Kölns Ex-OB Schramma über Muezzinruf„Hätte die Möglichkeit als Stadt nicht angeboten“

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Fritz Schramma.

Köln – Nach der hitzigen öffentlichen Diskussion hat am Freitag in Köln zum ersten Mal ein Muezzin an einer Moschee öffentlich zum Freitagsgebet gerufen. Die knapp dreiminütige Premiere an der Ehrenfelder Zentralmoschee ging außerhalb des Grundstücks aber teils unter und war kaum zu hören, weil eine Gegendemonstration mit etwa 30 Teilnehmern lautstark protestierte. Aufgrund des großen Medieninteresses stand der Muezzin dabei vor der Moschee statt wie üblich im Gebetssaal für 1200 Gläubige. Der Ruf wurde per Lautsprecher übertragen.

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) sprach von einem erfreulichen Schritt und kündigte an, für weitere ihrer kleineren Moscheen Anträge bei der Stadt Köln zu stellen. In anderen Städten wie etwa Düren ist der Ruf längst Alltag.

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Die Stadt Köln hatte im Oktober 2021 überraschend ein Pilotprojekt ausgerufen, bei dem die Moscheegemeinden den Muezzinruf beantragen können. Er darf dann je nach Stand der Sonne einmal pro Woche freitags zwischen 12 und 15 Uhr für fünf Minuten öffentlich zu hören sein. Die Gemeinden müssen aber Auflagen erfüllen, unter anderem sollen sie ein Schallgutachten vorlegen.

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Der frühere Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der sich in seiner Amtszeit trotz Widerständen für den Bau der Moschee eingesetzt hatte, sieht das kritisch. Er sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ich sehe den Muezzinruf nicht als notwendig an, um Köln als weltoffene Stadt zu präsentieren. Ich hätte die Möglichkeit als Stadt nicht angeboten. Dass die Ditib das dankbar annimmt, ist klar.“

Schramma thematisierte damit die Rolle der vielfach kritisierten Ditib, sie untersteht der Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet), die wiederum dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan untersteht. Schramma sagte: „In Ankara wird heute Applaus geklatscht.“

Die Ditib hatte in dieser Woche ihr schlechtes Image beklagt, aber eingeräumt, dass ihr Verhalten in der Vergangenheit nicht immer „Sternstunden“ gewesen seien.

Vor allem die Eröffnung der Moschee durch den türkischen Präsidenten Erdogan in einer geschlossenen Gesellschaft 2018 war zum Politikum geworden. Von Stadt, Land oder Bund war kein offizieller Gast anwesend. Danach verlangte Oberbürgermeisterin Henriette Reker ein Zeichen der Integrationsbereitschaft. Das sehen einige Fraktionen des Stadtrates bis heute als Forderung an, die die Ditib nicht erfüllt hat.

Professor Rauf Ceylan vom Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück hält den Muezzinruf ohnehin für „reine Symbolpolitik“, er habe religionspolitisch und theologisch keine Funktion. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ kritisierte Ceylan vor allem die Ditib: „Dass die Ditib ihn nun als erste Moscheegemeinde in Köln ausführt, halte ich für besonders fragwürdig, weil die Ditib zunächst mal ihre Geschichte in Köln aufarbeiten sollte. Viele Menschen in Köln haben den Bau der Moschee unterstützt, doch die geschlossene Gesellschaft bei der offiziellen Eröffnung durch den türkischen Präsidenten Erdogan war ein Schlag ins Gesicht vieler Kölner.“

Zusätzlich zur Ditib haben bislang rund zehn Moscheegemeinden ein loses Interesse am öffentlichen Muezzinruf bekundet, eine kurzfristige weitere Genehmigung ist laut Stadt aber nicht zu erwarten.

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