Köln – Am schmiedeeisernen Gitterzaun prangt noch das Schild „Vermietet“, und vermutlich konnten die Makler ihr Glück kaum fassen, als sich das Auktionshaus Sotheby’s für das alte Stadtpalais am vielbefahrenen Kölner Rheinufer interessierte. Jahrelang wurde die Bel Etage der denkmalgeschützten Bankiersvilla Oppenheim als Eventlocation angepriesen, doch wer sollte auf Dauer in diesen Prachtbau aus falschem Barock einziehen wollen? Was einem Bankier um 1900 als modisch erschien, eignet sich heute nicht zwangsläufig für die kommerzielle Nutzung.
Für den Kunstmarktgiganten Sotheby’s scheinen die hohen Decken und das geschwungene Treppenhaus, die ballsaalartige Empfangshalle und die mehr als stattliche Terrasse hingegen durchaus passend. Zwar wirkt der Prunk maßlos übertrieben dafür, dass Sotheby’s vor Ort nur Online-Auktionen abhalten will. Aber das Auktionshaus hat offenbar vor allem ein eindrucksvolles Entree für die im Rheinland zahlreich vertretenden Sammler gesucht – und einen standesgemäßen Rahmen für die eigenen Ambitionen.
Sotheby's setzt weltweit Milliarden um
In den letzten 16 Jahren hat sich Sotheby’s, das mit weltweiten Jahresumsätzen in Milliardenhöhe den mittelständischen deutschen Kunstmarkt locker in die Tasche stecken könnte, darauf beschränkt, in Deutschland hochkarätige Werke zu akquirieren, um sie anschließend in London, New York oder Mailand zu versteigern. Jetzt wird Köln zum Hauptsitz eines deutlich ausgebauten und auf den sogenannten Mittelmarkt zielenden Geschäfts.
Was das heißt, zeigt sich bereits bei der ersten Vorbesichtigung im Haus. Sotheby’s präsentiert vor den Online-Aktionen im September als Top-Los ein Max-Liebermann-Gemälde für geschätzte 300 000 bis 400 000 Euro, dazu Arbeiten von Erich Heckel, Emil Nolde und anderen Klassikern der Moderne im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Auch bei der Nachkriegskunst dominieren nationale Champions, Gotthard Graubner, Gerhard Richter oder der als „deutscher Jackson Pollock“ angepriesene Emil Schumacher. Wobei Verkaufsleiterin Eva Donnerhack betont, dass ihre Einlieferungen aus aller Herren Länder kommen. Als Faustregel gilt anscheinend: Je jünger die Angebote, desto internationaler das Sortiment.
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Neben klassischen Werten bietet Sotheby’s reichlich Online-Waren im stetig wachsenden Luxusbereich an: Schmuck, Uhren und zur Eröffnung vor allem Handtaschen; die teuerste, als Sammlerstück in zweistelliger Auflage hergestellte Bag soll mindestens 30 000 Euro einbringen. Im November folgt eine Auktion mit „Entdeckungen“ zu Einstiegspreisen, in der sich die Werke junger Künstler mit Editionen bekannter Namen mischen.
Selbstredend glaubt man bei Sotheby’s an den Erfolg der neuen Deutschland-Strategie. Getrieben durch die Pandemie seien Online-Auktionen immer beliebter und erfolgreicher geworden, so Donnerhack, Millionen-Zuschläge seien keine Seltenheit mehr und der Anteil an Neukunden sei mit 40 Prozent überdurchschnittlich hoch. Wichtiger dürfte für Sotheby‘s aber möglicherweise sein, ob sich die rheinischen Sammler vom Charme des Stadtpalais dazu animieren lassen, ihren Besitz vermehrt bei Sotheby’s einzuliefern – statt bei Grisebach in Berlin oder den Kölner Auktionshäusern Lempertz und Van Ham. Der Mietvertrag für die Immobilie, so Filialleiterin Barbara Guarnieri, laufe unbegrenzt. Über die Kündigungsfristen schwieg sie sich freilich aus.
Online-Auktion Modern & Contemporary Art, 10.-17. September, Vorbesichtigung 3.-16. September, Sotheby’s Köln, Gustav-Heinemann-Ufer 136-138.