Ein Jahr Muezzin-Ruf in KölnNur die Ditib ruft öffentlich zum Gebet

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Vor einem Jahr: Am 14. Oktober 2022 ruft Mustafa Kader zum ersten Mal öffentlich zum Freitagsgebet.

Vor einem Jahr: Am 14. Oktober 2022 ruft Mustafa Kader zum ersten Mal öffentlich zum Freitagsgebet.

Das Pilotprojekt der Stadt zum öffentlichen Muezzinruf hat bisher nur die Ditib wahrgenommen. Warum ist das so?

Auf den Tag genau ein Jahr nach dem ersten öffentlichen Muezzinruf zum Freitagsgebet in Köln haben bislang keine weitere Moscheegemeinden einen Antrag bei der Stadt Köln gestellt. Das hat die Verwaltung dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgeteilt. Damit bleibt nur die Ehrenfelder Zentralmoschee, in der der Muezzin seit dem 14. Oktober 2022 freitags zwischen 12 und 15 Uhr für fünf Minuten zum Gebet ruft.

Für die Bewilligung des Antrags müssen die Gemeinden mehrere Bedingungen erfüllen (siehe Info-Text am Ende des Textes). Eine Sprecherin der Stadt sagte: „Zu weiteren Antragstellungen kam es jedoch nicht. Nach den Rückmeldungen einzelner Vertreterinnen und Vertreter besteht gutes Einvernehmen mit der umliegenden Nachbarschaft, das durch den öffentlichen Gebetsruf nicht beeinträchtigt werden soll.“

Premiere läuft anders als der Alltag

In der Ehrenfelder Moschee ruft der Muezzin im Inneren zum Gebet und nicht auf den 55 Meter hohen Minaretten, sie haben laut Architekt Paul Böhm eine städtebauliche Funktion und dienen nicht als erhöhter Standplatz für den Muezzin. Der Ruf wird aus der Moschee über zwei kleine Lautsprecher an der Eingangstür auf den Vorplatz übertragen. Nur bei der Premiere am 14. Oktober 2022 war das aufgrund des enormen Medienandrangs anders, Muezzin Mustafa Kader rief damals auf dem Vorplatz zum Gebet.

Die Grenze für den Ruf liegt an der Zentralmoschee bei 60 Dezibel. Zudem steht die Moschee an der viel befahrbaren Inneren Kanalstraße mit viel Verkehrslärm, vom Bürgersteig führt noch eine Treppe auf den erhöht gelegenen Vorplatz. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) betreibt die Moschee.

Das Bild zeigt die beiden Lautsprecher an der Eingangstür zur Moschee. Es überträgt den Muezzinruf auf den Vorplatz vor der Moschee.

Das Bild zeigt die beiden Lautsprecher an der Eingangstür zur Moschee. Es überträgt den Muezzinruf auf den Vorplatz vor der Moschee.

Am 14. Oktober 2022 hatten sich hunderte Menschen vor der Moschee versammelt, es gab Unterstützer und Gegendemonstranten, die Polizei war vor Ort. Doch schon in der Woche danach war Normalität eingekehrt – und das hat sich laut dem Beteiligten bis heute nicht geändert.

Beispielsweise sagte Ehrenfelds Bezirksbürgermeister Volker Spelthahn (Grüne): „Es gab schon sehr viel mediale Aufmerksamkeit vor einem Jahr.“ Tatsächlich war das Thema in den Medien präsent, bundesweit berichteten unter anderem „Spiegel“, „ARD“ und „ZDF“. Spelthahn sagte aber auch: „Aber seitdem ist das Thema unauffällig, bei mir sind gar keine Beschwerden angekommen.“

Ähnlich äußert sich die Kölner Stadtverwaltung, eine Sprecherin teilte mit: „Nach dem konkreten Start des Gebetsrufes in der Zentralmoschee der Ditib in Ehrenfeld im Oktober 2022 wurden bei der Verwaltung bisher keine nennenswerten Anfragen, Reaktionen oder Beschwerden registriert.“ Auch Murat Sahinarslan, Direktor des Moscheeforums, sagte: „Wir haben keine negativen Rückmeldungen erhalten.“

Blick ins Innere: Menschen sitzen auf dem Boden der Moschee

Blick ins Innere: Am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober öffnete die Ditib ihre türen für Besucher.

Ursprünglich hatte die Stadt Köln am 7. Oktober 2021 ziemlich überraschend das zweijährige Pilotprojekt angekündigt, Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) teilte damals mit: „Musliminnen und Muslime, viele von ihnen hier geboren, sind fester Teil der Kölner Stadtgesellschaft. Wer das anzweifelt, stellt die Kölner Identität und unser friedliches Zusammenleben infrage. Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird.“ In anderen Kommunen wie Düren ist das seit Jahrzehnten Alltag.

Nach zwei Jahren soll eine Analyse folgen, wie es gelaufen ist und wie es weitergeht. Doch nach der Ankündigung tat sich erstmal lange relativ wenig. Zunächst interessierte sich die Ehl-i-Beyt-Moschee in Mülheim für den Muezzinruf, sie erkundigte sich bei der Stadt, stellte formal aber nie einen Antrag. Ihr Mitglied Ekrem Yanar sagte am Freitag: „Wir wollten die Anwohner nicht stören, es hätte zu laut sein können. Deshalb haben wir uns dagegen entschieden und bleiben dabei.“ 

Kritik an der Ditib

Also machte die Ditib den Anfang, das sahen Teile des Stadtrates kritisch. Die Ditib untersteht der Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet), die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unterstellt ist. Zudem feierte sie die Eröffnung der Moschee 2018 mit Erdogan, aber ohne Beteiligung hochrangiger Vertreter von Bund, Land oder Stadt. Die Kölner Linken-Fraktionssprecherin Güldane Tokyürek sprach von einem „Störgefühl“.

Reker sagte am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober: „Ich war wie viele Kölner und Kölnerinnen erschreckt davor, welche ablehnenden Reaktionen Ihre Gemeinde erdulden musste, und ich bedanke mich dafür, wie Sie mit dieser Situation umgegangen sind.“

Das 2021 ausgerufene zweijährige Pilotprojekt läuft aufgrund der geringen Resonanz anders als geplant: Da nur die Ditib den Antrag gestellt hat, ist der Testlauf erst vorigen Oktober mit dem ersten Muezzinruf am 14. Oktober 2022 gestartet, die Auswertung folgt ab Oktober 2024 nur für die Ditib. Laut der Stadt-Sprecherin beginnt bei jeder neuen Moscheegemeinde, die den Antrag erfolgreich stellt, der zweijährige Testlauf von vorne. Sahinarslan kündigte erneut an, dass weitere, kleinere Ditib-Moscheen in Köln den Antrag stellen werden.


Das sind die Regeln für den Muezzinruf:

Damit in den Moscheegemeinden der Muezzin öffentlich zum Gebet rufen darf, müssen die Verantwortlichen bei der Stadt Köln einen Antrag stellen und bestimmte Bedingungen erfüllen. Welche das im Detail sind, legt die Stadt mit der jeweiligen Gemeinde separat in einem Vertrag fest, weil die Moscheen in Köln an unterschiedlichen Standorten stehen. Das liegt unter anderem daran, dass in Wohn- oder sogenannten Mischgebieten andere Regeln für den Lärmschutz gelten als in Industriegebieten. Die Lautstärke würde in jedem Fall einzelnen festgelegt.

Zusätzlich gelten aber auch Auflagen, die für alle Gemeinden zu erfüllen sind. Dazu gehört unter anderem ein Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin für die Nachbarschaft. Zudem muss die Nachbarschaft im Vorfeld mit ausreichend Vorlauf per Flyer informiert werden. Stimmt die Stadt dem Antrag der Gemeinden zu, ist der öffentliche Muezzinruf einmal wöchentlich zum Freitagsgebet zwischen 12 und 15 Uhr für jeweils fünf Minuten erlaubt. Der Zeitpunkt variiert je nach Kalender. (mhe)

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