Heute ist Walter Feckinghaus Vorsitzender der Euskirchener Tafel. Zuvor halfen er und seine Frau vielen Menschen in Brasilien.
Trauer und HoffnungEuskirchener lebte 41 Jahre in Brasilien und half Menschen aus der Not
Wenn er sich an Weihnachten in Brasilien erinnert, muss Walter Feckinghaus immer noch kurz lachen. „Es ist schon komisch, bei 35 Grad ,Leise rieselt der Schnee‘ zu hören“, sagt der Chef der Euskirchener Tafel.
Aus dem Anfängerfehler, in Ermangelung einer Nordmanntanne eine heimische, wenn auch ähnlich aussehende Baumart zu wählen, habe er aber rasch gelernt.
Euskirchener lebte 41 Jahre in Brasilien
„Mit dem Baum hatte ich viel Platz auf dem Heimweg im Bus, obwohl da sonst immer dichtes Gedränge war“, erzählt er: „Dann habe ich gemerkt, wie spitz die Tannennadeln waren.“ Fortan musste ein künstlicher Baum reichen.
41 Jahre lang lebten er und seine Frau Krista in Brasilien. Feckinghaus ist Pastor der Freien evangelischen Gemeinde (FeG). Für deren Missionswerk Allianz Mission e. V. waren er und seine Frau 1976 per Schiff in das südamerikanische Land umgezogen, um Menschen aus Armut und Elend zu helfen und mit dem christlichen Glauben Hoffnung zu verbreiten, wie Feckinghaus sagt.
Längst nicht alle Geschichten, die der 71-Jährige erzählt, sind so heiter wie die rund ums Weihnachtsfest. „Als wir dort ankamen, gab es kaum asphaltierte Straßen“, erinnert er sich. Telefone? Fehlanzeige.
Und als es sie gab, kosteten Gespräche nach Deutschland ein Vermögen, sodass die Korrespondenz mit der Zentrale per Post vonstattenging. „So ein Brief war sechs Wochen unterwegs“, berichtet der Geistliche.
„Ja“, sagt er, „wir haben einiges erlebt.“ Dann erzählt er von dem bitterkalten Winter und dem folgenden sehr heißen Sommer mit einer Dürre, die nicht enden wollte. Das war kurz nach ihrer Ankunft.
90 Millionen Kaffeepflanzen machten die Klimakapriolen bei Campo Mourão, im Westen des Landes, zunichte – und damit den Lebensunterhalt unzähliger Familien.
Klimakapriolen zerstören 90 Millionen Pflanzen und unzählige Existenzen
„Wir haben dann mit den Menschen ein großes Gemüsefeld angelegt und die mitarbeitenden Familien alle 14 Tage mit den notwendigen Lebensmitteln versorgt“, so Feckinghaus. In den kostenfreien Genuss der Zuwendungen kamen aber nur Familien, die für mindestens drei Stunden am Tag einen ihrer Angehörigen zur Mitarbeit abstellten. Die anderen konnten die Nahrungsmittel auf einem Markt gegen einen kleinen Obolus kaufen.
Die Ähnlichkeiten zur Tafel fallen ins Auge. Auch hier zahlen Kunden einen kleinen Betrag, um Lebensmittel zu erhalten. Auch hier versuchen Krista und Walter Feckinghaus, mit dem Team der Euskirchener Tafel, Menschen zur Mitarbeit zu gewinnen – mit Erfolg. Hier wie dort sollen die Mitarbeitenden und die Empfänger Anerkennung und Wertschätzung erfahren.
Menschen zu helfen und sie seelisch zu stärken, das gehöre für ihn zusammen, sagt Feckinghaus. So sei es auch gewesen, als sich Gemeindemitarbeiter damals in Recife der Mädchen und Jungen annahmen, die von ihren Familien an Lastwagenfahrer verkauft worden waren. „Ihnen blieben nur noch Prostitution, Drogen und Diebstahl“, berichtet Feckinghaus.
In solchen Momenten schwindet die Begeisterung aus seiner Stimme, mit der er ansonsten über Brasilien erzählt. Sie kommt aber wieder, wenn er wenig später Bilanz zieht: „Als wir 2017 Brasilien verließen, standen bei Recife Betreuungseinrichtungen an drei Standorten für 800 Kinder und Jugendliche.“
Euskirchener verlegte portugiesische Ausgabe der Bibel
Dort fänden sich dann auch einige Exemplare der „Biblia do Pregador“ im Regal. „Wir haben die Bibel mit Erklärungen versehen und diese ins Portugiesische übersetzt“, berichtet er von seiner zweiten „Karriere“ als Verleger. „Ich hatte ja nicht geahnt, was das für eine Arbeit ist“, sagt er mit einem Lächeln.
Ganz abgesehen vom finanziellen Risiko. 200.000 Euro habe die erste Auflage gekostet. Doch es wurde ein Erfolg, wie er sagt: Mittlerweile verlegten sie diese Bibelausgabe auch in Spanisch, Englisch, Französisch, Deutsch und in verschiedenen Sprachen in Nigeria. Inzwischen seien 1,5 Millionen Exemplare dieser Bibel in vielen Teilen der Welt unterwegs.
Für viele Menschen in Brasilien sei der Glaube ein Trost. Ein Trost, den auch Familie Feckinghaus immer wieder mal brauchte, vor allem im Jahr 1983. „Da starb unser Sohn Silvano an einer Hirnhautentzündung“, berichtet der Geistliche. „Wir wollten damals woanders neu anfangen.“
Auch in der Gemeinde lief es in dieser Zeit nicht so gut. Es gab weniger Gottesdienstbesucher, auch die Zahl der Taufen ging zurück. Geblieben sind sie dann aber doch.
Nach einiger Zeit hatte sich der Zuspruch zur Gemeinde auch wieder eingestellt. Wie es dazu kam? Feckinghaus zuckt die Schultern und sagt nur: „Musst du Gott fragen.“
Auch dass er einen Überfall überlebt habe, führe er auf den Willen Gottes zurück, sagt der Pastor. Es war in den 90ern, als er eine Missionsstation besucht habe und plötzlich ein bewaffneter Mann aufgetaucht sei und Geld verlangt habe. Es kam zu einem Gerangel, der Mann stürzte nach hinten über, da löste sich plötzlich ein Schuss. Er traf Feckinghaus zwischen Herz und Arm.
Aber auch solche Erlebnisse konnten die Familie nicht zur Rückkehr nach Deutschland bewegen. Erst 2017 nahm sie Abschied von Brasilien – nicht ganz freiwillig. „Das Herz und das Knie“, beschreibt Feckinghaus die Baustellen an seinem Körper.
„Wir wollten eigentlich unseren Lebensabend in Brasilien verbringen“, so der 71-Jährige. Die medizinische Versorgung in Brasilien sei auch sehr gut, allerdings nur für die, die sehr viel Geld hätten.
Einfach war die Eingewöhnung nicht. „Wir stellten fest: Nicht nur Brasilien hat sich in dieser Zeit verändert, Deutschland auch“, so Feckinghaus. Viele Kontakte in Deutschland, von wo aus sie 1976 den Sprung wagten, waren erloschen, einige Bekannte auch schon gestorben. „Wir fielen in ein Loch“, erinnert er sich.
Bei der Tafel in Euskirchen fanden sie eine neue Aufgabe
Dann jedoch machte die Schwiegertochter, eine Brasilianerin, den Vorschlag, gemeinsam in ein Haus zu ziehen. Es musste in der Nähe von Wesseling sein, weil der Sohn dort Arbeit als Ingenieur gefunden hatte. Als sie dann noch das passende Haus in Oberwichterich fanden, war die Entscheidung sehr schnell gefallen.
So war es auch bei der Tafel. Anfang der 2000er Jahre hätten sie bei der Deutschen Welle einen Bericht über die aufkommenden Tafeln in Deutschland gesehen, berichtet Feckinghaus. Seine Frau habe damals gesagt: „Würden wir in Deutschland leben, würden wir da mitmachen.“
Gut 15 Jahre später wurde aus dem Konjunktiv Realität: „Samstags waren wir beim Tag der offenen Tür, drei Tage später Mitarbeiter bei der Euskirchener Tafel.“ Wenig später wurde Feckinghaus Schriftführer im Vorstand der Euskirchener Tafel, seit gut einem Jahr ist er deren Vorsitzender.
„Auch hier können wir den Menschen helfen“, sagt Feckinghaus. Das gebe ihrem Leben Inhalt. „Auch wenn wir unsere Freunde in Brasilien sehr vermissen“, gesteht der 71-Jährige.
„Gott hatte anderes mit mir vor“: Wie aus dem Elektriker ein Pastor wurde
Eigentlich war für Walter Feckinghaus damals im Sauerland die berufliche Laufbahn als Elektriker vorgezeichnet. „Doch Gott hatte anderes mit mir vor“, sagt der Pastor der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) gut ein halbes Jahrhundert später.
„Vor der Gesellenprüfung wurde ich nervös, ich hatte es nicht so mit den Formeln“, erinnert er sich. Von Haus aus christlich geprägt, habe er Gott versprochen: „Wenn ich die Prüfung schaffe, mache ich ein Jahr Diakondienst.“
Er schaffte die Prüfung, Elektriker wurde er jedoch nur für kurze Zeit. Er löste sein Versprechen ein – wenn man so will, sein ganzes Leben lang. „Während des Diakondienstes entdeckte ich meine Berufung“, sagt er. Wenige Jahre später war das Theologiestudium absolviert. In dieser Zeit lernte er auch seine Frau kennen: „Ohne sie wäre ich nicht weit gekommen.“
1975 folgten die Hochzeit und die Ordination zum Pastor in der FeG. Einige Monate später ging es aufs Schiff, Kurs Brasilien, wo das Paar 41 Jahre lebte und die drei Söhne zur Welt kamen.
Die Allianz-Mission, die Auslandsmission der FeG, und andere Missionen hatten ihnen auch Stellen in Afrika oder Asien angeboten. „Doch wir wollten nach Brasilien“, so Feckinghaus: „Hätten wir uns nicht kennengelernt, wäre jeder von uns einzeln dorthin gegangen.“ Auch das sei Gottes Wille gewesen.
Heute engagieren sich beide bei der Tafel in Euskirchen. Seit gut einem Jahr ist Walter Feckinghaus Vorsitzender der Einrichtung, in der 63 Ehrenamtler 490 Familien betreuen.