Kölner Baui und Corona„Manchen Jugendlichen geht komplett die Tagesstruktur verloren“

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Marietheres Waschk, von allen nur MT genannt, leitet das Jugendzentrum Bauspielplatz Friedenspark, kurz: Baui

Südstadt – In der Erinnerung verklärt sich manches. Der Lockdown im Jugendzentrum Bauspielplatz Friedenspark, besser bekannt als Baui, aber nicht. „Im März habe ich mich hier gefühlt wie in einer Geisterstadt in einem schlechten Western“, erinnert sich Marietheres Waschk, Leiterin des Baui, die von allen kurz MT genannt wird.

Jugendliche im Kölner Friedenspark eingesammelt

Aber vor allem den Jugendlichen fehlte das Altvertraute. „Manche haben komplett die Tagesstruktur verloren, haben die Nacht zum Tag gemacht.“ Jugendliche bräuchten eben auch selbstbestimmte Räume. Die hätten sie zu Hause nicht, sagt MT.

Nach und nach hat sie auf ihren täglichen Hunderunden durch den Friedenspark wieder Kinder und Jugendliche im Freien getroffen. Mit denen hat MT geredet und überlegt, was man gemeinsam machen könnte. Als erstes haben sie gemeinsam eine What’s-App-Gruppe gegründet. „Das ist zwar datenrechtlich eine Katastrophe. Aber so haben wir die Jugendlichen erreicht.“ Gespeichert wurden Telefonnummern und Vornamen. Auch auf Instagram hat man sich getroffen.

Virenfreie Video-Wettbewerbe

Und schließlich gab es sogar ein tägliches Programm, dass jugendliche Technik-Freaks auf die Endgeräte gestreamt haben. Ein Programmpunkt war der Baui-Leiterin gewidmet und hieß MT. „Ich habe montags eine Stunde mit den Jugendlichen gespielt. Habe dafür Alltagsgegenstände von zu Hause mitgebracht und die Kinder mussten so schnell wie möglich die Äquivalente in ihrem Haushalt finden“, erzählt MT, „virenfreie Wettbewerbe in kontaktlosen Zeiten eben“.

Übermittagsbetreuung nicht mehr so familiär wie vorher

Als erstes Angebot ging die Übermittagsbetreuung an den Start. Aber anders als üblich. „Wir haben das früher sehr familiär gehandhabt, alle saßen an einem großen Tisch, wir haben die Schüsseln weitergereicht und von unserem Tag erzählt. Jetzt sitzen alle an Einzeltischen, das Essen wird auf Tellern serviert.“ Gespräche seien da nicht zuletzt wegen der Akustik kaum möglich.

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Auch schlimm: Die Sommer- und Herbstfreizeiten mussten abgesagt werden. Dafür hätte man sogenannte Bezugsgruppen mit jeweils zehn Kindern bilden müssen. „Wir sind aber Selbstversorger. 50 Kinder waren angemeldet. Wir hätten also zum Beispiel fünfmal Frühstück, Mittag- und Abendessen organisieren müssen. Unmöglich“, kommentiert MT, „das war eine Riesen-Enttäuschung für die Kinder.“

Für manche Kinder ist Baui-Freizeit der einzige Urlaub 

Der nächste Schock folgte jetzt im Herbst. Geplant war ein Segeltörn mit einem Plattbodenschiff. Kurz bevor der Anker gelichtet werden sollte, wurden die Niederlande zum Risikogebiet erklärt. Also noch eine Absage. „Sehr bitter. Für viele Kinder ist eine Baui-Freizeit der einzige, bezahlbare, Urlaub im Jahr“, sagt die Leiterin.

Auch finanziell hätte das Virus den Baui in Turbulenzen gestürzt. Der Saal, sonst ein beliebter Ort für Hochzeiten und Partys, kann auch in absehbarer Zeit nicht vermietet werden. Erlöse brechen weg. „Wir bedanken uns ausdrücklich bei der Bezirksvertretung Innenstadt, die uns 2000 Euro bewilligt hat.“ Davon konnte der Baui eine Honorarkraft bezahlen, die Namen und Telefonnummern der jungen Besucher auf Listen notierte. „Manchmal mussten wir Kinder nach Hause schicken, um eine Telefonnummer zu holen. Die wussten sie nicht auswendig“, sagt MT.

Derzeit ist der Baui wieder geöffnet. „Wir müssen ständig an die Regeln erinnern. Abstand, bitte, Maske auf! Aber die Jugendlichen machen das ja nicht böswillig. Die sind in einem Alter, in dem die Gruppe entwicklungspsychologisch enorm wichtig ist“, sagt Waschk. Ein Herbstferienprogramm gab es übrigens trotz allem. „Alles outdoor“, sagt MT und muss los. Zum Bogenschießen nach Ossendorf.

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