Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Urlaube des Grauens„Sie kommen ja aus Köln. Da können wir sie leider nicht aufnehmen“

13 min
Familie im Sommerurlaub, beim Baden am Strand (model-released) Copyright: xMEVx ALLMVPC760705

Family in Summer vacation the bath at Beach Model released Copyright xMEVx ALLMVPC760705

Urlaub ist nicht immer gut gelaunt und durchtrainiert am Badestrand. Manchmal sind die Erlebnisse auch einfach schrecklich.

Die schönste Zeit des Jahres hat begonnen. Nicht immer erfüllen sich die Erwartungen. Wir erzählen unsere schlimmsten Urlaubsgeschichten.

Mit zwölf nahm mich die Familie einer Freundin mit in den Korsika-Urlaub. Und dachte sich etwas Besonderes aus, um meinen 13ten Geburtstag zu feiern: Wir fuhren mit einem alten Schlauchboot mit Außenbordmotor zu einer versteckten Bucht, wo wir den Tag verbrachten.

Das war wunderschön - allerdings versagte auf der Rückfahrt der klapprige Motor und wir trieben hilflos auf dem Meer und der starke Wind trieb uns immer weiter auf die Steilküste zu. Es dauerte nicht lange, und wir hingen alle seekrank über Bord - und das Geburtstagspicknick landete im Meer. Irgendwann, gefühlt nach Stunden, sammelte die Seenotrettung uns ein und beschimpfte uns wegen unserer Verantwortungslosigkeit. Soweit ich das mit meinen rudimentären Französischkenntnissen verstanden habe.

Frisch gerettet und seekrank auf Bergwanderung

Fast noch schlimmer war aber, dass wir aus irgendwelchen Gründen noch zu Fuß bei gefühlt 40 Grad sieben Kilometer durch die Berge zurückwandern mussten. In komplett desolatem Zustand und mit Kleidung, die deutlich von der Seekrankheit in Mitleidenschaft gezogen war, um es mal so zu formulieren. Aber immerhin: Wir haben es überlebt. Und diesen Geburtstag werde ich nie vergessen.

Kerstin Meier, 50, Kulturredakteurin, hat den Korsika-Urlaub trotzdem in guter Erinnerung behalten. Aber mit einem notdürftig motorisierten Schlauchboot würde sie nicht nochmal freiwillig übers Meer fahren.


Hotelverbot und aufgelöste Kinder

Wenn wir unsere Kinder fragen, was für sie das schlimmste Urlaubserlebnis war, dann ist die Antwort eindeutig. „Da, wo wir nicht in dieses Hotel reingekommen sind“, sagt die neunjährige Tochter. Und der Sohn (11) ergänzt: „Das hatte irgendwas mit Corona zu tun.“

Ja, genau.  Man mag es kaum glauben, aber vor fünf Jahren, im verrückten Alltag zu Zeiten der Pandemie, hat sich diese Geschichte so zugetragen. Wir wollten in den Herbstferien 2020 nach Bayern reisen, das Rhön-Park-Hotel lockte mit Kinderbelustigung und einem großen Pool. Ich hatte den Zimmerschlüssel schon in der Hand, als die Rezeptionistin sagte: „Ach Moment mal, Sie kommen ja aus Köln. Da können wir sie leider nicht aufnehmen. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 gilt in Bayern ein Beherbergungsverbot.“

Frau und Kind mit Maske vor dem Hotel

Kein Zutritt zum Rhön-Park-Hotel: Beherbergungsverbot. Dabei war die Familie bei einer Inzidenz von unter 50 in Köln losgefahren.

Wie konnte das sein? Als wir morgens in Köln losgefahren waren, lag die Inzidenz bei 49,8. Und 49,8 ist weniger als 50. Aber die Frau am Check-in blieb hart. „Bei uns steht 53. Das sind die aktuellen Zahlen.“

Was für eine Hiobsbotschaft! Die Kinder waren völlig aufgelöst. Um die Situation halbwegs zu retten, beschlossen wir, jetzt wenigstens zu Oma und Opa zu fahren, die in Norddeutschland wohnen. Als wir dort gerade angekommen waren, stellte sich heraus, dass das Hotel seine „amtlichen“ Zahlen nicht vom Robert-Koch-Institut, sondern vom Karlsruher Institut für Technologie bezogen hatte - die allerdings nicht bindend waren. Später bedauerte das Hotel den Fehler. Für uns bleibt der Alptraum unvergessen.

Gerhard Voogt, Landeskorrespondent NRW


Willkommen im Paradies! – Betreten verboten

Ach, Seychellen. Dieser verheißungsvolle Archipel im Indischen Ozean, wo Palmen sich im warmen Wind biegen und das Wasser so klar ist, dass man die Laune der Fische lesen kann. Mit Granitfelsen am Strand wie aus der Instagram-Hölle. Was haben wir ihn herbeigeträumt, diesen Segeltörn: Ankern in türkisfarbenen Buchten, frischer Fisch an Bord, Landgänge zum Sonnenuntergang. Doch schon nach dem ersten „Mooring only!“-Schild dämmerte uns: Segeln ist hier keine Freiheit – es ist eine Lizenz zum Gebührenzahlen.

Dabei möchte man jauchzen, den Anker werfen und gleich an Land paddeln. Aber das Paradies – es hat Verbotsschilder. Und Zäune. Und Patrouillenboote. Wer mit dem Segelboot ankommt – etwa mit dem Ziel, auf Curieuse den Riesenschildkröten beim Müßiggang Gesellschaft zu leisten oder auf Félicité Coco-de-Mer-Nüsse zu umarmen, muss strengste Regeln beachten. Und bekommt von Zeit zu Zeit einfach ein entschiedenes „Non!“ zu hören. Nur ein knapper Gruß per Funk mit dem Hinweis: „Bitte bleiben Sie an Bord.“ Romantisch wie Quarantäne, nur mit schöner Aussicht. Die Wahrheit ist, das Paradies hat zahlreiche Verbotszonen und nimmt hohe Eintrittsgelder für seine Naturschönheiten. Zutritt vielfach nur für Resortgäste, Millionäre oder Menschen mit Spaß an sehr viel Papierkram.

Segelboot vor den Seychellen

Segeln vor den Seychellen macht nur Millionären Spaß. Oder Menschen, die sehr viel Freude am Papierkram haben.

Anlanden? Nur mit Genehmigung. Ankern? Nur auf Sand, besser Festmachen an einer der teuren Mooring-Bojen. Curieuse? Eintritt. St. Pierre? Mooring-Gebühr. La Digue? Zu voll. Felicité? Privat. Und Aldabra? Träum weiter. Die Botschaft lautet: „Komm ruhig her – aber bleib im Boot.“ Wer wagt, mit dem Dinghy an einen scheinbar unbewachten Strand zu tuckern, wird doch von irgendwoher mit Argusaugen beobachtet – meist von einem Parkranger mit Klemmbrett und Strafkatalog. Im besten Fall gibt’s eine Predigt über Korallen, im schlimmsten eine Rechnung.

Die Segelführer hatten uns zwar vorgewarnt, wir hätten es also wissen müssen, aber so freudlos restriktiv hatten wir uns die kreolische Gastfreundschaft nicht vorgestellt: Während Hotelurlauber im klimatisierten Speedboot direkt bis zur Hängematte unter Palmen chauffiert werden, sind Segler abseits der Hauptinseln Mahé, Praslin und La Digue oft nur Gäste zweiter Klasse.

Natürlich geht es – wie immer – um den Schutz. Schutz der Natur, Schutz der Tourismuswirtschaft, Schutz vor zu vielen Flipflops am Strand. Schutz der exklusiven Resorts. Weil der Millionär auf North Island gerade am Infinity-Pool seine Privatsphäre mit Butler genießt. Obwohl doch Bootsleute wie wir weder Liegestühle blockieren noch Minibarbestände plündern! Wahrscheinlich stört so eine salzverkrustete Segelcrew mit ihren sonnengebleichten Shorts die Aura des tropischen Luxus. Haben wir ja verstanden. Dabei brachten wir noch nicht mal Müll mit! Nur die naive Hoffnung, in einsamen Buchten einen Fuß auf Sand setzen zu dürfen. So aber fühlten wir uns wie ungebetener Überraschungsbesuch und ankerten weiter draußen, selbstverständlich nicht auf Seegras und schon gar nicht mitten im Korallenriff, sehnsuchtsvoller Blick auf Inselchen wie Cousine, Cocos oder Bird Island. Wir schnorchelten ums Boot herum, spielten an Bord mit dem Fernglas – und blieben genau dort, an Bord. Weil die Seychellen ein tropischer Hochsicherheitstrakt sind, wo nicht nautische Meilen zählen, sondern Kreditkartenlimits. Wer mitspielen will, sollte besser gleich eine Villa auf Frégate mieten.

Wir haben längst den Kurs gewechselt. Diesen Sommer segeln wir in schwedischen Gewässern. In den Schären herrscht liberale Naturverbundenheit mit Jedermannsrecht. Wer will und keinen stört, kann einfach am Fels anlegen. Und mindestens die Möwen freuen sich über Besuch.

Katrin Voss (56), Redakteurin, verbringt die Ferien mit ihrer wassersportverrückten Familie am liebsten am oder auf dem Meer, Landgänge inklusive


Shining-Kulisse im Baltikum-Urlaub

Während eines eigentlich sehr schönen Baltikum-Urlaubs hatten wir uns in einem Hotel eingemietet, das sehr einsam lag und schon ein bisschen in die Jahre gekommen war. Wir waren – neben einer Familie – die einzigen Gäste in dem großen Gebäude. Die Wände zierten Märchenmotive, vor den Fenstern hingen plüschige Vorhänge, im Treppenhaus stand eine Voliere, in der zwei Sittiche saßen. Wir fuhren abends in die Stadt, bei unserer Rückkehr sollten wir die Besitzerin anrufen, um eingelassen zu werden.

Wir riefen an, nichts passierte. Die Tür war verschlossen, alles war dunkel. Wir klingelten bei dem einzigen Nachbarhaus, die Bewohner riefen dann nochmal dort an. Irgendwann ging die Besitzerin dran. Wir sollten durch einen nie verschlossenen Hintereingang gehen, der nur schwer zu finden war.

Alles war stockdunkel, die Flure waren endlos und lang, hinter jedem Vorhang schien jemand zu lauern, die Märchenmotive sahen aus wie einem Horrorfilm entsprungen, die Vögel krächzten die ganze Zeit. Ich fühlte mich wie in „Shining“ und wartete nur darauf, dass plötzlich die Zwillinge vor mir auftauchen.

Wir haben uns so in diese Atmosphäre hineingesteigert, dass wir die Tür verbarrikadierten und ein Taschenmesser neben das Bett legten. Dann fiel auch noch der Strom aus. Selten war ich erleichterter, als die Sonne aufging. Am nächsten Morgen sind wir sofort abgereist, obwohl wir eigentlich länger bleiben wollten.

Anne Burgmer (45), Leiterin Kultur, hat zwar seit dieser Erfahrung ihr Schweizer Taschenmesser in jedem Urlaub dabei, musste es aber noch nie zur Selbstverteidigung einsetzen. Individuelle Unterkünfte sind ihr immer noch lieber als große Ketten, um Märchenhotels in abgelegenen Gegenden macht sie aber seither einen großen Bogen.


Eine Woche Dauerregen und ein Camper mit Runenschrift

Im Juli 2020 ist die Welt verstört von der Corona-Pandemie. Uns geht es nach fünf Monaten mit drei Kindern im Home Office und Home Schooling, nach Ausgangssperren, Sorge um die Großeltern und täglich neuen Schreckensmeldungen nicht anders. Immerhin sind die Infektionszahlen im Sommer so stark gesunken, dass Besuche in Altenheimen und Krankenhäusern wieder erlaubt sind – und Urlaub, mit Einschränkungen, auch. Wir haben einen Campingplatz auf Borkum gebucht und freuen uns, wegzukommen. Und kommen dann ganz und gar nicht weg: Beim ersten Besuch im Aldi raunzen sich Touris an, man solle mehr Abstand halten. Unwürdig wird um die letzten Tüten Milch gekämpft. Einige laden sich die Einkaufswagen voll, als würden sie in die kommenden zwei Wochen im Bunker verbringen. Jeder scheint weiterhin vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein.

Strand Borkum bei Regen

Strandurlaub stellt man sich gemeinhin etwas freundlicher vor. Für die Familie unseres Autors präsentierte sich Borkum aber den gesamten Urlaub lang genau so.

Auch mich macht fast alles aggressiv. Das Wetter: Es wird in der ersten Woche nicht aufhören, zu regnen, bei maximal 15 Grad. Die griesgrämigen Gesichter. Der Campingplatzbetreiber, der am Ende der längsten zwei Ferienwochen meines Lebens die Kaution nicht zurückgeben will, weil er ein bisschen Staub auf den Ablagen findet. (Ich werde daraufhin laut, im Rückblick ist mir das peinlich.) Der Camper, der in Runenschrift „Führer-Haus“ auf sein Wohnmobil tätowiert hat. Nach den zwei Wochen buchen wir spontan noch eine Woche am Lago Maggiore: Dort ramme ich bei der Ankunft das Auto unserer Vermieter. Sie lachen, verweisen auf die Versicherung und laden uns zum Essen ein. Es ist warm, die Menschen sind erschöpft von der Pandemie, aber entspannt und großzügig. Borkum ist weit weg.

Uli Kreikebaum (50), Reporter, geht trotz leichter Borkum-Traumatisierung weiter gern campen. Diesen Sommer wie ziemlich oft in Südfrankreich.


Eisenbetten, Bohnerwachs und jede Menge Nazi-Geister

„Rügen – Ein Sommerausflug. August 2002“ steht in meinem Fotoalbum, ich hatte das schwungvoll mit einem lilafarbenem Filzstift angemerkt, die eingeklebten Bilder sind – wie ich es damals schick fand – alle schwarz-weiß. 13 Aufnahmen, mein damaliger Freund Steine ins Meer werfend,  ich mit verwehtem Haar am Strand von Binz, Ostseebrandung mit Strandkörben. Dazwischen die ein oder andere Lücke, wahrscheinlich fehlen ein paar Lieblingsbilder, die zwischenzeitlich mal in einen Rahmen gewandert und letztendlich verloren gegangen sind. Was ich gar nicht erst fotografiert habe, war der Grund für die Tatsache, dass dieser Sommerausflug nun hier unter der Rubrik der Feriengrässlichkeiten landete: Unsere Unterkunft.

Wir waren jung, wir hatten kein Geld und deshalb hielten wir es für eine Spitzenidee im gerade eröffneten „One World Camp Youth Hostel“ in Prora zu übernachten. Sparsamkeit ließ sich hier mit Geschichtsbewusstsein verbinden, schließlich errichteten den Koloss von Prora einst die Nazis, um hier das Volkserholungsheim „Kraft durch Freude“ aus der Taufe zu heben, 20.000 Menschen sollten hier gleichzeitig urlauben. Mit Kriegsbeginn wurde der Bau eingestellt noch ehe sich auch nur ein Nazi hier jemals erholt hatte. Zu Zeiten der DDR nutzte die Nationale Volksarmee die riesigen Klötze als Kaserne und bildete hier den Nachwuchs, aber auch Soldaten aus politisch befreundeten Entwicklungsländern wie Äthiopien oder Mosambik aus.

Das 1936 vom Architekten Clemens Klotz geplante und nie fertig gestellte KdF-Erholungsobjekt in Prora auf Rügen in einer Aufnahme von 2018.

Fünf jeweils etwa 500 Meter lange sechsgeschossige Bauten in direkter Strandnähe - Nach den Plänen der Nationalsozialisten sollten hier in Prora in fast 10.000 Zimmern in einem Durchgang 20.000 Urlauber untergebracht werden. Mit Kriegsbeginn im Jahre 1939 wurde der Bau jedoch eingestellt. Zu DDR-Zeiten war der seit 1993 unter Denkmalschutz stehende Gebäudekomplex von der Polizei und der Armee genutzt worden.

Die Betten waren aus Eisen, die Zimmer viel zu groß und komplett kahl, ebenso die Treppenhäuser, die sich beim Erklimmen zum Escherkunstwerk verwandeln zu schienen, man lief und kam nie an, immer wieder wuchs ein neuer Treppenabsatz aus dem Stockwerk, das man bezwungen hatte. Es roch nach Kohle und Bohnerwachs. Ich habe in dieser Nacht sicher kein Auge zugemacht, draußen wütete der Sturm um die Ecken der riesenhaften Blöcke, als suche er hier immer noch nach Hitler oder zumindest nach einem SED-Funktionär. Und auch ich hielt eine geisterhafte Diktatorenwiederkehr in diesen Stunden nicht für gänzlich unwahrscheinlich, also lag ich da mit klopfendem Herzen und lauschte jedem Geräusch. Ich habe mich noch nie so klein und wehrlos gefühlt wie in diesem Monsterbau, errichtet, um seinen Besuchern das Fürchten zu lehren.

Heute gibt es in Prora Sandskulpturen, einen Hochseilgarten, Ferienwohnungen und Museen, lese ich. Ich bin in den vergangenen 23 Jahren nie wieder zurückgekehrt.

Claudia Lehnen (46), Chefreporterin, sucht im Urlaub immer noch gern das ungewöhnliche Abenteuer. Meist hatte sie dabei auch mehr Glück als in Prora.


Ein Camper als Familienknast

Mein Vater hatte ein Wohnmobil gemietet. Ein Riesenteil. Aber trotzdem viel zu klein, wenn man 16 ist und die eigene Familie als Privathölle erlebt. An die Zweitagesreise vom Allgäu bis nach Schweden kann ich mich kaum noch erinnern. Mein Vater fuhr, wie er immer fuhr: die Tachonadel am Anschlag und so nah wie möglich am Heck des Vordermanns. Schlimm wurde es erst am Urlaubsziel, als sich unsere Bullerbü-Träume – Faulenzen am See und Mückenstiche zählen – nach und nach zerschlugen. Es regnete. Erst einen Tag, dann noch einen, dann immer so weiter.

Jeden Morgen trat mein Vater aus dem Wohnmobil, fixierte mit Kennerblick den Horizont und verkündete: „Da hinten wird es heller.“ Aber es wurde nicht heller, höchstens nasser. Der Regen hielt drei Wochen lang an. Der Camper wurde zum Familienknast. Die Bücher, die ich mitgenommen hatte, waren schnell ausgelesen. Blieb noch die Urlaubslektüre meiner Eltern (unter anderem „Im Namen Gottes?“, Verschwörungsblödsinn über den angeblichen Mord an Papst Johannes Paul I.) und meiner jüngeren Schwester („Die Goonies“, fand ich heimlich super).

Als alles ausgelesen war, macht ich mich zuerst über die abgeschlossenen Romane in den Frauenzeitschriften meiner Oma her (die hatten wir wegen der Kreuzworträtsel für meinen Vater mitgenommen), dann lernte ich ebendort alles über den Gemüts- und Beziehungszustand von Lady Di und Caroline von Monaco. Draußen regnete es noch immer. Ganz Schweden war ein feuchter Tümpel.

Die Sonne zeigte sich erst, als wir schon wieder im Allgäu waren. Den Rest der Ferien verbrachte ich mit Freunden im Freibad, mit Sonnenbrand, Pommes und Perry-Rhodan-Heftchen. Ohne Familie. Herrlich.

Christian Bos (56), Kulturredakteur, hat seitdem nie wieder ein Wohnmobil oder Schweden betreten.


Im Kampf mir dem Heer des Mäusekönigs

Erst war es nur eine kaum wahrnehmbare Bewegung der schweren Vorhänge, ein Knistern in der Vorratsbox, die wir in unserer Ferienwohnung auf halber Treppe zum Souterrain abgestellt hatten. Der Agriturismo, ein liebevoll hergerichtetes Gehöft wenige Kilometer östlich von Florenz inmitten von Olivenhainen und mit einem atemberaubenden Blick von der Höhe ins Arnotal, war die Empfehlung von Freunden. Von ihrem traumwandlerischen Gespür für die perfekte Location wollten wir endlich auch einmal persönlich profitieren. Alles ließ sich genau so an, wie wir es uns vorgestellt hatten.

Bis wir beim ersten Abendessen an der Wand hinter uns etwas Kleines, Graues huschen und im offenen Kamin verschwinden sahen. Gleich darauf dasselbe unter dem Fenster, nahe dem Sofa, an der Theke zur halboffenen Küche. Mäuse! Überall. Oder, wie wir dem Vermieter in einer entgeisterten Whatsapp schrieben: „Topi, dappertutto!“ Statt wie späte Jünger Petrarcas oder Dantes in toskanischer Idylle fühlten wir uns auf einmal wie E.T.A. Hoffmanns Nussknacker im Kampf mit dem Heer des Mäusekönigs – nur mitten im Sommer statt am Weihnachtsabend und ohne eigene Bataillone, sondern ganz auf uns allein gestellt.

Die Mäuse nutzten jeden Moment, in dem wir uns einmal nicht bewegten oder kurz den Wohnraum verließen, zu strategischen Geländegewinnen. Am Ende tanzten sie buchstäblich auf dem Tisch. Unser geordneter Rückzug ins Schlafzimmer geriet zur Flucht. Ob die verschlossene Tür uns eine unbehelligte Nacht (von Ruhe lieber gar nicht zu reden) garantieren würde – wer wusste das schon? Als am nächsten Morgen (Frühstück auf der Terrasse – sicher ist sicher!) der sichtlich zerknirschte Vermieter erschien, entnahmen wir seinem Wortschwall zwischen „Scusi“! und „Mi dispiace tanto“-Bekundungen, dass er des bekannten „problema con i topi“ bereits mit einer Reihe von „Repellern“ Herr zu werden versucht hatte.

ARCHIV - Eine Hausmaus (musculus musculus) sitzt am 19.07.2011 auf einer Hand.

Die Mäuse vertrieben unseren Autor und seine Familie aus Florenz.

Tatsächlich fielen uns jetzt die Mini-Ultraschallsender auf, verteilt auf diverse Steckdosen im ganzen Raum. Hoch effektiv, versicherte der Vermieter. Nur bräuchten die Mäuse eine Weile, bis sie sich davon vertreiben ließen. So lange wollten wir nicht warten. Aus dem Bauch heraus fassten wir einen Entschluss, den Freunde und Familie später nach meinem Eindruck für leicht meschugge, wenn nicht hysterisch hielten: Keine Kompromisse, kein Ausweichquartier, kein zweiter Versuch! Florenz, du Schöne, bis auf ein andermal! Köln, wir kommen!

Nie war das Gefühl beim Ankommen so heimelig. Nur wurden wir tagelang das Gefühl nicht los, dass im Blick unseres Katers, der uns daheim erwartet und mit wohligem Schnurren begrüßt hatte, ein Ausdruck von Selbstzufriedenheit und mildem Spott für seine Menschen lag.

Joachim Frank (60), Chefkorrespondent, hat für seine latente Aversion gegen Fernreisen inzwischen die beste aller Begründungen: ökologische Korrektheit.