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Vermisste, Rückkehr in die Häuser, SpendenSo ist die aktuelle Lage in Rhein-Erft

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Wann die Bundesstraße 265 bei Erftstadt-Blessem wieder befahrbar sein wird, ist unklar.

Rhein-Erft-KreisDramatische Tage liegen hinter einigen Regionen im Rhein-Erft-Kreis. Nachdem das Hochwasser, besonders in Erftstadt, verheerende Schäden angerichtet hat, scheint sich die Lage etwas zu entspannen. Ein Überblick.

Wie ist der aktuelle Stand in Sachen Tote und Vermisste?

Nach Mitteilung des Rhein-Erft-Kreises sind bisher keine Toten zu beklagen. „Die Suche nach Vermissten dauert an“, teilt die Pressestelle mit. Es sei nach wie vor nicht auszuschließen, dass noch Tote gefunden werden. „Personen, die evakuiert wurden und noch nicht in der Personenauskunftsstelle registriert sind, bitten wir, dies nachzuholen.“ Die Stelle ist erreichbar unter der Rufnummer 02271/995450. Am Montag war bei 23 Menschen der Verbleib noch ungeklärt.

Was passiert derzeit im Krisengebiet?

Das Technische Hilfswerk ist weiter dabei, das Regenrückhaltebecken an der B 265 leer zu pumpen. Die Fahrzeuge sollten voraussichtlich erst am späten Montagabend freigelegt werden. Die Fahrzeuge, die sich am Ufer des Beckens befanden, konnten inzwischen geborgen werden. Die B 265 ist in Fahrtrichtung zur A 61 zerstört und in Fahrtrichtung Brühl stark verschlammt.

Wie viele Häuser im Kreis sind wegen des Hochwassers zerstört oder unbewohnbar?

Nach Angaben der Kreisverwaltung gibt es noch keine Schätzung zum materiellen Schaden. „Insbesondere die Ortslage in Blessem befindet sich weiterhin in der Überprüfung“, teilt die Pressestelle mit.

Wann können die Bewohner in Häuser zurück, die noch intakt sind?

Das ist noch unklar. Derzeit dürfen nur die Bewohnerinnen und Bewohner von Blessem nicht in ihre Häuser zurück. Aber der Krisenstab hat nach seiner Sitzung am Montagabend mitgeteilt, dass sehr bald eine Sicherheitszone von 100 Metern zur Abbruchkante am Ort festgelegt werden soll. „Außerhalb dieser Zone werden Bewohner zeitweise und begleitet in ihre Häuser zurückkehren können, um ihr Hab und Gut zu sichern“, sagt Kreispressesprecher Marco Johnen.

Auch Bewohnern, deren Häuser innerhalb dieser 100-Meter-Zone liegen, soll eine Perspektive auf eine Rückkehr in ihre Häuser gegeben werden. Dazu würden Experten gerade prüfen, wie die Böschung der Kiesgrube am Ortsrand gesichert werden könne.

Die Stadt Erftstadt hat aus der eigenen Kasse zunächst 600.000 Euro an die Betroffenen als Überbrückungshilfe ausgezahlt. „Diese Hilfe ist dafür gedacht, dass besonders schwer Betroffene, die aktuell vor dem Nichts stehen, die Möglichkeit haben, sich selbst mit Dingen des täglichen Bedarfs und Nahrungsmitteln zu versorgen“, teilt die Verwaltung mit.

Was ist mit dem Marien-Hospital in Frauenthal?

OP-Säle, Behandlungsräume, Zimmer und Flure wurden vollkommen überflutet, Schlamm liegt in allen Gängen und viele medizinische Geräte, wie Ultraschall- und Beatmungsgeräte, haben einen Schaden erlitten. Wann das Krankenhaus wieder in Betrieb geht, ist noch völlig unklar.

Wie ist die Lage in Kerpen, Bergheim und Bedburg?

Derzeit ist die Lage im Nordkreis weiter entspannt. Die Hochwasserrückhaltebecken entlang des mittleren und des unteren Laufs der Erft sind leer, der Fluss fließt ruhig.

Sind noch Sachspenden gewünscht? Wer organisiert die freiwilligen Helfer?

Das Lager, in dem die Sachspenden derzeit verwaltet werden, ist voll. Die Spenden werden von Helferinnen und Helfern vorsortiert und im Anschluss weitergegeben. Insbesondere die Versorgung mit Kinderkleidung, Spielzeug und Hygieneartikeln ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt mehr als ausreichend. Geldspenden an die Hochwasserhilfe des Kreises sind allerdings willkommen.

Von der Stadt Erftstadt ist die Einrichtung eines Hilfeportals in der Planung. Eine Stelle für die Ausgabe einer finanziellen Soforthilfe an Bürgerinnen und Bürger in Blessem wurde eingerichtet und befindet sich im Rathaus der Stadt Erftstadt. Die zahlreichen Helferinnen und Helfer werden von der Einsatzleitung und den Einsatzkräften vor Ort koordiniert.

Wie steht es um die zurückgelassenen Tiere im Katastrophengebiet?

Die meisten im Katastrophengebiet zurückgebliebenen Haustiere wurden bereits am Sonntag gerettet. Beteiligt ist unter anderem die Tierhilfe Vierbeiner Erftstadt und seit Montag die Tierrettung Dogman. Bürgerinnen und Bürger, die sich über den Verbleib ihres Tieres informieren möchten, könnten sich an die zentrale Hotline der Stadtverwaltung Erftstadt wenden (02235/409850). Von dieser Stelle wird auch die Zusammenführung organisiert. Die meisten Tiere befinden sich in Pflegestellen.

Wie steht es um die Stromversorgung und die Kommunikation im Katastrophengebiet?

In weiten Teilen des Katastrophengebietes konnte die Versorgung bereits wiederhergestellt werden. Da, wo es noch nicht gelungen ist, wird weiterhin unter Hochdruck an der Wiederherstellung gearbeitet.

Wie viel Regen ist gefallen?

Laut Mitteilung des Erftverbandes lag der Pegel in Bliesheim, unterhalb des Zusammenflusses von Erft und Swist, am Donnerstagmorgen bei 4,07 Meter. Das sind rund 1,50 Meter über dem seit 1965 gemessenen Maximum. In Kerpen-Mödrath stieg der Pegel nicht über etwa 1,50 Meter. Das entspreche etwa einem zehnjährigen Abfluss, so der Erftverband.

Das Wasser versickerte überwiegend in den Auen und gelangte nur zu einem geringen Teil zurück in die Erft. Die Zulaufmenge zum Kerpener Bruch sei dennoch hoch gewesen, das konnte auch das Ablaufen des Wassers in den Kiestagebau in Blessem nicht verhindern.

Wie bewertet der Erftverband den Hochwasserschutz?

Im nördlichen Rhein-Erft-Kreis sei im Gegensatz zum südlicheren Kreisgebiet die große Welle ausgeblieben, weil Millionen Kubikmeter Wasser in Kiesgruben geflossen seien, zum Beispiel zwischen Gymnich und Türnich, sagt Ulrich Muris, Abteilungsleiter Gewässer beim Erftverband.

Aber: „Gegen solche Ereignisse kann man sich nicht komplett schützen.“ Solche Hochwasser seien mit technischen Maßnahmen nicht in den Griff zu bekommen. Muris hofft aber, dass auf den zerstörten Grundstücken nahe der Erft, nicht wieder gebaut werde. Er fordert mehr Platz für die Erft, auch in den Innenstädten.

Was passiert, wenn es in den kommenden Tagen regnet?

Laut Muris müssten sich die Menschen keine Sorgen machen. Alle Hindernisse, durch die sich das Wasser stauen würde, seien weggeräumt worden.

Wie lange bleiben Haushalte in Erftstadt noch ohne Gasversorgung?

In den Stadtteilen Lechenich, Herring und Konradsheim strömt seit Montag wieder Gas durch die Leitungen, Blessem und Bliesheim bleiben vorsorglich von der Versorgung getrennt. Das teilt die Gasversorgungsgesellschaft Rhein Erft (GVG) mit. Die Mitarbeiter vor Ort hätten festgestellt, dass rund 75 Prozent der Heizungsanlagen sofort wieder betriebsbereit gewesen seien.

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Das Gas ströme automatisch bis zum Hauptabsperrhahn, wenn die Leitung wieder in Betrieb genommen werde, der Gasdruckregler öffne selbstständig. Dann solle man aber rund 30 Minuten warten, bis man Gasgeräte einschalte, rät die GVG. Sonst könne es passieren, dass der Regler wieder schließe.

Wie wird das Problem der Postzustellung in vom Hochwasser betroffenen Gebieten gelöst?

Die Post hat ihren Zustellstützpunkt in Erftstadt Montag wieder bezogen. „Ein Großteil der gefahrlos zugänglichen Bezirke ist wieder regulär besetzt, so konnten wir die Zustellung in weniger betroffenen Gebieten weitgehend normalisieren“, sagt Stützpunktleiter Manfred Klose. Die Menschen aus den evakuierten Gebieten könnten ihre Post bei den Filialen an der Carl-Schurz-Straße in Liblar oder der Peter-May-Straße in Köttingen abholen.

Erftstadt Unwetter DHL Wagen

Von einem DHL-Wagen ist auf der Luxemburger Straße nicht mehr viel zu sehen.

Die Post führe Gespräche mit der Stadt, um Service direkt an den Notunterkünften anzubieten, berichtete Pressesprecherin Jessica Balleer. Noch gebe es Verzögerungen, doch es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Sendungen möglichst schnell zuzustellen. Manfred Klose: „Die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen hat dabei Priorität.“

Wann funktionieren die Festnetztelefone wieder?

Rund 10.000 Kunden von Netcologne waren im Katastrophengebiet ohne Festnetzanschluss. In weniger stark betroffenen Teilen seien die ersten Kunden wieder ans Netz gegangen, berichtet das Unternehmen. In anderen Orten kämen die Techniker noch nicht an die Verteilerkästen, weil es zu gefährlich sei. An einigen Stellen müssten vermutlich Kabelrisse oder Wasserschäden beseitigt werden – wie lang das dauere, könne man noch nicht sagen, teilte das Unternehmen Netcologne mit.