Flutkatastrophe„Mehr als beschämend“ – 632 Plünderungen und Diebstähle im Hochwassergebiet

Lesezeit 3 Minuten
Menschen räumen Schutt aus ihren Häusern. Das Hochwasser hat erhebliche Schäden in der Eifel angerichtet.

Menschen räumen nach dem Hochwasser im Juli 2021 Schutt aus ihren Häusern. In einigen der ungeschützten Gebäude wurde später geplündert.

Laut einem exklusiven Papier aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium wurden bisher 275 Tatverdächtige ermittelt.

Das Thema sorgte am 14. Februar für Brisanz in der Kabinettssitzung der schwarz-grünen Landesregierung. Im August 2022 hatte die AfD-Opposition einen langen Fragenkatalog zu den Plünderungen, Diebstählen und weiteren Straftaten während der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 gestellt. Gut ein halbes Jahr später erhielt das Parlament die 65-seitige Antwort des grünen Justizministers Benjamin Limbach.

In dem Papier, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, registrierten Justiz und Polizei 1057 Delikte, die mit der Flutwelle vom 14. auf den 15. Juli zusammenhängen. Nur knapp die Hälfte konnte bisher aufgeklärt werden. Bei den 632 Eigentumsdelikten haben die Beschuldigten „die Notsituation der Bevölkerung ausgenutzt“, heißt es in dem Bericht. Die Palette reiche von einfachem Diebstahl, bis hin zu schweren Strftaten in Hotels, Geldinstituten oder auf Baustellen.

Reihenweise seien Autos oder Schmuck entwendet worden. Der Report registriert Unterschlagungen, Raubüberfälle, Plünderung der Auslagen von Geschäften sowie Dutzende Wohnungseinbrüche. Von den 275 identifizierten Tatverdächtigen besaßen 196 keinen deutschen Pass. An der Spitze listet der Report 92 rumänische Staatsbürger auf, zwei Beschuldigte sind Mitglieder kurdisch-libanesischer Clans.

Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut

Plünderungen im NRW-Hochwassergebiet: 48 Täter wurden bereits verurteilt

Für die übrigene 425 Straftaten wurden etwa 350 Tatverdächtige ermittelt. Gut zwei Drittel von ihnen waren Deutsche. Bei diesen Verfahren ging es unter anderem um Brandstiftung, Körperverletzung, Subventions- und Sozialleistungsbetrug sowie Veruntreuungen und Umweltdelikte. Bisher erfolgten 48 Schuldsprüche, weitere 56 Delinquenten erhielten Strafbefehle. Gut 800 weitere Verfahren wurden eingestellt. Die Tatorte reichten von Köln, Düsseldorf, Aachen, Euskirchen, dem Rhein-Erft-Kreis, dem Rhein-Sieg- und Oberbergischen Kreis bis ins Ruhrgebiet, an den Niederrhein, Westfalen und ins Hochsauerland.

Die Zahl der Opfer von Straftaten bezifferte die Landesregierung auf 670 Personen. Daneben meldeten 237 Institutionen und 139 Unternehmen Verluste. „Der Schaden mit Bezug auf die Flutkatastrophe beträgt 1,814 Millionen Euro“, lautet das Resümee.

Plünderungen nach Jahrhundert-Flutkatastrophe „mehr als beschämend“

„Man muss sich die Situation der Opfer dieser Diebe einmal vergegenwärtigen“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion NRW, Andreas Keith. „Erst verliert man sein Eigenheim, sein Firmengebäude oder seinen Hof an die Flut. Dann nutzen dreiste Diebe die Not der Menschen aus und bereichern sich an deren letztem Hab und Gut.“ Ferner bemängelte der Parlamentarier, dass „es seitens des Landes bis heute keine Bemühungen gibt, diesen zusätzlichen Schaden durch Sonderzahlungen auszugleichen“.

„Natürlich ist es mehr als beschämend, wenn Menschen, die gerade eine Jahrhundert-Flutkatastrophe erleiden mussten, im Nachgang auch noch bestohlen werden“, betont Landrat Markus Ramers (SPD) aus dem besonders betroffenen Kreis Euskirchen. „Diese Eigentumsdelikte hat es kurz nach der Flut leider auch bei uns gegeben.“

Überwiegend aber seien „große Gruppen von hilfsbereiten Menschen ins Kreisgebiet gekommen, um beim Aufräumen zu unterstützen“, so der SPD-Politiker. Zudem habe die Polizei gleich nach der Flut Präsenz gezeigt, zum Teil verstärkt durch externe Kräfte. „Dadurch konnte die vergleichsweise hohe Zahl von Eigentumsdelikten, die im Juli 2021 zu verzeichnen war, im folgenden Monat deutlich gesenkt werden.“

„Wir haben aber überwiegend Hilfsbereitschaft erlebt“

Die Diebstähle empören auch Landrat Sebastian Schuster aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Die damalige „Situation für Plünderungen und Diebstähle zu missbrauchen“, sei „mit das Schäbigste und Niederträchtigste, was ich mir vorstellen kann“. Zum Glück jedoch hat der CDU-Politiker „überwiegend Hilfsbereitschaft und Miteinander“ erlebt. „Nicht nur die Rettungskräfte kamen, um zu helfen, sondern auch Nachbarn und Freunde der Opfer sowie Tausende Menschen aus dem gesamten Kreisgebiet“, so Schuster.

KStA abonnieren