Interview mit Fettes Brot„Kölner Kinder haben dafür gesorgt, dass der Dom stabil ist“

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König Boris (v.l.), Björn Beton und Dokter Renz

König Boris (v.l.), Björn Beton und Dokter Renz

  • Fettes Brot ist eine der erfolgreichsten deutschen Hip-Hop-Formationen und feierte mit Songs wie „Nordisch by Nature“, „Jein“ oder „Schwule Mädchen“ Erfolge.
  • Am Donnerstag, 20. März, steht die Combo im Gloria Theater auf der Bühne. Nicht mit ihrer Musik, sondern im Rahmen ihrer Lese-Tour „Was Wollen Wissen“.
  • Doktor Renz spricht im Interview über das neue Programm der Band, die Nackt-Moderation im Radio und den Grund, warum der Kölner Dom nicht schief ist.

Köln – Ihr seid mit einer Lesung auf Tour. Fühlt es sich sehr anders an, mit einem Buch auf die Bühne zu gehen statt mit Musik? Und bleibt die Musik dabei komplett außen vor?

Doktor Renz: Für uns bedeutet das tatsächlich etwas Neues: Wir sind zum allerersten Mal mit einer Lesung auf Tour – „Was Wollen Wissen“ fasst die besten Witze unserer Radioshow zusammen, die auf dem Sender N-Joy läuft. Aber natürlich werden wir nicht nur stumpf unsere Witze aus dem Buch vorlesen, sondern wollen mit dem Publikum genau das machen, was auch im Studio passiert: uns an Sinnlosigkeiten überbieten, den Leuten das Gelée royale unseres Hirnschmalzes servieren und sie mit auf die Reise nach Absurdistan nehmen. Die Musik wird natürlich auch eine Rolle spielen. Wir geben ein paar Kostproben von unserem neuen Album „Lovestory“, das im Mai erscheint.

Seid ihr mal an einen Anrufer geraten, der Euch sprachlos gemacht hat?

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Na klar. Die Sendung ist live, was bedeutet, dass die Zuhörer uns auch beim Scheitern zuhören können. Und das ist auch gut so. Wenn wir also mit Fragen konfrontiert werden, auf die wir erst mal nichts antworten können, schauen wir uns lange fragend an. Wir machen die Sendung mit unserer Kollegin Anne Raddatz, die den Karren für uns schon ganz häufig aus dem Dreck gezogen hat. Gerade wenn wir vorher viel Quatsch gemacht haben und dann plötzlich eine Frage kommt, bei der wir merken, sie bedeutet der Person etwas und es steckt ein echtes Anliegen dahinter, fordert es uns natürlich auch heraus.

Zur Person

Dokter Renz heißt im bürgerlichen Leben Martin Vandreier. Er bildet mit Björn Beton (Björn Warns) und König Boris (Boris Lauterbach) die Hamburger Hip-Hop-Band Fettes Brot. Die Combo ist eine der erfolgreichsten deutschen Hip-Hop-Formationen und feierte mit Songs wie „Nordisch by Nature“, „Jein“ oder „Schwule Mädchen“ Erfolge.

Seit fünf Jahren geben Dokter Renz, Björn Beton und König Boris nun schon in ihrer wöchentlichen Radiofragestunde „Was Wollen Wissen“ auf N-JOY in Bremen absurde, lustige Antworten auf ebenso absurde Publikumsfragen. Die Sendung liegt nun in Buchform vor. „Was Wollen Wissen“ ist im Rowohlt-Verlag erschienen. Die Lese-Tour führt sie am 20. März auch nach Köln ins Gloria-Theater, Apostelnstraße 11. Beginn ist um 20 Uhr. Tickets kosten 22 Euro und sind unter anderem online erhältlich. (gam)

www.ksta.de/tickets

Lernt ihr Euch untereinander durch dieses Frage-Antwort-Spiel auch besser kennen?

Gerade in körperlicher Hinsicht lernen wir uns neu kennen. Denn wir moderieren die Sendung nackt. Das ist dann ein ungewohnter Anblick und lenkt verständlicherweise erst mal ab. Auch bei der Lesung selbst werden wir wahrscheinlich nackt sein.

In einer Show habt ihr auf die Frage, wo ihr außer in Hamburg sonst noch leben würdet, erst Bremen gesagt, dann kam aber auch schnell „Köln ist auch schön“. Welche Verbindung habt ihr zu Köln?

Ich will ja nicht schleimen, aber Köln ist wirklich eine schöne Stadt. Außerdem haben wir hier eines unserer größten Konzerte überhaupt gespielt, wenn nicht sogar das größte. Wir waren zweimal in der Lanxess Arena. Außerdem können wir uns sehr mit der Partyaffinität der Kölner identifizieren. Immer wenn ich in Köln bin, nehme ich mir ein paar Stunden Zeit, um durch die Stadt zu spazieren. Ich laufe auch jedes Mal die Treppen im Domturm hoch und freue mich dann erst über den Muskelkater und dann über die Aussicht auf die Stadt und den Rhein.

Ihr geht ab August auf Tour mit Eurem neuen Album. Eure neue Single ist schon raus: In „Du driftest nach rechts“ geht es um eine geliebte Frau, die der rechten Ideologie verfällt. Ist das eine Entwicklung, die ihr beobachtet, dass auch Frauen immer mehr nach rechts tendieren?

Es geht gar nicht um Frauen, es könnte sich auch um eine schwule Liebesbeziehung handeln. Im Video ist allerdings eine Frau zu sehen, weshalb wir es uns dann selbst eingebrockt haben, dass man uns diese Frage stellt. Trotzdem geht es eher darum, dass ein Riss durch das persönliche Umfeld geht. Dass manche Menschen nicht mehr rot werden, wenn sie fremdenfeindliche Dinge sagen und dass sich immer mehr Hass in den Kommentaren auf den Internetplattformen ausbreitet, ist das eine. Aber wir leben nicht mehr einfach nur in unserer Blase, wo wir alle Grün wählen – sondern jeder kennt so jemanden. Und man fragt sich dann: Soll ich Onkel Erwin noch auf meinen Geburtstag einladen? Genau darum geht es auch bei der Diskussion um Jan Fleischhauer (Autor und Journalist des „Spiegel“, d. Red.), der zum Geburtstag von Matthias Matussek (rechtskonservativer Publizist, d. Red.) geht, und so freiwillig oder unfreiwillig mit einem Aktivisten der Identitären Bewegung feiert, den Matussek eben auch eingeladen hat.

Im Song heißt es „du bezeichnest Geflüchtete als Touristen“ – Damit greift ihr bewusst Kampfbegriffe der aktuellen politischen Debatte wie „Asyltourismus“ auf. Wie geht der deutsche Hip-Hop Eurer Meinung nach mit rechten Themen um?

Der deutsche Hip-Hop ist inzwischen eine große Spielwiese, auf der sich viele Mitspieler tummeln. Anfang der 90er war der Hip-Hop noch ein ganz kleines Pflänzchen, das ins Unermessliche gewachsen ist. Was ich jedenfalls gut fand, ist, dass bestimmte Künstler wie Dendemann mit seinem Stück „Keine Parolen“ sich klar gegen Rechts positionieren und auch andere wie die Antilopengang ein Zeichen gegen Rechts setzen. Oder das Konzert von Kraftklub nach den Vorfällen in Chemnitz, wo viele Menschen zusammenkamen und zeigten, dass sie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung sind.

Macht ihr die Radio-Sendung noch weiter, jetzt wo ihr das neue Album veröffentlicht und ab August auf Tour geht?

Na ja, wir haben unsere fünfte Staffel beendet und warten darauf, dass wir für die sechste beauftragt werden. Eine Zeit lang gehen wir in die Vollen und dann machen wir wieder eine Pause, in der wir uns zurückziehen und das genießen, weil wir dann eine neue Vorfreude auf die Radioshow bilden können.

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In Eurer Radio-Show gebt ihr absurde Antworten auf absurde Fragen. Versuchen wir es mal: Wieso ist der Kölner Dom nicht schief?

Weil ihr kein Watt habt. In Hamburg sieht man ja an der Elbphilharmonie, dass das Dach schief ist, da es das Wattenmeer gibt. In Köln aber hat man sich gedacht: Wir bauen nicht auf Sand, sondern auf Stein. Und alle Kölner Kinder haben ihren Mutstein, also diesen Glückstein, den Kinder häufig mit sich herumtragen, genommen und auf den Grund geworfen, sodass alle Kölner Kinder dafür gesorgt haben, dass der Dom heute stabil und gerade ist.

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