ArthouseFilmfans wollen in Nettersheim ein Kino etablieren

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Joachim Starke, Roswitha Platzek, Thomas Kamm, Norbert Crump sitzen auf dem Boden im Obergeschoss der Begegnungsstätte in Nettersheim.

Im Obergeschoss der Begegnungsstätte in Nettersheim wird das Kommunalkino errichtet, das Ende 2023 starten soll. Von links: Joachim Starke, Roswitha Platzek, Thomas Kamm, Norbert Crump.

Kinos gibt es nicht viele in der Eifel. Zwei Enthusiasten wollen es in Nettersheim probieren - auch wenn es nicht ganz billig ist. 

Noch stellt der südliche Kreis Euskirchen in der Kinolandschaft eine Diaspora dar. Doch das wird sich ändern, wenn es nach Roswitha Platzek, Thomas Kamm und der Gemeindeverwaltung Nettersheim geht. In der Begegnungsstätte im Ortskern soll im vierten Quartal dieses Jahres der erste Film laufen, kündigte jetzt Bürgermeister Norbert Crump an. „Das ist schon besonders in so einem kleinen Ort“, sagt Kamm.

Schon lange suchen Platzek und Kamm, die bis zum vorigen Jahr in Nettersheim auch das Scheunenkino veranstalteten, einen geeigneten Ort, um ein kleines Kino zu realisieren. „Das ist immer an den baulichen Dimensionen gescheitert“, erzählte Kamm. Jetzt hätten sie einen letzten Versuch gestartet: die Nutzung der Begegnungsstätte in Nettersheim. Zuerst hätten sie das Kellergeschoss ins Auge gefasst, doch als vor anderthalb Jahren das Dachgeschoss frei wurde, in dem bis dahin der Musikverein seine Proben abgehalten hatte, hätten sie umgeplant.

Wir werden ausprobieren und sehen, was passiert
Thomas Kamm, Kino-Experte

„Die Gemeinde richtet das Kino ein, dazu gehört einiges“, sagte Platzek. Wichtig seien eine gute Atmosphäre, gute Technik und bequeme Sessel. Angeschafft werden soll ein Laserprojektor der neuesten Generation, der besonders leise sei, so Kamm: „Das Gerät stellt mit rund 30.000 Euro Anschaffungskosten den Löwenanteil dar.“ Lange sei diese Investition ein Hinderungsgrund gewesen, noch vor zehn Jahren habe der Preis bei 100.000 Euro gelegen.

Rund 40 Sitze sollen in dem Kino eingerichtet werden, die in fünf Stufen ansteigen. Sieben Reihen haben Platz in dem knapp 100 Quadratmeter großen Raum. Geplant sei das Filmtheater als Arthouse-Programmkino, kündigte Kamm an. „Programmkino heißt ja, dass die neuen Filme vier bis sechs Wochen nach dem Start zu uns kommen“, erläuterte er. „Wir erlegen uns keine Beschränkungen auf, wir wollen einfach Kino machen“, ergänzte Platzek.

Arthouse-Programmkino in Nettersheimer Begegnungsstätte

Vier Spieltage sollen pro Woche angeboten werden – mit zwei, teilweise auch drei Vorführungen. Es solle auch ein Kinder- und Familienprogramm geben. „Wir werden ausprobieren und sehen, was passiert“, sagte Kamm. Es gebe viele Dokumentarfilme zu tollen Themen. „Es soll ein Kino sein zur Entspannung, Unterhaltung, ein Ausgeh-Ort zum Abschalten“, so Kamm. Das Programm solle ganzjährig gezeigt werden, nur im Sommer, wenn das Scheunenkino aktiv sei, werde man eine Pause einlegen. „Sommer war früher immer eine Flautenzeit im Kino“, erläuterte er.

Der Aufbau des Kommunalkinos bedeute auch Nachhaltigkeit, weil die Filmliebhaber nicht mehr nach Euskirchen oder Bonn fahren müssten, um einen Film zu sehen. „Kino ist ein Teil der allgemeinen Lebenskultur, auch für Leute, die auf dem Dorf leben“, sagte Kamm.

Ausstellung über Edelweißpiraten im Rahmenprogramm des Kinos 

Wichtig sei die Partnerschaft mit den anderen Betrieben in Nettersheim, betonte Crump. So solle der Betrieb mit dem Jugendgästehaus vernetzt werden. Durch das Kino werde auch der Ortskern belebt. Eine Miete werde nicht erhoben, die Nebenkosten müssten über einen wirtschaftlichen Betrieb refinanziert werden. Die Beschaffung der Ausstattung werde mit rund 57.000 Euro bestritten, von denen rund 70 Prozent mit Mitteln aus dem Programm „Dritte Orte“ gefördert würden.

In Verbindung mit dem Kino solle in der Begegnungsstätte die lang geplante Jugendmedienwerkstatt realisiert werden, kündigte Joachim Starke von der Gemeinde Nettersheim an. In einem Kellerraum sollen Equipment und Möglichkeiten zum Schneiden eingerichtet werden. „Ich träume von einem Jugendfilmpreis, der hier stattfindet“, sagte er. Die Philosophie sei, alle Orte zu vernetzen. Im Februar werde die Zwangsarbeiter-Ausstellung des Kreises nach Nettersheim kommen. Dann solle als Teil eines Rahmenprogramms im neuen Kommunalkino ein Film über die Kölner Edelweißpiraten laufen.


Auch das Nettersheimer Scheunenkino öffnet wieder

Nach dem erfolgreichen Neustart im vergangenen Jahr veranstalten die Gemeinde Nettersheim und der Filmring Rhein-Sieg auch in diesem Sommer das Scheunenkino in der Scheune am Nettersheimer Hof, Bahnhofstraße 11 in Nettersheim.

Das Bild zeigt eine große Leinwand, auf der ein Film gezeigt wird. Davor sitzt das Publikum auf Stühlen.

Eine besondere Kino-Atmosphäre bietet auch in diesem Sommer das Nettersheimer Scheunenkino.

Auf dem Programm stehen in der Zeit vom 29. Juni bis zum 20. August insgesamt 52 Aufführungen. Kiosk und Eintrittskasse öffnen jeweils eine halbe Stunde vor Beginn der Filmvorführung. Eine Programmübersicht findet sich online.

Ein besonderer Leckerbissen dürfte die Dokumentation „Nettersheimer Kirmes 1967“ sein, in der mit drei Filmen die Kirmestraditionen und Bräuche im Ort gezeigt werden. Weitere Informationen im Internet. (ch)

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