „Western Union: Small Boats“ (2007) und „Ten Thousand Waves“ (2010).

Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch zu sein, aber Isaac Juliens Kunst schafft es, gleichzeitig in hohem Maße ästhetisch und bedingungslos politisch zu sein.

Zur Ausstellung

Isaac Julien. What Freedom Is To Me. Düsseldorf, Kunstsammlung NRW K 21. Bis 14.01. 2024. Di-So 11-18. www.kunstsammlung.de