Wetter in NRWViel Regen, milde Temperaturen – Wem nutzt, wem schadet das?

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10.02.2024, Nordrhein-Westfalen, Beverungen: Hochwasser an der Weser (Aufnahme mit Drohne). Foto: Christian Müller/Westfalennews/dpa

Hochwasser an der Weser – dieser Winter ist zu nass und warm.

Zu nass und zu warm – dieser Winter bricht Rekorde. Wie wirkt er sich auf Landwirtschaft, Natur, Mensch und Tier in NRW aus? Ein Überblick.

In Niedersachsen haben Bauern durch heftige Niederschläge teils erhebliche Ernteschäden erlitten. Das Wasser der übergetretenen Weser stand zeitweise bis zu zehn Tagen auf den Feldern der Landwirte. Meteorologen der Uni Köln bestätigen den nassesten Winter im Nordwesten Deutschlands seit Aufzeichnungsbeginn. Zeitgleich meldet der Deutsche Wetterdienst den wärmsten Februar seit 1990.

Hinter dieser Rekordentwicklung steht letztlich die Klimakrise – aber welche Folgen haben die niedrigen Temperaturen und der starke Regen auf Landwirtschaft, Natur, Mensch und Tier in NRW?

Land unter bei Landwirten in Niedersachsen – Bauern in NRW bleiben verschont 

Was den enormen Regen betrifft, sind die Bauern in NRW glimpflich davongekommen. „Mir sind keine größeren Ackerflächen bekannt, die überflutet wurden oder länger unter Wasser standen“, sagt Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauern in Bonn.

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Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauern in Bonn.

Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauern in Bonn.

Im Getreideanbau könne es zwar vorkommen, dass in Senken Wasser stehe und dadurch Schäden entstehen können – dies betreffe aber keine großen Ackerflächen, sagt Muß. Die nassen, teils matschigen Böden verzögerten zwar die Frühjahrsaussaat in NRW ein wenig, mit größeren Ernteausfällen rechne Muß aber nicht.

Generell tue der viele Regen den Ackerflächen gut, die Grundwasserspeicher hätten sich erholt, sagt Muß. Sorge bereiten eher die milden Temperaturen. So könne dieser Winter die Ausbreitung einiger Schädlinge und Pflanzenkrankheiten begünstigen.

Wie der viele Regen auf natürliche Weise den Borkenkäfer bekämpft

Mildes Wetter und viel Regen können auf die Wälder NRWs zweischneidige Auswirkungen haben. Klar ist: Der Waldboden profitiert vom Regen. „Die Böden sind jetzt endlich wieder bis in die Tiefe durchnässt und können wieder Grundwasser bilden. Dies ermöglicht es dem Wald, mit ausreichender Wasserversorgung in die Wachstumsperiode im Frühjahr und Sommer zu starten“, sagt Stephan Schütte, Leiter des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft.

Stephan Schütte, Leiter des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft.

Stephan Schütte, Leiter des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft.

Einen positiven Effekt könne das Wetter auch auf Schädlinge haben. Borkenkäfer sind ein großes Problem für Deutschlands Wälder. Sie besiedeln meist Laub- und Nadelbäume. „Wenn die Bäume aber gut mit Wasser versorgt sind, haben sie eine bessere Chance, sich gegen Borkenkäfer zu wehren. Wenn ein Borkenkäfer etwa eine Fichte anfliegt, um sich in die Rinde einzubohren, kann die Fichte den Käfer mit Harz ersticken. Je mehr die Fichte mit Wasser versorgt ist, desto besser kann sie Harz produzieren“, erklärt Schütte.

Milder Winter: frühere Vegetation durch Frostgefahr gefährdet

„Feuchte, milde Winter können auch dazu führen, dass die Larven von Borkenkäfern, die im Waldboden sind, mehr unter Pilzkrankheiten leiden und eher sterben als bei niedrigeren Temperaturen“, sagt Schütte. Zecken fühlen sich ebenfalls in warmen, feuchten Böden wohl. Ob es aber aufgrund der Wetterentwicklung zu einem erhöhten Zeckenrisiko kommt, könne man jetzt noch nicht sagen, sagt der Forstamtsexperte.

Der Regen könne auch negative Folgen nach sich ziehen, wie Schütte erklärt: „Die Waldböden sind derzeit mit Wasser gesättigt, dadurch sind sie aber auch nicht mehr so stabil. Sollte ein heftiger Sturm aufkommen, könnten Bäume durch die aufgeweichten Böden schneller umfallen.“ Das milde Wetter treibe zudem die Vegetation voran, die etwa vier Wochen früher dran sei als normal. „Wenn die Bäume statt Mitte April schon Mitte März austreiben, besteht die Gefahr, dass noch ein Spätfrost kommt. Ein solcher Frost könnte die Bäume erheblich schädigen, und die Blätter absterben lassen“, erklärt Schütte.

Wie sich der Regen auf die Tiere auswirkt

Wie sich das viele Nass auf die Tierwelt auswirkt, kann Dirk Jansen beantworten. Er ist Leiter des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland in NRW. Er sagt, dass viele Wasser in der Landschaft sei besonders für die Entwicklung der Amphibien erfreulich. Deren Bestände waren in den letzten Jahren nicht nur aufgrund schwindender Lebensräume durch Versiegelung, sondern auch durch die Verschiebung der Niederschläge und langanhaltende Dürreperioden stark zurückgegangen.

Dirk Jansen, Leiter des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland in NRW.

Dirk Jansen, Leiter des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland in NRW.

Den meisten Tieren mache heftiger Regenfall aber nichts aus, sagt Jansen. In Gebieten, wo das möglich ist, ziehen sich Rehe, Hirsche, Wildschweine und Füchse an halbwegs trockene Orte im Wald zurück. Allein während der Brutzeit könne es bei Dauerregen zu Problemen kommen. Insbesondere Jungtiere könnten bei andauernder Nässe krank werden und verenden. „Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die Tierwelt in NRW relativ gut mit milden und nassen Verhältnissen zurechtkommt“, sagt Jansen.

Neben heimischen Tieren hat der starke Regen und das milde Wetter allerdings Auswirkungen auf invasive Arten, wie die Asiatische Tigermücke. Das Insekt kann bis zu 20 verschiedene Krankheitserreger in sich tragen, darunter Denguefieber oder Zikaviren. Durch das milde Klima breitet sie sich mittlerweile auch in Deutschland aus – und droht in NRW heimisch zu werden.

Milde Temperaturen erhöhen Pollenflug – eingeschleppte Pflanzen steigern Allergierisiko

Auch wenn heimische Tiere weitestgehend unberührt bleiben, auf den Menschen wirken sich die Klimaveränderungen aus. Sie bedingen einen früheren, längeren und stärkeren Pollenflug, sagt Norbert Mülleneisen, Leiter des Asthma und Allergie Zentrums Leverkusen. Mit einer früheren Entspannung durch einen früheren Start der Pollenphase ist laut dem Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde aber nicht zu rechnen.

Er gehe sogar davon aus, dass in Zukunft ein Pollenflug den nächsten jagen werde. Ein weiteres Problem sei, dass der pollenarme Zeitraum immer weiter schrumpfe. Das liege unter anderem am Klimawandel, auch wenn es gewöhnliche, saisonale Schwankungen bei Gräserpollen gebe, so der Lungenfacharzt.

Die Klimakrise hat noch etwas zur Folge: eingeschleppte Pflanzen, auf die Menschen allergisch reagieren können, und deren Wachstum hier aufgrund der globalen Erwärmung begünstigt wird. Mülleneisen blickt sorgenvoll in die Zukunft: „Durch eingeschleppte Pflanzen könnten wir erhebliche allergologische Probleme bekommen.“

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