Fliegender Wechsel im King Georg„In 15 Jahren hat Köln vielleicht keine Bars mehr“

Lesezeit 7 Minuten
André Sauer (l.) und Jan Lankisch feiern gerade jedes Wochenende Abschied, Anfang März übernimmt der neue Betrieber das King Georg.

André Sauer (l.) und Jan Lankisch feiern gerade jedes Wochenende Abschied, Anfang März übernimmt der neue Betrieber das King Georg.

  • Seit 2008 ist das King Georg eine Institution im Kölner Nachtleben.
  • Ende Februar wechselt die Bar am Sudermanplatz den Betreiber. Was wird aus dem Laden?
  • Ein Gespräch über die Hindernisse, die Gastronomen in Köln zu bewältigen haben.

Köln – Das King Georg am Ebertplatz schließt. Von außen unscheinbar war der Club in einer ehemaligen Table-Dance-Bar stets ein Geheimtipp für kulturell anspruchsvolle Lesungen und Konzerte. André Sauer hat ihn 2008 eröffnet, Jan Lankisch mit seiner Konzertreihe Acbty das Programm gestaltet. Wir haben die beiden zum Gespräch an der rot-lackierten Theke getroffen.

Herr Sauer, Herr Lankisch, warum schließt das King Georg?

Sauer: Ein Grund ist das Rauchverbot in Kneipen. Innerhalb von einem halben Jahr hatten wir einen starken Gäste- und Umsatzrückgang. Etwa um ein Drittel. Das hat uns – genau wie viele andere Clubs – schwer getroffen. Viele Raucher bleiben einfach weg, verabreden sich eher über soziale Netzwerke irgendwo Zuhause. Das Vernetzen geht heute einfacher als noch vor ein paar Jahren.

Alles zum Thema Konzerte in Köln

Konnten Sie nicht die Preise erhöhen, um den ausgebliebenen Umsatz zu kompensieren?

Sauer: Nein, wir wollten verhindern, dass sich unser – ziemlich gemischtes – Publikum die Drinks nicht mehr leisten kann. Zu uns kommen Ältere und Jüngere, Menschen mit und ohne Geld, viele aus dem Kulturbetrieb. Da sind die Preise wichtig, wir waren immer relativ günstig.

Wissen Sie denn schon, wie es mit dem Club und den darüber liegenden Appartements weitergeht? Kommt hier jetzt etwa ein Starbucks rein?

Sauer: Nein, die Katastrophe tritt nicht ein. Ab 1. März ist Milestones GmbH der Inhaber, eine Gruppe von Jazzfreunden und Förderern, die die lokale Szene unterstützen. Das Team wird wahrscheinlich gar nicht so viel am Aussehen des King Georg ändern, aber einiges muss dringend saniert werden. Jan wird wohl weiter am Programm mitarbeiten, es werden einige Mitarbeiter übernommen. Eine freundliche Übernahme sozusagen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Also kein Abschiedsschmerz?

Sauer: Nein, nicht unbedingt. Das King Georg war für uns immer auch eine Plattform, von der viele andere Projekte ausgegangen und neue Ideen entstanden sind. Von hier aus geht es weiter. Wir sehen die Veränderung positiv. Der neue Betreiber wird nun einen Jazzclub etablieren, das ist doch schön. Wir freuen uns, dass jemand mit neuen Investitionen, auch ins Inventar, das King Georg in die Zukunft bringt.

Aber gehört das alte Inventar nicht zum Charme der ehemaligen Table-Dance-Bar?

Sauer: Wir wollen nicht, dass der Charme irgendwann in Schmuddel kippt. Deshalb freuen wir uns, dass jetzt jemand kommt, der auch Geld hat, um mal etwas anzupacken. Wir konnten uns nie eine neue Toiletten-Anlage für 30.000 Euro leisten. Die Theke ist bald 50 Jahre alt, der Laden fängt an auseinanderzufallen.

Es muss dringend etwas gemacht werden. Wir haben hier jahrelang mit niedrigem Budget ein sehr umfangreiches Programm durchgezogen, legendäre Konzerte, an die wir uns alle gern erinnern. Für die Infrastruktur bleibt da kein Geld übrig.

Was waren die Highlights?

Lankisch: Das ist ganz schwierig zu sagen. Wir haben knapp 330 Konzerte gemacht und es gibt nur wenige Abende, an die ich ungern zurückdenke. Viele Bands haben die positive Energie des Ladens gelobt. Der Kontakt zum Publikum ist hier sehr direkt. Die bekanntesten deutschen Künstler waren sicher Die Sterne aus Hamburg. The War on Drugs oder Mac DeMarco haben hier gespielt. Die treten jetzt im Palladium auf, wenn sie nach Köln kommen.

Was wird aus dem King-Georg-Kiosk auf der Sudermanstraße?

Sauer: Der wurde mitübernommen. Der Kiosk hat eh nur auf, wenn wir Lust haben und wir machen keinen klassischen Kiosk-Verkauf. Wir haben im Sommer ein Büdchenradio eingerichtet, mal Platten verkauft, und auch im Rahmen vom Ebertplatz-Fest hatten wir einige Aktionen hier. Es ist einfach ein schöner Treffpunkt.

Lankisch: Für uns war der Kiosk immer ein nettes Vehikel, um die Atmosphäre des Ladens nach draußen zu tragen.

Kioske sind ja in Köln generell ein Treffpunkt.

Sauer: Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt dort eben. Leider ist die allgemeine Kiosk-Kultur in Köln für Gastronomen enorm schädlich. So ging es mir mit meiner Bar Stadt Venlo am Stadtgarten. Neben meinem gut gehenden Laden hat ein Kiosk mit sechs Kühlschränken aufgemacht, wo sich meine Gäste ihr Bier geholt haben.

Lankisch: Die Kioske verändern ihr Sortiment. Es gibt einige, die aussehen wie Bars und mittlerweile auch so funktionieren. Zum Beispiel der große am Brüsseler Platz oder einige auf der Zülpicher Straße. Da braucht man sich nicht wundern, dass die Menschen eben dort ihr günstiges Kölsch trinken.

Wie könnte die Stadt dem entgegenwirken?

Sauer: Es bräuchte klare Regeln von der Verwaltung. Die Stadt will eine schöne Gastronomie und macht diese mit ihren laschen Vorschriften kaputt. In Berlin ist die Zahl der Kioske beispielsweise begrenzt. Dürfte es in Köln nur einen Kiosk im Umkreis von 500 Metern geben, wäre das für den Betreiber und die umliegenden Läden besser. Ich kenne Clubs in Köln, die mit einem Kiosk in der Nachbarschaft prima klar kamen. Dann hat auf der anderen Seite drei Monate später noch einer aufgemacht. Sowas sollte die Stadt nicht zulassen.

Lankisch: Es gibt in Köln niemanden, der solche Probleme mit dem nötigen Weitblick angeht. Es gibt einfach keinen Masterplan, wie unser Stadtleben zum Beispiel in 15 Jahren aussehen könnte. Dann haben wir vielleicht tausende Kioske, aber keine schönen Bars mehr. Andererseits gibt es für die Gastronomen jede Menge Vorschriften und Auflagen. Für ein buntes, abwechslungsreiches Nachtleben ist das schädlich. Das Ergebnis sieht man vielleicht auf den Ringen. Eine Horrorshow, wo es nur um Kommerz geht.

Was meinen Sie damit?

Lankisch: Ich finde es erschreckend, dass das Theater am Rudolfplatz einfach platt gemacht wurde. Immerhin ein Stück Nachkriegsgeschichte. Und statt einem lebenswerten Platz kommt dort ein Glas-Beton-Gebilde hin. Klar, das ist die freie Marktwirtschaft. Aber es ist traurig, dass die Stadtentwicklung so selten die Lebensqualität in Köln im Blick hat.

Sauer: Das ist natürlich kein Problem, dass nur die Gastronomie und die Kulturschaffenden betrifft. Aber die Stadt spricht zum Beispiel kaum mit Gastronomen über Probleme. Andere Städte machen das.

Welche Orte im Kölner Nachtleben gefallen Ihnen? Was läuft gut?

Lankisch: Ich finde alles toll, wo junge Menschen ihre eigenen Ideen umsetzen und es nicht nur ums Geld und Saufen geht. Wo das kulturelle Leben der Stadt vorangetrieben wird.

Wo zum Beispiel?

Sauer: Im Britney vom Schauspiel Köln am Offenbachplatz gab es 2017 zum Beispiel eine tolle Reihe zwischen Performancekunst und Musik. Am Ebertplatz passiert viel, hier habe ich die Boutique als Raum für junge Kunst eröffnet. Man muss nur die Augen offen halten, Räume besetzen und Spaß an gemeinsamer Kulturarbeit haben, dann passiert meistens etwas Spannendes. Solche Projekte fördert das Kulturamt, das wirklich gute Arbeit macht.

Zu den Personen

André Sauer, 46, hat 2008 das King Georg im Agnesviertel eröffnet. Der selbstständige Kulturaktivist veranstaltet außerdem die Cologne Art Book Fair, eine Messe für Künstlerbücher, Künstlerzeitschriften und -magazine im Kölnischen Kunstverein.

Jan Lankisch, 40, ist selbstständiger Designer und arbeitet als Booker verschiedener Veranstaltungsreihen. Im Oktober findet sein neuntes Weekend-Festival in Mülheim statt.

Lankisch: Genau, wenn ich eine Konzertreihe plane, fördert das Kulturamt diese finanziell. Die Mitarbeiter dort verstehen auch sehr gut, was wir brauchen. Viele denken immer, Popkultur trägt sich von selbst. Das ist aber leider nicht so. Wenn wir Bands aus den USA bei uns haben, 30 bis 40 Leute zum Konzert kommen, dann bleibt nach Abzug der Kosten nicht viel übrig.

Sauer: Für die Clubs gibt es andere Förderungen. Zum Beispiel den Spielstätten-Programmpreis. Wir haben den bundesweiten Preis dreimal gewonnen. Das waren sehr wichtige Fördergelder, die wir in den Club stecken konnten. Ähnlich und in kleinerer Variante gibt es von der Stadt den „Cologne Club Award“. Da scheint es langsam ein Umdenken zu geben, dass Live-Spielstätten gefördert werden müssen. Das ist schließlich auch ein Wirtschaftszweig, an dem deutschlandweit Zehntausende Arbeitsplätze hängen.

Wird es eine große Abschiedsparty geben?

Sauer: Im King Georg wird gerade jeden Abend Abschied gefeiert, wenn wir aufhaben.

Lankisch: Nach dem Motto „Never Can Say Goodbye“. Mein letztes Konzert in unserer Konstellation wird am 22. Februar sein. Die Berliner Band Mutter spielt. Sie hat in den 80ern angefangen und ganz viele verschiedene Genres gespielt. Ich habe mir vom Sänger gewünscht, dass das letzte Konzert mit einem großen Knall endet. Und er hat geantwortet: Das garantiere ich dir!

KStA abonnieren