Bergisches MuseumsAusflug ins Labor offenbart das wahre Alter

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Herbert Ommer (l.) mit einem Schaufelblatt, Herbert Stahl mit dem Kopf eines Hammers. Die Stücke wurden in der Grube Lüderich gefunden.

Herbert Ommer (l.) mit einem Schaufelblatt, Herbert Stahl mit dem Kopf eines Hammers. Die Stücke wurden in der Grube Lüderich gefunden.

Bergisch Gladbach – Die Form ist klassisch und erinnert an sackartige Handtaschen, die wegen ihrer komfortablen Größe wie das legendäre Bermuda-Dreieck in der Lage sind, ihren Inhalt für immer zu verschlingen.

Doch die moderne Form des Lederbeutels, der im Bergischen Museum ausgestellt und korrekt Bunge genannt wird, täuscht. Er ist nachweislich das älteste Ausstellungsstück, das zur Zeit in den Räumen des Museums am Burggraben präsentiert wird.

Denn der Sack, der einst genutzt wurde, um Steinklumpen im Erzbergbau zu schleppen, stammt vermutlich aus dem 9. Jahrhundert.

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Das ergab eine wissenschaftliche Untersuchung nach der Radiokarbonmethode, die Mitarbeiter des Instituts für Geologie und Mineralogie der Universität Köln durchgeführt haben. Nur wenig jünger sind drei weitere Exponate, die wohl im 11. und 12. Jahrhundert gefertigt wurden: der hölzerne Kopf eines Hammers, eine Radnabe, die vermutlich einst zu einer Schubkarre gehörte, sowie ein Schaufelblatt, dessen Form nur gering von heutigen Modellen abweicht.

Das Ergebnis überraschte. „Wir wussten immer, dass die Stücke alt sind und vermutlich aus dem Mittelalter stammen, aber über die genaue Entstehungszeit wurde immer gerätselt“, so Herbert Ommer, Vorsitzender des Fördervereins des Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe.

Zunächst habe man für die Stücke, die 1890 in der Grube Lüderich in 60 Meter Tiefe gefunden worden waren, als Entstehungszeit das 16. Jahrhundert angenommen. Diese Hypothese kam ins Wanken, als Experten des Bergbaumuseums Bochum bei einem Besuch Ähnlichkeiten mit Fundstücken des 13. Jahrhunderts feststellten.

Von der Bunge zur Bucket Bag

Die Urform der Handtasche sieht dem Bunge verblüffend ähnlich. Spätestens mit dem Pompadour – auch Ridikül genannt – war im 18. Jahrhundert der Beutel mit dem Schnürenverschluss als Modeaccessoire etabliert. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ist die Handtasche zum Thema berühmter Couturiers geworden, deren Modelle Kult sind – bis heute. Kelly Bag und Birkin Bag von Hermès, die Flap Bag 2.55 von Chanel, Speedy von Louis Vuitton, Givenchys Nightingale – das sind nur ein paar Namen von Klassikern, für die Frauen Tausende hinblättern. Besonders angesagt ist derzeit die sogenannte Bucket Bag, die auch unter dem Namen Beuteltasche in den Modeportalen der Renner ist. „Bucket“ heißt im Englischen „Eimer“, und tatsächlich ist der kastenförmige Beutel aus ziemlich hartem Leder unserem mittelalterlichen Bunge wie aus dem Gesicht geschnitten. Verschlossen wird er oben mit einer Lederschnur, die man zusammenzieht. Das Original, also die echte Kult-Tasche, stammt vom New Yorker Designerinnenduo Mansur Gavriel (Rachel und Floriana), ist außen und innen zweifarbig und kostet – je nach Größe – 400 bis 600 Euro. (eck)

Dies wiederum hielt der Historiker Lothar Speer aufgrund der Quellenlage für zweifelhaft, wie er 2014 in einem Aufsatz darlegte. Er verwies auf die Notwendigkeit einer dendrochronologischen Untersuchung. Sie kann das Alter von Holz aufgrund von Jahresringen bestimmen. „Darauf hatten wir bei dem hölzernen Hammerkopf gehofft“, so Ommer, doch das Teil wies nicht genug signifikante Ringe auf, um es eindeutig zu datieren.

Daher entschloss sich der Förderverein im März, exemplarisch vier Stücke aus zwei verschiedenen Materialien (Leder und Holz) mit der Radiokarbonmethode untersuchen zu lassen. Dabei wird das Alter organischer Materialien anhand der Menge des noch vorhandenen Kohlenstoffs bestimmt.

Rund 1100 Euro war dem Verein die Erkenntnis wert. „Wir wollten endlich Gewissheit und nicht immer dieses Fragezeichen im Kopf haben“, sagt Ommer. Jedes Museum sei verpflichtet zu forschen, und nun könne man den Gästen eindeutig datierte Fundstücke zeigen. Die erklärenden Texte in den Vitrinen habe man schon entsprechend aktualisiert.

Den Exponaten sieht man ihren Ausflug ins Labor nicht an. Die Untersuchungsgegenstände blieben weitgehend unversehrt. „Allerdings hatten wir schon Sorge, dass der steinharte Lederriemen des Beutels beim Transport brechen könnte“, erzählt der Vorsitzende. Doch das mehr als tausend Jahre alte Stück überstand die Prozedur ebenso wie die lange Zeit im schwefelsäurehaltigen Erdreich.

Wie der Beutel in die Erde gelangte, darüber gibt auch eine Radiokarbonmethode naturgemäß keine Auskunft. „Damals warf man einen Ledersack nicht einfach weg“, rätselt Ommer. „Deswegen vermute ich, dass er irgendwann verloren ging oder mit einem Bergmann verschüttet wurde.“

www.bergisches-museum.de

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