ProzessLeverkusener Großfamilie soll sich knapp 170.000 Euro Bürgergeld erschlichen haben

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Streifenwagen während einer Razzia bei der Großfamilie auf der Hauptstraße in Wiesdorf

Einer der vielen Razzien bei der Leverkusener Großfamilie gab es kurz vor Weihnachten 2020.

Fünf Jahre lang hat das Paar nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft das Sozialamt nach Strich und Faden belogen.

Sie sind nach Roma-Tradition verheiratet, haben vier Kinder. Eine Tochter haben sie nach der Ex von Brad Pitt benannt. Und so mittellos, wie sie es auf dem Sozialamt immer darstellten, waren die beiden Angehörigen einer Leverkusener Familie offenbar auch nicht. Uhren und Schmuck für knapp 17.000 Euro nennt die Staatsanwältin vor dem Kölner Landgericht als Eigentum, rund 26.000 Euro Bargeld, teure Autos, teure Teppiche. Aufwendige Urlaube leistete sich die Familie auch, haben die Ermittlungen ergeben.

Nicht näher beziffert die Vertreterin der Anklage am Mittwoch die „Einkünfte aus Straftaten“, die ihren Erkenntnissen nach zwischen März 2014 und April 2019 geflossen sind. Dass der Familienvater derzeit nur auf Bewährung frei ist, demonstriert, dass der Sozialamtsbetrug im großen Stil nicht die einzige unsaubere Geldquelle war. Gegen die Frau läuft ein weiteres Verfahren vor dem Amtsgericht Leverkusen.

Familienmitglieder fahren mit Vorliebe teure Autos

Dass Mitglieder der Großfamilie eine Vorliebe für teure Porsches oder Ferraris haben und die auch gern in Wiesdorf spazieren fahren, gehört zum Straßenbild. Der Senior der Sippe hat dagegen eine Schwäche für die Marke Rolls-Royce. Dass die Mittel für diesen Lebensstil oft nicht legal erworben wurden, ist in großen Prozessen vor dem Landgericht immer wieder aufgeschienen. Dass somit der normale Steuerzahler auch sein Scherflein zu diesem Luxusleben beiträgt, wurde immer vermutet, aber nie bewiesen.

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Das dürfte sich mit diesem Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer ändern, und es dürfte nicht der letzte Beweis sein: Vor gut zwei Jahren durchsuchte die Polizei mehrere Anwesen der Großfamilie – da ging es um den Verdacht, sich Corona-Hilfen erschlichen zu haben.

14 Fälle sind akribisch aufgelistet

14 Fälle von Betrug werden in der Anklage akribisch aufgelistet. Welcher der Ehepartner wann wie viel Geld vom Sozialamt bekam, was die Stadt an jedes der vier Kinder auszahlte: alles dokumentiert, wenn auch mit gehörigem Zeitverzug. Die Leistungen wurden meist für ein halbes Jahr gewährt und so werden vor Gericht immer wieder fünfstellige Beträge aufgerufen, insgesamt mehr als 168.000 Euro. 

Dem Sozialamt hat das nach deutschem Recht unverheiratete Paar erklärt, dass es keine Einkünfte und auch keine Unterhaltszahlungen gebe. Wie auch? Offiziell waren die 49-Jährige und ihr vier Jahre jüngerer Mann keine Eheleute und lebten auch nicht in einer Wohnung in dem Wiesdorfer Familienanwesen. So sah sich Leverkusens Sozialamt gehalten, die vorgeblich mittellosen Menschen samt ihrer vier Kinder zu unterstützen.

Schon am ersten Prozesstag zeigt sich, dass nicht nur ver- sondern auch ein bisschen gehandelt werden soll vor der 16. Großen Strafkammer. In einem ersten Rechtsgespräch haben die Verteidiger Jonas Bau und Bernd Kretschmann fehlende Akten der Stadt moniert. Ihrer Meinung nach lassen sich die vielen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht erhärten.

Ihren beiden Mandanten haben sie geraten, erst einmal den Mund zu halten. Allerdings haben die Behörden inzwischen weiteres Material nachgeliefert, die Last der Beweise wird offenbar immer erdrückender.

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