Testfahrt im PhantasialandAchterbahn „Taron“ mit weltweit heftigstem Katapult-Antrieb

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Die neue Achterbahn „Taron” soll Europas schnellster Multi-Launch-Coaster werden.

  • Im Phantasialand wird am 30. Juni nach fast vier Jahren Vorbereitungszeit die längste und schnellste Katapult-Achterbahn der Welt eröffnet.
  • Sie ist die Hauptattraktion einer neuen Themenwelt.

Brühl – Tarons Reich ist finster wie die Nacht. Schroffe Felsen, schwarzes Gras. Die Bäume aschgrau. Hier könnten Geier am Himmel  kreisen,  Hyänen hungrig ihre Mäuler aufreißen. Wenn wir denn nicht in Brühl   im Rheinland wären.  

Unter unseren Füßen bebt der Boden. Katapultstart für „Taron“, den  „längsten und  schnellsten Multi-Launch-Coaster“ der Welt.  Vier Wagen fegen durch ein  Labyrinth aus  Stahl und falschen Felsen.  Der erste ist geschmückt mit einem Widderkopf. Auf den Sitzen 16 kreidebleiche  Dummies.   

 „Eine Vision ist Wirklichkeit geworden“, sagt  Sebastian Jonas,   Projektentwickler und Qualitätsmanager des „Phantasialands“.  Fast meint man, ihn „endlich“ sagen zu hören. Wir stehen im Zentrum  von  „Klugheim“, der jüngsten  Themenwelt   des  Brühler Freizeitparks:  ein Marktplatz, eine alte Taverne, Häuser, auf deren Dächern hölzerne Drachen hocken. Falsche Basaltfelsen  und Stahlschienen, wohin man blickt.

Vier Jahre von der Idee bis zur Vollendung von „Klugheim“

Knapp vier Jahre dauerte es von der ersten Idee bis zur Vollendung von „Klugheim“, das mit  gleich zwei  beachtlichen Achterbahnen aufwarten kann:   dem superschnellen „Taron“   und seinem nicht ganz so flotten  kleinen Bruder  „Raik“, ein  „Family-Boomerang“, der einmal vorwärts und einmal  rückwärts fährt.    Am 30. Juni soll mit Tamtam und Trara Eröffnung sein.  

Der TÜV, Abteilung „Fliegende Bauten“,  ist längst durch, die    Musikbeschallung seit  Wochen    fertig,  die 275 schmiedeeisernen Leuchten, jede von ihnen ein Unikat und von  Hand gefertigt, sind montiert. Der Rest ist Feinputz.

In der Taverne wird noch gehämmert und gesägt.    Farbtöpfe stehen herum.   In einer Ecke des Marktplatzes   stapeln sich auf alt getrimmte Weinfässer, als würde hier gleich eine große Sause starten.   An einer Wand hängen zu Schnecken gerollte Seile und wettergegerbtes Ledergeschirr. „Klugheim“ ist nach  den Vorstellungen seiner Macher  ein altes, ein archaisches Dorf.     Irgendwo  quäkt probehalber eine    Lautsprecherdurchsage: „Aufgrund einer technischen Störung ...“ 

In der Werbeabteilung des  „Phantasialand“ spart man in diesen Tagen nicht mit Superlativen, wenn es um die jüngsten Attraktionen des Parks geht.   „Taron“  verfüge über den  „weltweit intensivsten  Katapult-Antrieb“,  so heißt es.  116 Mal überquerten sich die Schienen der beiden Bahnen während des Streckenlaufs an 58 Schnittpunkten. Selbstredend, dass  Mitstreiter „Raik“ der „schnellste und längste  Boomerang der Welt“ ist.    

Auch Birgit Reckersdrees, Direktor Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung, lobt die neue Themenwelt schon jetzt über den grünen Klee..  „Wir brauchten  etwas, das einen Adrenalinschub auslöst“, sagt  sie. Das habe man bekommen.

Vor allem Jugendliche und junge  Erwachsene sollen mit dem superflotten Multi-Launch-Coaster angesprochen werden.  Bislang galt    die   „Black Mamba“, ein Inverted Coaster, bei dem die Wagen unter  den Schienen hängen,   unter Achterbahnfans als Highlight   des Brühler Freizeitparks. „Jetzt möchten wir ihnen ein weiteres Highlight bieten.“

Für die neue Themenwelt musste eine andere weichen

Die  Zeit sei reif   gewesen für etwas Neues, sagt  Birgit Reckersdrees. „Wir haben den Park in den letzten Jahren als  Kurzurlaubsziel ausgebaut  und generieren  Gäste aus der ganzen Bundesrepublik, aus Holland und Belgien. Um unseren Standard zu halten, müssen wir  immer wieder Dinge verändern.“ Bei „Klugheim“  habe man von Anfang an    „ganz groß“  gedacht.  „Wir wollten     großes Kino, und das kostet auch was.“  Wie viel, das wollte das Unternehmen  leider nicht verraten.

Für  den Neuling  musste zunächst  ein altes Möhrchen weichen. Das  Dorf der „klugen Leute“  steht  an der Stelle der legendären  Westernstadt „Silver City“.  2014  wurde das in die Jahre gekommene  Städtchen  unter dem Wehklagen seiner  Fans abgegerissen und teilweise als Sondermüll entsorgt, mitsamt Silbermine und der  „Hacienda Don Pedro“.   

Ein Verlust, den  man auch im Phantasialand bedauert. Doch die räumlichen Kapazitäten  des Freizeitparks sind begrenzt, eine Ausweitung des Areals ist seit Jahren ein Politikum.  „Also müssen wir  ab und zu  alte Attraktionen abreißen, um Platz für  Neues zu schaffen.“

Die Enge der zur Verfügung stehenden Fläche bestimmt auch die Architektur von „Klugheim“. Die Achterbahnen  fahren notgedrungen durch Felsen und Gebäude. Auch die zahlreichen Schienenüberschneidungen sind  mehr oder minder der Raumnot geschuldet.  „Normalerweise bräuchte man  eine drei Mal so große Fläche“, sagt Birgit Reckersdrees. „Wir wollten eine tolle Bahn, hatten aber nicht den Platz dafür. Also  mussten wir ein Layout finden, das diese Besonderheit berücksichtigt.“

Fast zwei Jahre wurde am  Gesamtkunstwerk „Klugheim“ geschraubt.    Beteiligt am Mammutprojekt: Designer, Ingenieure, Musiker, Felsenbildhauer, Schmiede, Schneider, Elektriker  und Leder-Joe aus der Eifel, der die Gürtel für das Personal von „Klugheim“ fertigte. Die Kleidung der  „Bewohner“, das Design der Häuser und Wagen – alles ist aufeinander abgestimmt.   

„Man kann eine Achterbahn nicht  einfach aufs Feld stellen und hoffen, dass das  funktioniert“, erklärt Sebastian Jonas, der zum harten Kern des Planungsstabs gehört, den Aufwand für eine stimmige  Optik.  „Wir betten die Bahnen   ein in eine bestimmte Themenwelt, und da muss jedes noch so kleine Detail stimmen.“

„Klugheim“ besonders für Mystery-Fans

Mit „Klugheim“  bedient   das „Phantasialand“ vor allem die Mystery-Fans, die geprägt sind  von  Fantasyspielen und  den düsteren „Herr der Ringe“-Filmen.  Hier blüht kein Strauch, keine Blume wagt sich hervor. Der Boden ist bedeckt mit mehreren Tonnen  Basaltgestein,    herbeigeschafft aus der Vulkaneifel. Dazwischen wächst in dichten Büscheln das seltene „Ophiopogon planiscapus niger“,  auch „Schwarzer Schlangenbart“ genannt. „Grünes Gras“, so Birgit Reckersdrees, „hätte   nicht nach Klugheim gepasst.“

Purer Fake hingegen  die bedrohlich  aufragenden  Felswände, die das finstere Dörfchen umschließen wie Gefängnismauern.  Der   Felsenbauer  Helder Lopez und sein Team haben  die künstlichen Basaltsäulen in monatelanger Arbeit aus Stahl, Plastiknetzen und viel grauer Farbe geschaffen. „Taron“ hat seine Testfahrt beendet.

Stumm sitzen die Dummies auf ihren Plätzen. Auch  Jonas hat bereits einige Runden hinter sich. „Purer Spaß“ sei das gewesen. Was soll er auch anderes sagen? Der Mann ist bekennender Achterbahn-Fan und kennt fast alle Bahnen dieser  Welt.  Der 30. Juni werde  für ihn ein Festtag, sagt er.   38 wird er an diesem Tag, und die Eröffnung von „Klugheim“ sei sein schönstes Geburtstagsgeschenk.

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