„Es tut uns brutal leid“Kölner Karnevalskneipen müssen an Fastelovend schließen

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Das Wicleff von außen.

Das Wicleff an Weiberfastnacht 2021.

Das Wicleff in Köln-Neuehrenfeld bleibt zu Karneval geschlossen. Auch das Gasthaus „Essers“ hat den Karneval in diesem Jahr erstmals abgesagt.

„Es tut uns brutal leid“, sagt Christopher Otto vom Neuehrenfelder Wicleff. Er wird seine Kneipe über die Karnevalstage schließen. „Wir sind eine Hochburg gewesen, seit 20 Jahren ist das Haus jedes Jahr knüppelvoll“, so Otto. Das Grundproblem: Personalmangel.

„Die Leute sehen, dass wir aus allen Nähten platzen. Was sie nicht sehen, ist, dass hinter der Theke nicht zwei, sondern vier Leute stehen. Dann gibt es noch zwei Leute, die nur Gläser sammeln, einen DJ, Security, Putzkräfte…“  Und es sind ja nicht nur die Tage von Weiberfastnacht bis Karnevalsdienstag: „Nach Karneval ist immer nochmal drei bis vier Tage zu, weil alles zerrockt ist“, sagt Otto. „Das sind Tage ohne Umsatz“. 

Und: Etwas anderes als Kölsch geht Karneval ohnehin nicht über die Theke. „Kölsch ist das Getränk mit der geringsten Marge. Gaffel hat die Preise zuletzt noch einmal kräftig angehoben“, sagt Otto. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen.  Im kleineren Rahmen zu feiern sei nicht infrage gekommen. „Wir würden überrannt werden, gerade nachdem jahrelang kein Feiern ohne Einschränkung möglich war.“ Zunehmend kämen auch immer mehr Touristen. „Es geht auch ein wenig die Tradition verloren. Da spielst du einen alten Bläck-Fööss-Song und niemand kennt ihn. Es ist nicht mehr der Veedelskarneval von früher.“

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Es macht sich auch ein Gefühl der Freiheit breit.
Christopher Otto

Es habe letztlich nur eine „Schwarz oder Weiß“-Entscheidung geben können, und Otto sieht für den Karneval im Wicleff schwarz. Das tut zwar weh, sagt er, aber: „Es macht sich jetzt auch ein Gefühl der Freiheit breit. Wir sind keineswegs Kapitalisten, die nur Dinge tun, die sich lohnen. Wir legen hier seit 23 Jahren viel Herzblut und Idealismus rein.“ Doch auch mit den eigenen Kräften müsse man haushalten. 70-Stunden-Wochen seien bei ihm und seinem Kollegen Csaba Hajdu keine Seltenheit, sagt Otto. Jetzt habe er Zeit, sich um seine eigene Gesundheit zu kümmern – eine Knie-OP steht an.

Gasthaus Essers in Köln: Restaurantbetrieb statt Karnevalsparty

Christopher Otto ist mit seinem Personalproblem nicht alleine. Iris Giessauf betreibt das Gasthaus Essers in Neuehrenfeld, in dem vor Corona noch ausgelassene Karnevalspartys gefeiert wurden. Dafür hat Giessauf „gekämpft wie ein Löwe“, sagt sie. „Es dauert, bis man da bei einer Gruppe etabliert ist.“ Das hatte sie geschafft. In diesem Jahr wird es hier keine Party geben, nur normalen Restaurantbetrieb mit leiser Karnevalsmusik im Hintergrund – zu wenig Personal. Wo das hin ist? „Ich weiß es nicht.“ Wehmütig schaue sich Giessauf alte Videos und Bilder an, erzählt sie. „Ich möchte schon wieder auf der Theke tanzen.“

Bei Gästen wie Wirten herrsche derzeit insgesamt jedoch die totale Karnevalseuphorie, sagt Till Riekenbrauk von der IG Gastro. „Alle sind heiß wie Frittenfett.“ Fast alle – denn auch das Traditionslokal „Bei Oma Kleinmann“ hat bereits nach dem 11.11. angekündigt, während der heißesten Phase des Karnevals zu schließen. Zu groß die Eskalationsgefahr.

Dennoch: Die Karnevalszeit bleibt für viele Wirte eine der wichtigsten Einnahmequellen, auch in den Veedeln. Nur einige hunderte Meter vom Wicleff entfernt liegt das Hemmer. Den Laden während der tollen Tage zu schließen, käme Betreiberin Ute Neumann nicht in den Sinn. „Das kann ich mir nicht leisten“ Der Aufwand sei zwar groß – die Personaldichte muss wie überall verdoppelt werden – aber er lohnt sich, sagt sie. „Wir brauchen die Karnevalszeit, um das Sommerloch zu überleben“, so Neumann. Die Nachfrage in diesem Jahr sei zudem enorm.  

Haus Unkelbach in Köln: 15 Prozent des Jahresumsatzes zu Karneval

Das kann auch Alexander Manek vom Haus Unkelbach in Sülz bestätigen. Das Unkelbach, seit Jahren einer der Hotspots zu Karneval, arbeitet mittlerweile wie viele Kneipen mit Eintrittsgeldern und Vorverkauf. Und der läuft: „Der Karnevalssonntag ist komplett ausgebucht. Das hatten wir noch nie.“ Nach den Corona-Jahren sei der Andrang der Jecken umso größer.

„Es kommen immer mehr Menschen von außerhalb. Wir hätten auch ein fünffaches verkaufen können“, so Manek. „Spätestens Anfang Januar bereiten wir alle Kleinigkeiten vor: Personalplanung, Gitter, Eintrittskarten, Einlassbändchen, Security“, sagt Manek. „Es ist ein wahnsinniger Aufwand, aber dafür ist eben auch Karneval“ – und damit macht das Haus Unkelbach etwa 15 Prozent seines Jahresumsatzes, sagt Manek.

Er kann aber verstehen, wenn Wirte auf diesen Kraftakt verzichten: „Es ist kräftezehrend.“ Christopher Otto kann und will das in diesem Jahr nicht leisten, so leid es ihm tut. „Viele Gäste können es gar nicht glauben. Dann frage ich: Habt ihr fünf Minuten? Ich setze mich dazu und erkläre alles. Fast alle reagieren mit Verständnis“ so Otto. „Wir würden unseren Gästen gerne etwas bieten, aber es geht einfach nicht.“ Und etwas anderes Gutes hat es für ihn auch: „Wir können endlich mal selber feiern! Das haben wir uns erarbeitet und verdient.“

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