Vom Kürbis drangsaliertRüben und Pastinaken verdienen mehr Aufmerksamkeit

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Pastinaken und anderes Wurzelgemüse sind im Herbst besonders lecker.

  • In seiner Kolumne „Köln kulinarisch” schreibt Sebastian Bordthäuser über Essen, die Gastro-Szene und Trends.
  • Kaum ist es Herbst, verfällt die Deutsche Nation in einen schieren Kürbis-Wahn.
  • Warum unser Kolumnist damit ein Problem hat und was sein Gegenvorschlag ist, lesen Sie hier.

Köln – Seitdem er wieder in der Auslage liegt, haben es die anderen Gemüse schwer. Seit das Erntedankfest in Halloween umgetauft wurde, ist er kulinarisch omnipräsent: Der Kürbis. Sein Anbau hat sich in den vergangen zehn Jahre mehr als verdoppelt. Zwar macht die Gesamtproduktion des Kürbis nur gut drei Prozent des kompletten Gemüseanbaus aus, doch da es sich um einen Saisonartikel handelt, ist das mehr als bemerkenswert.

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Wie jedes Jahr feiert er im Oktober seinen Einzug auf die Speisekarten des Landes. Privat wie gewerblich. Bis voraussichtlich Februar hat das impertinenteste Gemüse, neben Spargel, unter Gottes großer Sonne das Regiment übernommen. Man kann kaum eine Gastronomie betreten, ohne von Kürbis-Derivaten drangsaliert zu werden: Kürbissuppe, Kürbis- Gnocchi, Ofen-Kürbis, Kürbis-Püree... Man ist quasi von Kürbissuppe umzingelt. Vom Laien bis zum Profi fühlt sich jeder berufen, der Saisonalität zu huldigen.

Diffuse Trends bestimmen unseren Speiseplan

Allerdings: Unter dem Deckmantel des Besser-Essers propagieren wir Saisonalität und blenden dabei – wie beim Spargel – alle anderen Gemüse aus. Ein eklatanter Fehler. Denn während der Kürbis-Saison haben nicht nur Rüben, sondern auch Pilze, Pastinaken, Rote Bete, Rosenkohl, Schwarzwurzeln, Topinambur und Steckrüben Saison. Von einem Steckrüben-Hype sind wir jedoch noch sehr weit entfernt. Dabei ist ein zünftiges Steckrüben-Gulasch mit Sternanis und ordentlich geräuchertem Paprika nicht von der Tischkante zu stoßen. Statt sich mit saisonalen Gemüsen zu beschäftigen, bestimmen diffuse Trends unseren Speiseplan.

Der Kürbis an sich ist in seiner Fadheit nicht das Problem. Das sind wir selbst, wenn wir über unsere irrational entfachte Liebe zum Kürbis alles andere in den Hintergrund geraten lassen. Somit ist auch das Konzept der Saisonalität zu überdenken: Topinambur-Stampf, karamellisierte Pastinaken aus dem Ofen oder gegrillte Rote Bete mit feinem Raucharoma wären nämlich ebenso im Angebot – und würden sich freuen über ein wenig Aufmerksamkeit.

Vieles hat mehr Eigengeschmack als der olle Kürbis

In unserer Fleisch-dominierten Gesellschaft geht das Wissen um Gemüse immer mehr verloren. Und so schön Trends wie der Kürbis-Hype letztlich sind, weil sie sich um ein Gemüse und seine vielseitigen Facetten bemühen, so sehr befeuern sie die Verarmung um das Wissen um unsere Lebensmittel. Allein dadurch, dass sie diese schlichtweg ausklammern. Schauen Sie sich um, wie viele der oben genannten Gemüse in den Gaststätten oder bei ihren Freunden auf dem Speiseplan stehen. Ich denke, es hängt nicht mit den Qualitäten der Gemüse zusammen, die allesamt mehr Eigengeschmack als der olle Kürbis haben. Aus Erkenntnis wächst Verantwortung. Fragen Sie also nach beim nächsten Markt-Besuch oder auch im Restaurant.  

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