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Nach Aus für Weinwoche auf HeumarktKölns Stadtdirektorin Blome: „Wir können so nicht mehr weitermachen“

Lesezeit 7 Minuten
Ein Bild von der Eröffnung der Kölner Weinwoche auf dem Heumarkt im Jahr 2022.

Ein Bild von der Eröffnung der Kölner Weinwoche auf dem Heumarkt im Jahr 2022.

Wie viele Veranstaltungen werden auf Innenstadt-Plätzen noch stattfinden können? Stadtdirektorin Andrea Blome kündigt große Änderungen an.

Frau Blome, warum darf die Weinwoche anders als sonst nicht auf dem Heumarkt stattfinden?

Andrea Blome: Was den Umgang mit den Plätzen in unserer Stadt angeht, gibt es unterschiedliche Interessen. Ich habe großes Verständnis für Anwohnende, die sich über Lärmbelastungen durch Veranstaltungen beklagen, aber auch für diejenigen, die an liebgewonnenen Veranstaltungen auf einem bestimmten Platz festhalten möchten. Der Ausgleich zwischen diesen verschiedenen Interessensgruppen beschäftigt mich schon länger und ist das Allerwichtigste in einer Stadt, zumal in einer eng bebauten wie Köln.

Was hat sich jetzt geändert?

Alles zum Thema Andrea Blome

Nach Corona hat sich das Leben nach draußen verlagert. Es allen recht zu machen, ist noch schwieriger geworden. Berechtigte Interessen hat jeder Mensch und die fußen in unserem Rechtsstaat auf Recht und Gesetz, das jeder für sich in Anspruch nehmen kann. Der Heumarkt ist ein besonderer Platz, der dreiseitig umbaut ist und auf der Südseite fahren Bahnen und Autos vorbei. Dieser Platz hat ein sehr lautes Grundrauschen. Selbst wenn da gar keine Veranstaltung stattfindet, ist es laut.

Stadtdirektorin Andrea Blome.

Stadtdirektorin Andrea Blome.

Was bedeutet das?

Es gibt Grenzwerte bezüglich der Lärmbelastung, die gemäß NRW-Freizeitlärmerlass lediglich an 18 Tagen überschritten werden dürfen. Damit sind Veranstaltungen am Heumarkt nicht wie bisher zu realisieren. Das Gesetz macht keinen Unterschied, ob es um den Heumarkt in der Millionenstadt Köln geht oder um einen Marktplatz in einer Kleinstadt. Umso mehr sind wir darauf angewiesen, den Ausgleich aller Interessen hinzubekommen. Das funktioniert nur, wenn alle kompromissbereit sind. Deshalb bin ich dankbar, dass beim Heumarkt alle Betroffenen – Anwohnende und Veranstalter – gesprächsbereit sind.

In der Vergangenheit waren Feste wie die Weinwoche am Heumarkt kein Problem, die Verwaltung hatte sie im November im Veranstaltungskonzept für die Innenstadtplätze sogar als Beispiel für eine erlaubte Veranstaltung genannt. Warum jetzt nicht mehr?

Weil wir ein besonderes Jahr haben. Zu allen Veranstaltungen, die für den Heumarkt ohnehin schon geplant waren, kommt noch eine Fußball-Europameisterschaft inklusive des Fanfestes am Heumarkt. Schon seit längerem bin ich im Austausch mit der Bürgergemeinschaft Altstadt, die sich beklagt, dass das zu viel wird, sie sprechen von Über-Eventisierung der Altstadt.

CSD soll Stand jetzt stattfinden

Aber die Fußball-EM, Sie sprechen es ja selbst an, fällt nicht vom Himmel. Es steht seit Jahren fest, dass Köln ein Spielort ist. Warum muss die Stadt die Weinwoche zwei Monate vor der Veranstaltung absagen?

Es geht doch gar nicht darum, die Weinwoche abzusagen. Wir befinden uns in sehr guten Gesprächen für dieses Jahr, der Neumarkt ist eine gute Alternative. Es wäre zu viel für den Heumarkt geworden: Nach der Weinwoche käme die Fußball-EM mit dem Fanfest und danach der Christopher Street Day.

Kann der CSD denn stattfinden?

Stand jetzt: ja.

Sie sprechen die vielen Veranstaltungen an. Warum ist das jetzt ein Problem, auf das sie mit der Absage der Weinwoche auf dem Heumarkt reagieren?

Nachdem die Politik dem Veranstaltungskonzept für die Innenstadtplätze zwischen 2024 und 2028 zugestimmt hatte, klagte ein Anwohner Ende Dezember gegen den Weihnachtsmarkt auf dem Heumarkt. Die Klage drückt aus: Es ist uns zu viel, bitte reduziert die Veranstaltungen. Dabei wurden auch Lärmgutachten präsentiert. Genau darauf haben wir reagiert, wir zeigen, dass wir die Interessen der Anwohnenden ernst nehmen und etwas tun, um die Lärmbelastungen für sie zu reduzieren.

Eine große Bühne ist auf dem Heumarkt aufgebaut. Auf einer Videoleinwand wird ein Fan bei einem Fußballspiel gezeigt, darüber steht „Fan Fest Köln“.

Ein Bild vom Public Viewing auf dem Heumarkt bei der WM 2006. Damals stand beim „Fan Fest“ eine große Bühne auf dem Platz.

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke nennt die Absage der Weinwoche auf dem Heumarkt ein Bauernopfer für die Fußball-EM. Können Sie der Einschätzung etwas abgewinnen?

Ich sehe das anders. Aber wir werden der Politik ein neues Platznutzungskonzept vorlegen, das noch mehr als bisher die Schutzinteressen der Anwohnenden berücksichtigt. Wir können so nicht mehr weitermachen. Wir werden zudem den politischen Beschluss umsetzen, den Neumarkt mehr zu nutzen. Wenn dort eine qualitativ hochwertige Veranstaltung wie die Weinwoche stattfindet, trägt das zu seiner Belebung bei.

Und dann klagen die Anwohnerinnen und Anwohner am Neumarkt.

Die städtebauliche Situation ist dort völlig anders. Dort ist es nicht so eng, da sind auch noch Bäume, die den Lärm etwas schlucken. Am Heumarkt ist die Wohnbebauung dichter am Platz als am Neumarkt.

Sie sagen, die Stadt könne so nicht weitermachen. Im Platznutzungskonzept für den Heumarkt beispielsweise sind 63 Veranstaltungstage für den Heumarkt ausgewiesen, mit An- und Abbau sind es 107. Beides sind deutlich mehr als die erlaubten 18. Worauf läuft das hinaus?

Die 18 Tage überschreiten wir am Heumarkt alleine schon mit dem Weihnachtsmarkt.

Sind diese 18 Tage das neue Maximum, das die Stadt nun tatsächlich anlegt? Oder wie viel geht noch?

Diese 18 Tage aus dem Freizeitlärmerlass sind für Köln nicht angemessen. Wir sind dazu in Gesprächen mit den Landesministerien. Die Anwohnerinnen und Anwohner spiegeln uns, dass es ihnen nicht um die Begrenzung auf 18 Tage geht. Sie wissen selbst, wo sie wohnen. Mir geht es um den Ausgleich unterschiedlicher Interessen.

Solange das Land das Gesetz nicht verändert, verstehe ich das so, dass die neue Anzahl der Veranstaltungstage höher als 18, aber niedriger als 63 liegt?

Neben den Veranstaltungen gibt es am Heumarkt Demonstrationen, die Gastronomie, den Verkehrslärm. Das bedeutet täglich eine hohe Lärmbelastung für die Anwohnenden, das muss man verstehen. Aber eine fixe Grenze von 18 Tagen kann es auch nicht geben. Alle müssen sich aufeinander zu bewegen.

Losgelöst von der Frage, wie oft auf Plätzen gefeiert werden darf: Ändert sich etwas an der Art der Feste?

Ja. Beim Weihnachtsmarkt auf dem Heumarkt machen wir ein qualitätssicherndes Verfahren, es geht um Konzepte, bei denen Verwaltung und Politik Qualitätskriterien einbringen können. Das tun wir bei den anderen Veranstaltungen im Veranstaltungskonzept wie der Weinwoche bislang nicht. Das wollen wir jetzt ändern. Diesen Wandel zu neuen Leitbildern und Qualitätskriterien wollen wir der Politik vorlegen.

Das hört sich nach Tabula Rasa für die Feste auf den Innenstadt-Plätzen.

Nein. Aber wir wollen noch genauer auf die Qualität achten. Die Weinwoche ist ja eben so eine qualitativ hochwertige Veranstaltung.

Deshalb sind einige verwundert, dass gerade die Weinwoche auf dem Heumarkt nicht mehr erlaubt ist. Sie gilt nicht als Veranstaltung mit grölenden Menschenmassen.

Nach der Klage gegen den Weihnachtsmarkt ging es darum, kurzfristig damit zu beginnen, die Zahl der Veranstaltungen zu reduzieren, vor allem in diesem Jahr mit der Europameisterschaft.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, weil die Stadt sich dagegen wehrt: Aber spielt es eine Rolle, dass das Oberverwaltungsgericht Münster der Stadt bescheinigt hat, zu wenig zu tun, um die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner am Brüsseler Platz zu schützen?

Der Interessensausgleich wird in einer Stadt wie Köln immer schwieriger.

Bestimmen mittlerweile einzelne Menschen oder Bürgergemeinschaften, was in Städten noch möglich ist?

Jeder Akteur in Köln bestimmt ein Stück weit mit, wie wir leben. Alle, die rund um den Heumarkt leben, wissen, dass es dort lauter ist als am Stadtrand. Die Anwohnenden haben Lärmbelastungen lange hingenommen, aber irgendwann war es wohl doch zu viel.

Bisher galt: Wo kein Kläger, da kein Richter?

Ja, das ist ja nicht nur in Köln so. Welche Großstadt, die ihre Plätze bespielt, und das wollen wir ja auch, hält die 18 Tage ein? Die gibt es vermutlich nicht.


Andrea Blome, Jahrgang 1960, ist seit dem 24. Juni 2021 Stadtdirektorin und Dezernentin für Allgemeine Verwaltung und Ordnung der Stadt Köln. Die studierte Architektin kam 2017 als Verkehrsdezernentin aus Düsseldorf nach Köln, musste nach der Kommunalwahl 2020 aber das Dezernat wechseln, weil die Grünen das Verkehrsdezernat für sich beanspruchten. Blomes Amtszeit endet am Jahresende.

Bezirksvertretung Innenstadt Das Aus der Weinwoche auf dem Heumarkt wird wohl auch Thema in der Bezirksvertretung Innenstadt am 25. April, die Grünen haben eine Aktuelle Stunde beantragt. Demnach erfuhren sie aus der Zeitung von der Absage der Weinwoche. Julie Cazier, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksvertretung, teilte mit: „Dass ausgerechnet die Weinwoche von der Verwaltung abgesagt wurde, ist völlig unverständlich. Sie gilt – auch unter den Anwohnenden – als eine der verträglichsten Veranstaltungen auf dem Heumarkt und belastet mit jeweils nur einem Auf- und Abbautag über die Dauer der Veranstaltung hinaus die Anwohnenden weit weniger als so manch andere Großevents.“

EM auf dem Heumarkt Auf dem Heumarkt werden während der Fußball-EM vom 14. Juni bis 14. Juli alle Spiele auf drei Bildschirmen gezeigt, teils enden die Spiele erst um 23 Uhr. Platz ist dort für 7500 Menschen. (mhe)