SozialbetrugLeverkusens Jobcenter liefert Gericht zu Paar aus Großfamilie keine Akten

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Razzia der Polizei Köln/Leverkusen in der Von-Ketteler-Straße bei der Großfamilie am 14. März 2018. Polizisten sind mit zwei Porsches zu sehen.

Eine der Razzien bei der Großfamilie: Am 14. März 2018 wurden auch Porsche-Fahrzeuge besichtigt.

Es gibt einen Deal und schriftliche Geständnisse. Trotzdem ist es mühsam, den illegalen Bezug von 170.000 Euro Sozialhilfe aufzuarbeiten.

Der vierte Tag (10. April) im Prozess um rund 170.000 Euro erschlichene Sozialhilfe gegen das Paar aus der Leverkusener Großfamilie erwies sich als schwierig für die 16. Große Strafkammer. Voriges Mal hatten die beiden Angeklagten Geständnisse verlesen lassen und so die Bedingungen der 16. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht für einen Deal erfüllt.  Am Mittwoch ging es darum, der Ehefrau auf den Zahn zu fühlen. Denn es reicht nicht, dass die Angeklagten nach Absprache mit ihren Verteidigern Aussagen verlesen lassen und die Frage, ob sie sich diese Ausführungen zu eigen machen, mit „Ja“ beantworten.  

Die Vernehmung der Frau war aber schwierig. Augenscheinlich ist es der 49 Jahre alten, vierfachen Mutter peinlich, über Details zu sprechen. Wobei sie den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, über Jahre beim Jobcenter falsche Angaben über ihre Einkommensverhältnisse gemacht und auf diese Weise durchgängig Leistungen für die gesamte Familie bezogen zu haben, freimütig einräumt: Einmal fragt die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker mit Blick auf ihren Mann: „Ist er einer legalen Tätigkeit nachgegangen?“ Die Antwort: „Nein, nein!“  

Leverkusener Großfamilie vor Gericht: „Das war großes Geld“ 

Einigermaßen genau kann sich die Frau an Geldbündel erinnern, die ihr Mann von Beutezügen in Hamburg und der Schweiz mitgebracht habe. „Das war großes Geld.“ Gezählt habe sie es nicht. Einen Packen habe sie im Sofa versteckt. Laut Anklage waren das 39.000 Euro. Auch aus der Schweiz hat der Familienvater Zehntausende mitgebracht. Das hat er schon eingeräumt und bestätigt das am Mittwoch noch einmal. Nur gelegentlich sei der illegal erworbene Schatz angetastet worden, erinnert sich die Angeklagte: „Ich hatte ja mein Hartz-IV-Geld. Ich brauche nicht viel.“

Ab und an wurde auch Bargeld aufs Konto der Familie eingezahlt, haben die Ermittlungen ergeben. Dieses Geld habe sie von ihrem Mann bekommen, der sich ebenfalls gelegentlich aus der Beute bedient habe. Zum Beispiel, um Autos zu kaufen. Natürlich seien auch die Kinder bedacht worden, mit Geschenken. Für gelegentliche Urlaubsreisen scheint die Grundsicherung auch nicht gereicht zu haben, obwohl für sechs Personen ordentliche Beträge zusammenkamen über mehrere Jahre. Auch für solche Extras wurde offenbar auf Beutegeld zurückgegriffen, deutete sich am Mittwoch an. 

Die Jagd nach Unterlagen aus Leverkusen läuft seit Oktober

Zu der Frage, wie überhaupt Mitglieder der stadtbekannten Großfamilie vom Jobcenter Leverkusen über Jahre durchgängig mit Staatsgeld versorgt werden konnten, würden die Richter gerne noch mehr erfahren. Zumal die Familie ihren aufwendigen Lebensstil mit teuren Autos immer offensiv nach außen getragen hat. Aber die Kommunikation mit dem Jobcenter ist überaus schwierig, erwies sich jetzt.

Seit Oktober, so schilderte es Richterin Grobecker, jage man weiteren Unterlagen hinterher. Immer wieder habe man nachgefragt, sei aber des Sachbearbeiters, der die Anträge mit den falschen Angaben zur Einkommenssituation bearbeitete, nicht habhaft geworden.

Erst seit voriger Woche scheine Licht am Ende des Tunnels auf: Der Sachkundige soll an diesem Donnerstag wieder im Dienst sein. Sabine Grobecker ist fest entschlossen, diese Chance beim Schopf zu packen: „Wir rufen den morgen an.“ Der Staatsanwältin gab die Vorsitzende Richterin auf, die ersehnten Unterlagen persönlich im Jobcenter Leverkusen abzuholen. Damit nicht auf dem Postweg noch etwas schief geht. 

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