Green Fashion aus Köln mit LaniusDie Pionierin der öko-fairen Bewegung in Deutschland

Lesezeit 5 Minuten
Claudia Lanius higres ©thekla_ehling

Claudia Lanius

Köln – Auf den Kleiderstangen im hinteren Teil des Showrooms hängt die neue Kollektion, Herbst/Winter 2018/19. Sie ist noch nicht fertig. Es sind Prototypen, an denen das Design-Team noch ändert und ergänzt, bis sie im Januar in Berlin bei der Ethical Fashion Show Einkäufern und Presse erstmals präsentiert werden. Deshalb ist es eigentlich ein vollkommenes Tabu, über die Optik auch nur eine Silbe zu verlieren.

Doch dann sticht an der Stange ein Mantel ins Auge: Flauschig, wollig, warm, mit einem Karo, das den Kamelton so brilliant ergänzt, dass er doch zum Thema wird. Aber nicht weil er schön ist, sondern weil anhand des Wollgewebes die ganze Philosophie des Unternehmens erklärt werden kann: „Der Mantel ist toll, aber entspricht noch nicht meinen Ansprüchen. Mein italienischer Mantellieferant fertigt ihn gerade neu, mit Wolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung“, sagt die Designerin und Unternehmenschefin Claudia Lanius. Auf dem Berliner Laufsteg wird dann ein Kleidungsstück zu sehen sein, dem niemand ansieht, dass die Alpakas oder Schafe schonend geschoren wurden, das sich aber mit gutem Gewissen in die Lanius- Kollektion mit dem hohen Nachhaltigkeitsanspruch einreihen wird: Es sind Textilien, hergestellt mit Rücksicht auf Mensch, Tier und Umwelt.

Seit 20 Jahren auf dem Markt

Das Label aus der Kölner Südstadt hat mittlerweile eine Größe erreicht, die es der Designerin ermöglicht, ihre Stoffe auch selbst herstellen lassen zu können. Das bedeutet jedoch: „Ich muss mehrere tausend Meter Stoff oder zwei Tonnen Garn vorfinanzieren. Aber ich muss es machen, ich kann ja nicht warten, bis die Produzenten das von sich aus tun.“

Mittlerweile ist sie seit fast 20 Jahren auf dem Markt, freut sich in den letzten Jahren über kontinuierlich zweistelliges Wachstum „Wir wachsen langsam, aber gesund“, sagt die 50-Jährige in ihrem hellen Büro mit dem Bambustisch und der riesigen Glasfront zum Hinterhof mit den Kübelpflanzen. Insgesamt beschäftigt sie – die vier Kölner Geschäfte mitgezählt – 45 Frauen und einen Mann. Erst kürzlich erweiterte sie um den neuen Onlineshop, der von der Rolandstraße aus geführt wird.

Zehn Jahre auf Reisen

Lanius gilt als Pionierin unter den deutschen Designern der öko-fairen Bewegung. Als sie ihr Business aufbaute, war sie vor allem unterwegs. „Die Kunst ist es, weltweit die guten, ehrlichen Lieferanten zu finden.“ Deshalb war sie in den ersten zehn Jahren auf Reisen. Wochenlang besuchte sie Fabriken in Europa, recherchierte monatelang in der Türkei, später – im Zuge der Globalisierung – auch in China und Südamerika. „Der Sache auf den Grund gehen“, fasst sie die intensive Zeit zusammen. „Ich war schon immer so ein Sesamstraßen-Kind“, meint die Mutter einer erwachsenen Tochter, „ich wollte immer wissen, wieso, weshalb, warum“.

Diesem Instinkt im Öko-Business mit einem Grundmisstrauen zu folgen, erwies sich als richtig: „Denn dann fährst du nach Indien und siehst, wie die Farbbrühe ungefiltert in die Flüsse läuft, entdeckst, dass zwar Öko-Baumwolle drauf steht, aber dass das Saatgut genmanipuliert ist. Dann denkst du, dass wenigstens bei den Merinoschafen in Australien alles in Ordnung ist, schaust hinter die Kulissen – und dir wird schlecht.“ Bei ihren heutigen Lieferanten kennt sie deshalb jeden Filter, jede Kläranlage, weiß dass Schafe scheren keinem Massaker gleichen muss und kennt das Gehalt der Arbeiter. Sie fährt trotzdem immer wieder an die Produktionsstätten – und schaut sich um.

Neues Material, neue Recherche

Dieses Wissen hat sie sich über Jahre erarbeitet. Mit jedem neuen Material, das sie in ihre Kollektion integriert hat, ging die Recherche von vorne los. „Aber das war richtig, ich bin Designerin und liebe die Haptik und Verarbeitung vielerlei Materialen.“ Bevor sie ihre eigene Firma gründete, hatte sie schon 1994 mit ihrem ehemaligen Mann zusammen einen Textilbetrieb, „The Hanf Company“. Sie arbeiteten fünf Jahre lang vorwiegend mit der Hanffaser, lieferten anfangs Unmengen Ware an den Versandhändler „Hess natur“ und später an weitere. Mit der Trennung von ihrem Mann endete auch The Hanf Company und Lanius gründete ihren eigenen Betrieb: Lanius.

Auf ihr Wissen baute sie auf und ergänzte die „kühle Faser Hanf“ um Baumwolle, Seide und Wolle. „Aber die extrem hohen Qualitätsstandards vom Marktführer Hess natur habe ich übernommen. Das war mir wichtig“.

In zwölft europäischen Ländern vertreten

Natürlich könnte Lanius heute mit dem Umsatz, Netzwerk und Wissen auch vier Kollektionen pro Jahr herstellen. Sie hat Erfolg mit ihren fließenden, edlen Kleidungsstücken, in einer überschaubaren, aber nie langweiligen Farbskala. Sie beliefert 320 Kunden vorwiegend in Deutschland und ist in zwölf europäischen Ländern vertreten. In der Schweiz eröffnet sie bald mit einem langjährigen Partner den ersten Franchise-Store. Sie ist sich sicher, dass auch sie den Markt mit mehr Material befeuern könnte. Aber würde das zu ihren Prinzipien der Nachhaltigkeit passen? Es kommt ein klares: „Nein.“ Claudia Lanius bleibt bei ihren zwei Kollektionen. „Wir machen Slow-Fashion“, sagt sie, was bedeutet: „Wir lassen den Produzenten, uns selbst, aber auch den Kunden Zeit. Im Ernst – wer braucht so viele Klamotten, wer braucht den ganzen Überfluss?“

Und dann kann sich die zierliche, blonde Person, die so ruhig und gelassen wirkt, in Rage reden. Über Konsum und Überfluss, über fehlende Regeln und Gesetze. „Deutschland, nein Europa, braucht ganz klare Einfuhrbeschränkungen. Es ist die einzige Lösung, um die ganzen billigen Klamotten von der Straße zu bekommen.“ Was denn ihrer Meinung nach nachhaltig ist? Sie schlägt vor, den Konsum einzuschränken, dafür mit dem Vorhandenen zu arbeiten, und dass jeder mal den Überfluss überdenkt.“

Lanius ist permanent auf der Suche nach neuen Entwicklungen, Techniken, ressourcenschonendem Material oder recyceltem Garn. Bei all diesen Recherchen stieß sie aber auch auf alte, indische Seidensaris, die sie dann erstmals zum Upcycling inspirierten. Die Saris ließ sie in Indien von Frauen nach traditioneller Handwerkstechnik zu Kleidern ihres Designs verarbeiten. Entstanden sind sehr schöne, bunte Neckholder-Kleider und bodenlange Tuniken. Über dieses Projekt darf man schon Worte verlieren, die Unikate aus Indien gehören zur Sommerkollektion 2018 – die wird im Januar ausgeliefert.

Lanius Store Innenstadt: Apostelnstraße 6, 50667 Köln Store Südstadt: Merowingerstraße 7, 50678 Köln Store Agnesviertel: Neusser Straße 61, 50670 Köln Store Sülz: Berrenrather Straße 203, 50937 Köln www.lanius.com

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren