TelefonbetrugFalscher Vitali Klitschko legt drei europäische Bürgermeister herein
Berlin – Mindestens drei europäische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben in der vergangenen Woche mit einem falschen Vitali Klitschko telefoniert. Die Berliner Senatskanzlei hatte am Freitagabend mitgeteilt, ein Videotelefonat der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey mit dem vermeintlichen Kiewer Amtskollegen sei abgebrochen worden, nachdem man Verdacht geschöpft habe.
„Allem Anschein nach handelt es sich um Deep Fake“, erklärte die Senatskanzlei. Auch der Bürgermeister der spanischen Hauptstadt Madrid, José Luis Martinez-Almeida, hatte zuvor ein Gespräch mit dem falschen Klitschko abgebrochen. Dem Bürgermeister der österreichischen Hauptstadt Wien, Michael Ludwig, war hingegen nichts aufgefallen: Ludwig führte bereits am vergangenen Mittwoch ein Videotelefonat mit dem angeblichen Klitschko.
Ein Foto des Gesprächs und ein Bericht über dessen Inhalte waren noch am Samstag auf dem Twitter-Konto Ludwigs abrufbar. Die „Bild“ berichtete zuerst darüber, dass auch der Wiener Bürgermeister auf einen Betrug hereingefallen war.
Zweifel wegen des Gesprächsverlaufs mit „Vitali Klitschko“
In Berlin sorgte dagegen der Gesprächsverlauf für Zweifel an der Authentizität. Laut Angaben der Senatskanzlei stellte der falsche Klitschko etwa Fragen zu ukrainischen Geflüchteten, die sich in Deutschland Sozialleistungen erschleichen wollten. Auch habe er um Unterstützung für die Ausrichtung eines Christopher Street Days in Kiew gebeten.
Wer hinter der Fälschung steckt, blieb zunächst unbekannt. Der Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamts hat Ermittlungen aufgenommen. Die Senatskanzlei zitierte Giffey mit den Worten: „Es gehört leider zur Realität, dass der Krieg mit allen Mitteln geführt wird - auch im Netz, um mit digitalen Methoden das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündeten der Ukraine zu diskreditieren.“
Termin war öffentlich angekündigt, niemand schöpfte Verdacht
In Berlin war der Termin offenbar schon vor Wochen vereinbart worden – vermeintlich auf Bitten der „ukrainischen“ Seite. Das Gespräch mit „Klitschko“ war auch bereits seit einer Woche im öffentlichen Terminkalender Franziska Giffeys angekündigt. Verdacht schöpfte im Vorfeld niemand. Dabei hätte es dazu laut einem Bericht der „Bild“ Anlass gegeben: So habe es sich bei der E-Mail-Adresse, mit der der falsche Klitschko die Senatskanzlei kontaktiert hatte, erkennbar nicht um eine offizielle Adresse gehandelt.
Spätestens zu Beginn des Gesprächs hätte es weiteren Anlass für Zweifel gegeben: Der falsche Klitschko sprach mittels eines Übersetzers mit Giffey – angeblich, damit auch anwesende Mitarbeiter das Gespräch verstehen können. Dabei spricht Klitschko fließend Deutsch und nutzt das auch regelmäßig für öffentliche Statements und Gespräche mit deutschen Politikern. Ein Gespräch durch Übersetzer wäre deshalb mindestens ungewöhnlich.
Vermutung eines Deep Fakes
Die Berliner Senatskanzlei geht davon aus, dass das Videotelefonat nicht mit einem menschlichen Doppelgänger Klitschkos geführt wurde, sondern dass es sich um ein sogenanntes Deep Fake handelt.
Als Deep Fakes werden technische Manipulationen bezeichnet, bei denen beispielsweise die Gesichtszüge einer Person mit den Gesichtsbewegungen einer zweiten Person verknüpft werden. So lassen sich Videos von Prominenten täuschend echt fälschen. Es handelt sich jedoch um ein technisch anspruchsvolles Verfahren. Das gilt besonders, wenn das gefälschte Videomaterial live während eines Videotelefonats ausgespielt werden soll.
Der ARD-Journalist Daniel Laufer machte noch am Freitagabend auf ein Video aufmerksam, das die Fälscher als Grundlage für einen möglichen „Deep Fake“ verwendet haben könnten.
In dem auf Youtube veröffentlichten Video von Anfang April ist Vitali Klitschko ebenfalls in einem Videogespräch zu sehen. Das Video zeigt einen identischen Bildausschnitt, wie in den Videotelefonaten mit Giffey und Ludwig. Auch trägt Klitschko darin dieselbe Jacke.
Zunächst blieb unklar, wer dahintersteckt
Der Fall erinnert an ein Videotelefonat, das niederländische Politiker im April 2021 vermeintlich mit dem Stabschef des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny geführt hatten. Auch dabei handelte es sich um eine Fälschung. Zunächst hieß es ebenfalls, die Politiker seien auf einen Deep Fake hereingefallen. Später wurde jedoch klar, dass es sich um eine viel simplere Fälschung gehandelt hatte: Die Niederländer sprachen ganz einfach mit einem Mann, der Nawalnys Stabschef Leonid Wolkow ähnlichsieht. Schminke und ein passender Kamerawinkel taten ihr übriges.
Hinter der Aktion steckten die beiden Youtube Wladimir Kuznetsow und Alexej Stoljarow. Die beiden haben in der Vergangenheit bereits eine falsche Greta Thunberg mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau telefonieren lassen und sprachen 2018 als vermeintlicher Premierminister Armeniens mit Boris Johnson, damals noch Außenminister Großbritanniens. Erst vor wenigen Tagen gaben sie sich in einem Videotelefonat mit der Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling als ukrainischer Präsident Selenskyj aus.
Kuznetsow und Stoljarow verstehen sich als Comedians und Spaßvögel. Die Auswahl ihrer Ziele und Themen ist jedoch regelmäßig deckungsgleich mit der Agenda des Kremls und der russischen Staatsmedien.
Durch die „Scherzanrufe“ produzierte Aussagen ihrer Gegenüber landeten anschließend regelmäßig im russischen Staatsfernsehen. Eine Analyse der britischen BBC kommt zu dem Schluss, die beiden seien ein Werkzeug der Kreml-Medien. Im Fall der Videoanrufe des gefälschten Vitali Klitschko drängen sie sich zumindest als mögliche Verdächtige auf.
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Eines dürften die Täter zweifellos erzielt haben: Ihre Aktion stiftete Verwirrung, schürt Misstrauen und gab westliche Verbündete der Ukraine der Lächerlichkeit preis. Ein Interesse daran hat vor allem die Regierung in Moskau. Klitschko sprach in seinem Telegram Kanal von Desinformation und hybrider Kriegsführung. Die Strafverfolgungsbehörden müssten solche Aktivitäten untersuchen und gegebenenfalls ausländische Sachverständige hinzuziehen.