Transfair-Chef Dieter OverathSeit 25 Jahren kämpft der Kölner für fairen Handel

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Ein Foto der Bananen-Kampagne in Köln.

Ein Foto der Bananen-Kampagne in Köln.

Köln – Es gibt viele, die sich die Welt ein bisschen gerechter wünschen. Und es gibt Menschen, die sie jeden Tag ein wenig fairer machen. Einer davon ist Kölner, und er feiert am Montag sein 25. Dienstjubiläum: Dieter Overath. Seit dem 2. Januar 1992 ist der heute 62-Jährige Geschäftsführer von Transfair und machte aus der von Köln aus operierenden Organisation, die in Deutschland das Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt, das, was sie heute ist. Mehr als zehn Millionen Euro an Lizenzeinnahmen von Unternehmen, die das Siegel nutzen, verbuchten die Kölner zuletzt. Einen guten Teil davon lassen sie Kleinbauern und der internationalen Organisation zugute kommen. Mehr als eine Milliarde Euro wurden 2016 bundesweit mit Fairtrade umgesetzt. An solche Summen hat Overath nicht im Traum gedacht vor 25 Jahren an seinem ersten Arbeitstag in seinem Wohnzimmer in Köln-Sülz. Ein echtes Büro sollte er erst Monate später beziehen.

Eine Arbeit mit Herzblut

Aufgewachsen ist Overath in der Bruder-Klaus-Siedlung in Köln-Mülheim, war ein paar Jahre Zeitsoldat, machte eine kaufmännische Ausbildung und studierte Betriebswirtschaft. In einer Werkstattschule machte er in Teilzeit Jugendliche fit für den Job, arbeitete den Rest der Zeit „mit Herzblut“ für Amnesty International, sagt er. Sein Traum sei aber immer gewesen, „Kaufmännisches und Marketing zu verbinden“. Er hätte schon die Zusage für einen Job am Tanzbrunnen gehabt als er eine Anzeige entdeckte, in der Misereor, Brot für die Welt und andere Organisationen einen Geschäftsführer für die „Arbeitsgemeinschaft Kleinbauernkaffee“ suchten.

Transfair-Chef Dieter Overath.

Transfair-Chef Dieter Overath.

Die Idee: durch fairen Handel die Lebensbedingungen der Produzenten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu verbessern. „Der Tanzbrunnen hätte meine kölsche Seele vielleicht mehr gestreichelt“, sagt Overath. Die größere Herausforderung aber sei der Kaffee gewesen: „Ich wollte unbedingt etwas aus der Kiste machen.“

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Kaum jemand glaubte an ihn

Ein dickes Fell musste sich Overath früh zulegen: „Die Kaffeewirtschaft hat mich zunächst am langen Arm verhungern lassen.“ Dass deutsche Kunden auch nur ein paar Pfennig mehr bezahlen würden, damit Kaffeebauern in Lateinamerika mehr als den Mindestpreis bekommen, habe kein Händler oder Röster glauben wollen. Fast überall sei ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen worden, manche holten sogar die Polizei. Er sei sich vorgekommen wie ein Zeuge Jehovas, erinnert er sich heute schmunzelnd. Doch entmutigen ließ er sich dadurch nicht.

Die schon bald in Transfair umbenannte gemeinnützige Organisation begann schließlich damit, über Kirchengemeinden Hausfrauen zu mobilisieren, die im Handel immer wieder nach fair gehandeltem Kaffee fragten. „Das hat eine Reihe von Akteuren aufgeweckt!“

Fairtrade ist keine Ausnahme mehr

Mit dem Kaffee fing alles an. In den Jahren, die folgten, kamen Tee, Kakao, Zucker, Bananen, Saft und vieles mehr dazu. Heute gibt es praktisch keinen deutschen Supermarkt, der nicht Fairtrade anbietet. Die Rohstoffe werden in so vielen Staaten der Erde produziert, dass Overath trotz seiner langen Zeit im Amt längst nicht alle Länder selbst besuchen konnte. Die Kooperativen bekämen professionelle Hilfe von Teams. „Aber ich persönlich muss nicht jeden Kaffeestrauch dieser Welt sehen“, sagt Overath.

Der erste Kaffee mit Siegel wird bei Edeka verkauft.

Der erste Kaffee mit Siegel wird bei Edeka verkauft.

Worauf ist der Vorstandschef stolz nach 25 Jahren, was hätte besser laufen können? Es sei schön zu erleben, dass die Lebensbedingungen für viele Arbeiter heute besser sind, insbesondere auch für die vielen Frauen in den Kooperativen – etwa auf Blumenfarmen in Kenia. Jede vierte Rose, die in Deutschland verkauft wird, trägt das Fairtrade-Siegel – eine echte Erfolgsstory. Er sei auch stolz darauf, den Discount für Fairtrade geöffnet zu haben – obwohl es ihm viel Kritik einbrachte. Als mit Lidl der erste Discounter einen größere Anzahl an Fairtrade-Produkten anbot, war die Sorge groß, die Ware würde verramscht. Bestätigt habe sich das nicht.

Textil geht schlecht voran

Weniger gut als erhofft sind bislang die Erfolge bei Textilien. Er werde nicht eher in Rente gehen, bis es Fortschritte gebe, sagt er. Enttäuschend findet er nach all den Jahren auch, dass viele Händler und Hersteller mit Nachhaltigkeit werben wollen, dafür aber keinen Cent mehr ausgeben wollen. Zum Nulltarif gebe es das nicht.

Kein Händler würde ihm heute mehr die Tür vor der Nase zuschlagen. Hart verhandelt wird dennoch, und jeder macht dies auf seine Weise. Dieter Overaths Stärke ist sicher nicht die Lautstärke, aber seine Beharrlichkeit. Wenn er zwischendurch doch mal wieder auf Granit beißt, streift er so lange auf den Transfair-Fluren in der Sülzer Remigiusstraße herum, bis sich unter Kollegen ein Mitspieler am Tischkicker oder zum Tischtennis findet. Hier bekomme er den Kopf frei. Und beim Schauspiel. Overath hat gerade wieder einen Inszenierungskurs belegt und viel Spaß dabei, in andere Rollen zu schlüpfen. „Was ich da lerne, kann ich gut in Verhandlungen brauchen“, sagt er augenzwinkernd. „Ein wenig bluffen muss man schon können.“

1,6 Millionen Bauern profitieren

Mit Kaffee begann alles 1992. Heute kann man bundesweit 3000 Fairtrade-Produkte von 300 Lizenzpartnern in 42000 Verkaufsstellen kaufen. 1,6 Millionen Bauern und Arbeiter profitieren weltweit vom Fairtrade-System.

88 Prozent sind in Kleinbauern-Kooperativen organisiert. Sie erhalten für ihre Waren zusätzlich zum Fairtrade-Mindestpreis eine Prämie und finanzieren damit soziale und ökologische Projekte vor Ort. (eve)

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