Nummerngirls waren gesternMädchen- und Herrensitzungen sind weiter beliebt – nur viel braver als früher

Lesezeit 3 Minuten
Mädchensitzung der Altstädter im Gürzenich

Frauen unter sich: Ausgelassene Stimmung bei der Mädchensitzung der Altstädter.

Dass Männer und Frauen getrennt Karneval feiern, erscheint wie aus der Zeit gefallen. Mädchensitzungen sind trotzdem gefragt.

Leicht bekleidete Frauen – oder Männer – und schlüpfrige Witze: Während „Nummerngirls“ und „Nummernboys“ im Umland noch immer eine Rolle im Karneval spielen, geht es in den Kölner Sälen heute deutlich braver zu. Etwas zotigere Sprüche und Lästereien über das andere Geschlecht machen den Unterschied zu den gemischten Sitzungen aus. Nur in sehr wenigen Ausnahmen treten auch in Köln weiter leicht bekleidete „Nummerngirls“ auf, blankziehen gehört der Vergangenheit an.

Blanke Brüste bei Herrensitzung

20 Jahre ist es her, dass der ehemalige Greesberger-Präsident Detlev Limbach beim Herren-Frühshoppen auf der Bühne in der Mülheimer Stadthalle selbst Hand am Nummerngirl anlegte. Er löste die Schleife ihres Oberteils, sie drehte sich, nur mit Tanga und High Heels bekleidet, dem Publikum entgegen. Schon damals sorgte das beim Festkomitee für Empörung. Solche Szenen hat es seitdem in Köln nicht mehr gegeben, sagt Festkomitee-Sprecher Michael Kramp. Auch Männer brauchen sich bei Mädchensitzungen nicht mehr fürchten, das habe vor 20 oder 30 Jahren noch anders ausgesehen, erzählen langjährige Karnevalisten.

Herrensitzung der Nippeser im Pullman

Herrensitzung der Nippeser im Pullman

Woher kommt die Trennung von Männern und Frauen im Karneval? „Früher waren alle Sitzungen im Grunde Herrensitzungen“, sagt Brauchtumsexperte Wolfgang Oelsner. Erst gegen Mitte des 20. Jahrhunderts änderte sich das: Es gab vermehrt Sitzungen mit Damen, da konnten die Männer dann ihre Ehefrauen mitnehmen. Auch heute heißen noch wenige Formate so, etwa die Prunksitzung mit Damen der Ehrengarde.

Frauen spielten im Karneval lange nur im Hintergrund eine Rolle

Da Frauen nach und nach auch zu den Kostüm- und Prunksitzungen geladen waren, entwickelten sich die Herrensitzungen. Zur gleichen Zeit entstanden die ersten Sitzungen, die ausschließlich Frauen ansprechen sollten. So fand vor genau 75 Jahren etwa der erste „Hausfrauennachmittag“ der Großen Karnevals-Gesellschaft Greesberger statt. Aber erst in den 90ern erfreuten sich die Mädchensitzungen größerer Beliebtheit, erinnert sich Oelsner.

„Man mag sich an den Kopf fassen, dass diese scheinbar aus der Zeit gefallene Form noch im 21. Jahrhundert so beliebt ist“, sagt der Experte. Aber: „Es hat eine psychologisch und soziologisch sinnvolle Bedeutung, solange es nicht so bleibt, wie es war.“ Der Karneval sei auch dafür da, „die Narrheit zu demonstrieren, um sie zu überwinden“. In dieser komplexen Welt gebe er Raum für Vereinfachungen, vorübergehend in eine entlastende „Anderswelt“ einzutauchen. Und dieser geschützte Raum, so Oelsner, sei bei Mädchen- oder Herrensitzungen eben noch intimer und habe daher eine andere Wirkung als gemischte Sitzungen. Letztlich lebe der Karneval aber von beidem.

Mädchensitzung der Altstädter im Gürzenich

Mädchensitzung der Altstädter im Gürzenich

Wer durch die Veranstaltungskalender der Kölner Säle blättert, merkt schnell, dass Mädchensitzungen im Vergleich zu Herrensitzungen in der deutlichen Überzahl sind. Die Blauen Funken etwa veranstalten eine Mädchensitzung, aber keine Herrensitzung. „Wenn ich so in unsere vielen jungen Mitglieder höre, hätte dort keiner mehr Interesse an einer Herrensitzung“, sagt Armin Hoffmann, Sprecher des Traditionskorps.

Bei den Roten Funken wird das Herrenfrühshoppen laut Pressesprecher Günter Ebert weiter sehr gut angenommen. Aber auch hier sind die Mädchensitzungen besonders beliebt, deshalb gibt es zwei Termine. Bei der Nippeser Bürgerwehr und den Altstädtern steige sowohl bei der Mädchensitzung als auch bei der Herrensitzung die Nachfrage. Einvernehmlich herrscht die Meinung, dass die Zeiten von Nummerngirls vorbei sind. „Das ist sexistisch und peinlich. Das ist vorbei“, sagt Heinz Schulte von den Altstädtern.

Die Gründe auf getrennten Sitzungen zu feiern, obwohl die Programme sich kaum noch unterscheiden, sind vielfältig: „Es ist einfach Tradition, wir machen das mit unserer Freundesgruppe seit Jahren“, hört man etwa auf Herrensitzungen. Oder: „Es geht nicht um die Sitzung, es geht um die Freundschaft“ und „Es ist auch mal schön, unter Männern zu feiern.“ Die Gründe bei den Mädchensitzungen klingen ähnlich: „Es ist auch mit den Männern schön, aber auch mal nur mit den Mädels“, „Es ist unkompliziert unter Frauen, wir können mehr aus uns rauskommen“ oder: „Frauenpower pur“.

KStA abonnieren